23.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 11060

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Urteil16.05.1974BundesgerichtshofII ZR 12/73
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • JR 1975, 20Zeitschrift: Juristische Rundschau (JR), Jahrgang: 1975, Seite: 20
  • JuS 1976, 571Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 1976, Seite: 571
  • MDR 1974, 911Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 1974, Seite: 911
  • NJW 1974, 1705Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1974, Seite: 1705
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil16.05.1974

Lotterie-Fall: BGH zum Schaden­s­er­satz­an­spruch einzelner Teilnehmer einer Lotto­spiel­ge­mein­schaft aufgrund eines nicht abgegebenen SpielscheinsZur Haftung bei Gefälligkeiten - Abgrenzung von Handeln mit Rechts­bin­dungs­willen und bloßer Gefälligkeit

Mit forts­chrei­tender Durch­recht­lichung der Gesellschaft droht jeder gesell­schaftliche Kontakt zum Rechtsrisiko zu werden. Diesem Trend setzt die Rechtsprechung klare Grenzen. Dies zeigt eine Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs (BGH) aus dem Jahr 1974, die wegen der zugrunde liegenden Alltags­si­tuation, aus der eine Klage mit hoher Streitsumme entstand, in die Rechts­ge­schichte einging.

Der Sachverhalt ist banal: Fünf Bekannte haben sich zu einer Lottospielgemeinschaft zusam­men­ge­schlossen. Sie "tippen" jede Woche mit einem Einsatz von insgesamt 50 DM mit einer bestimmten festliegenden Zahlenreihe. Sie zahlen ihren Beitrag von jeweils 10 DM jede Woche beim späteren Beklagten ein. Dieser hat die Aufgabe, die Lottozettel im eigenen Namen auszufüllen und sie bei der Annahmestelle abzugeben. Zu einer Ausspielung im Oktober 1971 versäumt er es jedoch, die Lottozettel mit den verabredeten Zahlenreihen auszufüllen. Just in diesem Spiel hätte die Gemeinschaft mit ihrer festen Zahlenreihe richtig gelegen und einen Gewinn von insgesamt 10.550 DM gemacht. Diesen Betrag machen daraufhin drei der Mitglieder gegen den Beklagten geltend.

Grundsätzlich besteht rechtliche Beziehung zwischen Mitgliedern einer Tippge­mein­schaft

Die Klage wurde in allen drei Instanzen abgewiesen. Für den BGH war - anders als in den Vorinstanzen - die Frage ausschlaggebend, ob die vom Beklagten übernommene Aufgabe, die Lottoscheine auszufüllen und einzureichen, als Verpflichtung rechtlich bindend vereinbart worden war oder nicht. Grundsätzlich gilt, dass zwischen den Mitgliedern einer mündlich verabredeten Lotto- oder Totospiel­ge­mein­schaft rechtliche Beziehungen bestehen. So besteht u.a. bei einem Spielgewinn die Rechtspflicht, den Gewinn wie verabredet zu verteilen. Die Mitglieder können je nach Absprache auch zur Leistung der vereinbarten Spieleinsätze verpflichtet sein.

Verpflichtung zur Spiel­schein­abgabe ist unter Berück­sich­tigung der Interessenlage zu ermitteln

Jedoch befanden die Richter des BGH, dass sich aus diesen Rechts­be­zie­hungen nicht ohne weiteres ergebe, dass auch eine rechtliche Bindung insoweit bestehe, als einer der Mitspieler es übernommen habe, die Spielscheine in der verabredeten Weise auszufüllen und bei der Lotto-Annahmestelle einzureichen. Soweit ein ausdrücklich oder stillschweigend erklärter Wille der Beteiligten nicht feststellbar sei, könne dies nur unter Berück­sich­tigung der Interessenlage beider Parteien nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte geprüft werden. Dabei komme es zum einen auf die wesentlichen (insbesondere wirtschaft­lichen) Interessen der Mitglieder an, die auf dem Spiel stehen.

