21.11.2024
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Dokument-Nr. 11344

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Bundesgerichtshof Urteil22.03.2011

BGH bejaht Anfech­tungs­be­fugnis des Minder­heits­ak­tionärs trotz wirksamer EintragungMinder­hei­te­n­ak­tionär bei Verletzung des Gesetzes oder der Satzung trotz bereits erfolgter Handels­re­gis­te­r­ein­tragung zur Anfechtung berechtigt

Minder­heits­ak­tionäre, deren Aktien nach dem Beschluss der Haupt­ver­sammlung einer Aktien­ge­sell­schaft auf einen Hauptaktionär übertragen werden sollen, verlieren nicht die Befugnis, diesen Beschluss wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung anzufechten, wenn der Übertra­gungs­be­schluss vor Zustellung ihrer Klage in das Handelsregister eingetragen wird und ihre Aktien damit auf den Hauptaktionär übergehen. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Die Kläger des zugrunde liegenden Falls waren Aktionäre der Beklagten, die bis zur Umwandlung in eine GmbH im Jahr 2009 eine Aktiengesellschaft war. In der Hauptversammlung der Beklagten vom 21. Dezember 2007 wurde die Übertragung der Aktien der Minder­heits­ak­tionäre auf die Hauptaktionärin beschlossen (§ 327 a Abs. 1 Satz 1 AktG*). Dagegen erhoben die Kläger Anfech­tungs­klagen, die zwischen dem 17. und 21. Januar 2008 beim zuständigen Gericht eingingen und dem Aufsichtsrat der Beklagten am 28. Februar 2008 sowie dem Vorstand am 3. März 2008 zugestellt wurden. Auf Antrag der Beklagten vom 11. Februar 2008, in dem erklärt wurde, dass eine Klage gegen die Wirksamkeit des Übertra­gungs­be­schlusses nicht erhoben worden sei, wurde dieser am 27. Februar 2008 in das Handelsregister eingetragen.

Aktio­när­s­stellung infolge der Eintragung des Übertra­gungs­be­schlusses in das Handelsregister verloren

Das Landgericht hat den Übertra­gungs­be­schluss für nichtig erklärt. Das Berufungs­gericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen, weil die Kläger zum Zeitpunkt der Zustellung ihrer Klagen nicht mehr Aktionäre der Beklagten gewesen seien. Die Kläger hätten infolge der Eintragung des Übertra­gungs­be­schlusses in das Handelsregister ihre Aktio­när­s­stellung vor Zustellung ihrer Klagen verloren. Mit der Eintragung des Übertra­gungs­be­schlusses seien die Aktien der Kläger – ungeachtet der von ihnen bereits eingereichten, aber noch nicht zugestellten Klagen – gem. § 327 e Abs. 3 Satz 1 AktG** auf die Hauptaktionärin übergegangen.

Minder­heits­ak­tionär darf nicht rechtlos gegen die zwangsweise Übertragung seiner Aktien gestellt werden

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil auf die Revision zweier Kläger aufgehoben. Ein Kläger ist zwar grundsätzlich nur dann befugt, Beschlüsse der Haupt­ver­sammlung einer Aktien­ge­sell­schaft gemäß § 245 Nr. 1 AktG*** anzufechten, wenn er im Zeitpunkt der (erst) mit der Zustellung erfolgten Erhebung der Klage (noch) Aktionär der beklagten Aktien­ge­sell­schaft ist. Dies gilt aber nicht für die Klage eines Minder­heits­ak­tionärs gegen den Beschluss der Haupt­ver­sammlung, auf Verlangen eines Hauptaktionärs, dem Aktien der Gesellschaft in Höhe von 95 vom Hundert des Grundkapitals gehören, diesem die Aktien der übrigen Aktionäre (Minder­heits­ak­tionäre) gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung zu übertragen (§ 327 a AktG*). § 245 Nr. 1 AktG*** ist vielmehr verfas­sungs­konform dahin auszulegen, dass die Anfech­tungs­be­fugnis des Minder­heits­ak­tionärs nicht entfällt, wenn er infolge der Eintragung des Übertra­gungs­be­schlusses seine Aktio­när­s­stellung vor Zustellung seiner Anfech­tungsklage verliert. Diese Auslegung ist geboten, um den Aktionär nicht rechtlos gegen die zwangsweise Übertragung seiner Aktien zu stellen und um der vom Gesetzgeber vorgesehenen, verfas­sungs­rechtlich gebotenen Rechts­schutz­mög­lichkeit gegen den von der Haupt­ver­sammlung gefassten Übertra­gungs­be­schluss Geltung zu verschaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2009 – 1 BvR 1542/06). Der Bundes­ge­richtshof hat die Sache zur Entscheidung über die geltend gemachten Anfech­tungs­gründe an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

*327a Abs. 1 Satz 1 AktG lautet:

Die Haupt­ver­sammlung einer Aktien­ge­sell­schaft oder einer Komman­dit­ge­sell­schaft auf Aktien kann auf Verlangen eines Aktionärs, dem Aktien der Gesellschaft in Höhe von 95 vom Hundert des Grundkapitals gehören (Hauptaktionär), die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (Minder­heits­ak­tionäre) auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließen.

**§ 327 e Abs. 3 Satz 1 AktG lautet:

Mit der Eintragung des Übertra­gungs­be­schlusses in das Handelsregister gehen alle Aktien der Minder­heits­ak­tionäre auf den Hauptaktionär über.

***§ 245 Nr. 1 AktG lautet:

Zur Anfechtung ist befugt

1. jeder in der Haupt­ver­sammlung erschienene Aktionär, wenn er die Aktien schon vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben hatte und gegen den Beschluß Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat;

2. [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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