13.12.2024
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Bundesgerichtshof Urteil25.07.2024

BGH fragt EuGH zu Verlusten bei unerlaubten SportwettenRechtsstreit um die Rückerstattung von Verlusten bei unerlaubten Sportwetten wird zum Fall für EuGH

Der Bundes­ge­richtshof hat darüber zu entscheiden, ob ein Veranstalter von Sportwetten im Internet, der nicht über die nach dem Glücks­spiel­staats­vertrag 2012 erforderliche Konzession der zuständigen deutschen Behörde verfügte, die verlorenen Wetteinsätze eines Spielers erstatten muss. Er hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt, ob es die nach dem Unionsrecht gewährleistete Dienstl­eistungs­freiheit eines Glücks­spiel­anbieters mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausschließt, einen solchen Sport­wet­ten­vertrag als nichtig zu betrachten, wenn der Anbieter in Deutschland eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten beantragt hatte und das für diesen Antrag geltende Verfahren zur Konzessions­erteilung unions­rechts­widrig durchgeführt wurde.

Die Beklagte mit Sitz in Malta bietet Sportwetten über eine deutsch­sprachige Webseite mit einer deutschen Top-Level-Domain an. Der Kläger nahm von 2013 bis zum 9. Oktober 2020 im Internet an Sportwetten der Beklagten teil. In diesem Zeitraum verfügte die Beklagte in Deutschland nicht über eine Konzession zur Veranstaltung von Sportwetten. Sie hatte eine solche Konzession zwar nach dem damals geltenden Glücksspielstaatsvertrag 2012 beantragt, aber nicht erhalten. Ihr wurde erst mit Bescheid vom 9. Oktober 2020 - in einem neuen Konzes­si­ons­er­tei­lungs­ver­fahren auf Grundlage der ab 1. Januar 2020 geltenden Fassung des Glückss­piel­staats­vertrags 2012 - eine Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten und Online-Sportwetten in Deutschland erteilt. Der Kläger macht geltend, die mit der Beklagten geschlossenen Wettverträge seien nichtig, weil das unerlaubte Angebot von Online-Sportwetten gegen den Glückss­piel­staats­vertrag 2012 verstoßen habe. Er hat die Beklagte auf Rückzahlung verlorener Wetteinsätze in Höhe von 3.719,26 € in Anspruch genommen. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das LG zurückgewiesen. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

BGH legt den Fall dem EuGH vor

Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt. In seinem Vorla­ge­be­schluss hat der BGH zur zivil­recht­lichen Rechtslage ausgeführt: Das Verbot mit Erlaub­nis­vor­behalt für die Veranstaltung öffentlicher Sportwetten in § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4 a Abs. 1, § 10 a Abs. 2 und 3 GlüStV 2012 stellt ein gesetzliches Verbot im Sinn des § 134 BGB dar. Die Beklagte hat dagegen verstoßen, indem sie in Deutschland öffentlich im Internet Sportwetten angeboten hat, ohne im für den Streitfall relevanten Zeitraum über die hierfür erforderliche Erlaubnis zu verfügen. Aus dem Verstoß folgt grundsätzlich die Nichtigkeit der zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen Sport­wet­ten­verträge (§ 134 BGB) und ein Anspruch des Klägers auf Erstattung seiner Verluste (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB). Der Zweck des gesetzlichen Verbots, die Bevölkerung vor von öffentlichen Glücksspielen ausgehenden Gefahren zu schützen, erfordert grundsätzlich die Nichtigkeit der auf Grundlage eines Inter­ne­t­an­gebots unter einseitigem Verstoß gegen die Erlaub­nis­pflicht geschlossenen Glückss­piel­verträge.

Der BGH hat weiter ausgeführt, dass sich im Streitfall die Frage stellt, ob aus unions­recht­lichen Gründen eine andere Beurteilung geboten ist, weil die Beklagte im maßgeblichen Zeitraum bereits eine Konzession für die Veranstaltung von Sportwetten in Deutschland beantragt hatte und das für diesen Antrag geltende Konzes­si­ons­er­tei­lungs­ver­fahren unions­rechts­widrig durchgeführt wurde. Der EuGH hat in einem gleichfalls unerlaubte Sportwetten betreffenden straf­recht­lichen Ausgangs­ver­fahren entschieden, dass nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts kein Mitgliedstaat eine strafrechtliche Sanktion für ein Verhalten verhängen darf, mit dem der Betroffene einer verwal­tungs­recht­lichen Anforderung nicht genügt hat, wenn der Mitgliedstaat die Erfüllung der Anforderung unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat. Es stellt sich daher die Frage, ob unter Umständen wie denen des Streitfalls im Rahmen nicht erlaubter Online-Angebote abgeschlossene Sport­wet­ten­verträge zivilrechtlich als nichtig angesehen werden dürfen.

Ansicht des BGH: Verträge zwischen Spielern und Anbietern bei fehlender deutschen Konzession nichtig

Der BGH hat deutlich gemacht, dass er - auch unter Berück­sich­tigung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH - dazu neigt, diese Frage zu bejahen. Die zivilrechtliche Rechtsfolge der Nichtigkeit stellt keine Strafe dar, sondern eine Einschränkung der Privatautonomie zum Schutz des allgemeinen Rechtsverkehrs. Die im Verhältnis des Staats zum Sport­wet­te­n­an­bieter eintretenden Rechtsfolgen lassen sich nicht ohne Weiteres auf das Verhältnis des Sport­wet­te­n­an­bieters zum Spieler als privatem Dritten übertragen. Die einen Eingriff in die Dienst­leis­tungs­freiheit recht­fer­ti­genden zwingenden Gründe des Allge­mein­in­teresses - darunter der Schutz der Bevölkerung vor übermäßigen wirtschaft­lichen Schäden durch öffentliches Glücksspiel - bestehen auch dann, wenn das Verfahren der Konzes­si­ons­er­teilung unions­rechts­widrig ausgestaltet war.

Im vorliegenden Revisi­ons­ver­fahren kommt es vorerst nicht auf die in einem Hinweis­be­schluss in einem anderen Verfahren vertretene vorläufige Ansicht des BGH an, dass es jedenfalls für solche unerlaubten Online-Sport­wet­ten­an­gebote, die auch in einem unions­rechts­kon­formen Konzes­si­ons­er­tei­lungs­ver­fahren nicht ohne Weiteres erlaubnisfähig gewesen wären, insbesondere weil die angebotenen Sportwetten wegen Nichteinhaltung des grundsätzlich auf 1.000 € begrenzten monatlichen Höchsteinsatzes je Spieler dem materiellen Glückss­pielrecht widersprachen, bei der Nichtig­keitsfolge des § 134 BGB verbleibt. Da das Berufungs­gericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, ist im vorliegenden Revisi­ons­ver­fahren zugunsten der Beklagten davon auszugehen, dass sie die spiel­er­schüt­zenden Regelungen des materiellen Glückss­piel­rechts gegenüber dem Kläger eingehalten hat.

Ergänzender Hinweis:

Der Bundes­ge­richtshof hat zwei Paral­lel­ver­fahren über die Erstattung von Verlusten aus Sportwetten bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im vorliegenden Verfahren ausgesetzt. Zumindest einer dieser Fälle betrifft eine Konstellation, in der sich aus den Feststellungen des Berufungs­ge­richts neben dem Verstoß gegen die formelle Erlaub­nis­pflicht auch ein Verstoß gegen das materielle Glückss­pielrecht und insbesondere die grundsätzliche Verpflichtung zur Begrenzung des Höchsteinsatzes ergibt.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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