Schaden­s­er­satz­risiko des "Beauftragten" ist in der Regel nicht zumutbar

Zum anderen komme es darauf an, ob die Annahme einer entsprechenden Rechtspflicht und das sich daraus ergebende Schaden­s­er­satz­risiko auch für den "Beauftragten" unter Berück­sich­tigung der Unent­gelt­lichkeit der übernommenen Geschäfts­be­sorgung zumutbar sei. In Fällen der vorliegenden Art ergebe diese Inter­es­se­n­ab­wägung, dass eine solche rechts­ge­schäftliche Verpflichtung, die Spielscheine wie verabredet auszufüllen und einzureichen, im allgemeinen zu verneinen sei. Eine andere Wertung würde ein außer­or­dent­liches Schaden­s­er­satz­risiko bedeuten. Die Gefahr, dass der beauftragte Spieler gegen die von den Mitspielern getroffene Abrede verstoße, sei verhältnismäßig groß. Es könne leicht vorkommen, dass er das Ausfüllen einmal vergesse, wegen anderer Verpflichtungen daran gehindert werde oder versehentlich andere als die verabredeten Zahlen ankreuze. Zugleich sei die Wahrschein­lichkeit, dass aus einem solchen Fehler ein erheblicher Schaden erwachse - so wie die Chance eines hohen Gewinns - sehr klein. Die statistische Wahrschein­lichkeit eines Lotto­spiel­gewinns spricht für sich.

Andernfalls besteht Gefahr der wirtschaft­lichen Existenz­ver­nichtung

Wenn sich aber die geringe Gewinnchance verwirkliche, könnte der Gewinn eine außer­ge­wöhnliche Höhe erreichen und die wirtschaftliche Existenz des beauftragten Spielers vernichten. Sie würde ihn jedenfalls ungleich härter treffen, als wenn den Mitspielern ein Ersatzanspruch wegen des entgangenen Spielgewinns, mit dem sie nicht ernsthaft hätten rechnen können, versagt werde. Zwar sei allgemein ein entgangener Gewinn nicht weniger schaden­s­er­satz­würdig als der Verlust bereits vorhandener Vermögenswerte. Jedoch handele es sich in vorliegendem Fall nicht um einen normalen Gewinn, der durch einen etwa gleichwertigen Einsatz "verdient" worden sei und mit einiger Wahrschein­lichkeit hätte erwartet werden können. Zu ersetzen wäre vielmehr ein Spielgewinn, der nur einen unver­hält­nismäßig geringen Einsatz gekostet hätte und für den Gewinner einen ganz außer­or­dent­lichen und gar nicht zu erwartenden Glücksfall bedeutet hätte.

Lotto ist ein Glücksspiel und dient als solches nicht allein wirtschaft­lichen Zwecken

Eine Spiel­ge­mein­schaft werde schließlich meist mit dem Ziel verabredet, durch den erhöhten Einsatz die geringe Gewinnschance etwas zu erweitern. Es liege aber völlig außerhalb der Vorstellung der Beteiligten, dass sich aus ihrem Zusammenschluss für einen von ihnen eine - unter Umständen existenz­ver­nichtende - Schaden­s­er­satz­pflicht ergeben könnte. Keiner der Spieler würde ein solches Risiko wissentlich übernehmen oder es den Mitspielern zumuten. Das Glücksspiel bleibe ein Spiel und damit ein freies, außerhalb wirtschaft­licher Zwecke und Notwendigkeiten stehendes Handeln. Rechtlicher Zwang und Schadenseratz, wie er sonst zum Schutz wesentlicher Interessen und Güter notwendig sei, sei damit nicht vereinbar.

Erläuterungen

Die Entscheidung ist aus dem Jahr 1974 und erscheint im Rahmen der Reihe "Urteile, die Rechts­ge­schichte geschrieben haben".

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (vt/we)

der Leitsatz

BGB §§ 705, 762

Wer in einer Lotto­spiel­ge­mein­schaft die Lottoscheine ausfüllt und einreicht, übernimmt insoweit in der Regel keine rechts­ge­schäftliche Verpflichtung.

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