21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil12.03.2020

"DWD WarnWetter-App" darf nur für Wetterwarnungen kostenlos und werbefrei angeboten werdenAngebot der WarnWetter-App ist als geschäftliche Handlung anzusehen und an Regeln des Wettbe­wer­bs­rechts zu messen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine App mit zahlreichen über Wetterwarnungen hinausgehenden Informationen zum Wetter nicht kostenlos und werbefrei anbieten darf.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens bietet meteorologische Dienst­leis­tungen wie Wetterberichte über das Internet und über eine App für mobile Endgeräte an. Die App der Klägerin ist in der Standard-Version kostenlos und werbefinanziert und in einer werbefreien Version gegen Entgelt erhältlich.

Herausgabe amtlicher Warnungen über Wette­r­er­schei­nungen an die Allgemeinheit erfolgt entgeltfrei

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) ist der nationale meteorologische Dienst der beklagten Bundesrepublik Deutschland. Seine Aufgaben sind in § 4 Abs. 1 DWDG geregelt. Dazu gehören etwa die Erbringung meteo­ro­lo­gischer Dienst­leis­tungen für die Allgemeinheit (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 DWDG) und die Herausgabe amtlicher Warnungen über Wette­r­er­schei­nungen (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 DWDG). Für seine Dienst­leis­tungen verlangt der DWD grundsätzlich eine Vergütung (§ 6 Abs. 2 Satz 1 DWDG). Die Herausgabe von amtlichen Warnungen über Wette­r­er­schei­nungen an die Allgemeinheit ist allerdings entgeltfrei (§ 6 Abs. 2a DWDG). Solche unentgeltlichen Leistungen darf der DWD nach § 4 Abs. 6 DWDG selbst öffentlich verbreiten.

Seit Juni 2015 bietet der DWD eine "DWD WarnWetter-App" für mobile Endgeräte an. Mit dieser App können nicht nur Wetterwarnungen, sondern auch zahlreiche allgemeine Informationen zum Wetter einschließlich detaillierter Wetterberichte abgerufen werden. Diese App war - in der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Version - für alle Inhalte unentgeltlich und werbefrei.

Klägerin beanstandet Benachteiligung nicht­staat­licher Anbieter von Wetter-Anwendungen

Die Klägerin hält das unentgeltliche Anbieten und Verbreiten der Inhalte der DWD WarnWetter-App für wettbewerbswidrig, da der DWD allenfalls amtliche Wetterwarnungen unentgeltlich verbreiten dürfe. Die DWD WarnWetter-App benachteilige wegen ihrer Finanzierung durch den Staat nichtstaatliche Anbieter von Wetter-Anwendungen. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Den Unter­las­sungs­an­spruch hat sie in erster Linie auf wettbe­wer­bs­rechtliche Vorschriften, hilfsweise auf das öffentliche Recht gestützt.

OLG: WarnWetter-App verstößt nicht gegen Wettbe­wer­bsrecht

Das Landgericht sah die Regelungen in § 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2a DWD, die bestimmen, welche Leistungen der DWD nur gegen Vergütung und welche er entgeltfrei erbringen darf, als Markt­ver­hal­tens­re­ge­lungen im Sinne von § 3 a UWG an. In dem unentgeltlichen Anbieten der Warnwetter-App sah das Landgericht einen Verstoß gegen diese Vorschriften und verurteilte die Beklagte deshalb zur Unterlassung. Auf die Berufung der Beklagten wies das Berufungs­gericht die auf das Wettbe­wer­bsrecht gestützte Klage durch Teilurteil ab. Das Berufungs­gericht nahm an, dass die Beklagte nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG geschäftlich gehandelt habe. Sie sei vielmehr zur Erfüllung der ihr durch § 4 DWDG zugewiesenen öffentlichen Aufgaben tätig geworden. Soweit sie durch das Nichterheben einer Gegenleistung möglicherweise ihren Kompe­tenz­bereich überschritten habe und dies gegen das Gesetz über den Deutschen Wetterdienst verstoße, begründe dies kein Handeln im geschäftlichen Verkehr. Hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Unter­las­sungs­an­spruchs hat das Berufungs­gericht den Rechtsstreit an das Verwal­tungs­gericht verwiesen.

BGH: Berufungs­gericht hätte alle in Betracht kommenden Anspruchs­grundlagen selbst prüfen müssen

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und das der Klage stattgebende landge­richtliche Urteil im Wesentlichen wieder­her­ge­stellt. Zur Begründung führte der Bundes­ge­richtshof im Wesentlichen aus, dass das Berufungsurteil schon deshalb aufgehoben werden musste, weil das Berufungs­gericht nicht durch Teilurteil über die wettbe­wer­bs­recht­lichen Ansprüche entscheiden und den Rechtsstreit wegen der öffentlich-rechtlichen Ansprüche an das Verwal­tungs­gericht verweisen durfte. Das Berufungs­gericht hätte vielmehr alle in Betracht kommenden Anspruchs­grundlagen selbst prüfen müssen. Der Bundes­ge­richtshof musste den Rechtsstreit gleichwohl nicht zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverweisen, weil er die Sache auf der Grundlage der vom Berufungs­gericht getroffenen Feststellungen selbst abschließend entscheiden konnte.

Inhalte der unentgeltlichen WarnWetter-App beschränken sich nicht auf Wetterwarnungen

Danach hatte die Klage Erfolg. Der DWD hat mit seinem für die Nutzer kostenlosen und nicht durch Werbung finanzierten Angebot einer WarnWetter-App zwar nicht erwer­bs­wirt­schaftlich, sondern allein zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben gehandelt. Er hat dabei aber die Grenzen der Ermäch­ti­gungs­grundlage des § 4 Abs. 6 DWDG überschritten, weil sich die Inhalte der unentgeltlichen WarnWetter-App nicht auf Wetterwarnungen beschränkten, sondern darüber hinaus zahlreiche allgemeine Wette­r­in­for­ma­tionen enthielten. Deshalb ist das Angebot der WarnWetter-App als geschäftliche Handlung anzusehen und an den Regeln des Wettbe­wer­bs­rechts zu messen.

Auch DWD muss für meteorologische Dienst­leis­tungen entweder Vergütung verlangen oder Leistungen durch Werbung finanzieren

Bei den Bestimmungen in § 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2a DWD, welche Leistungen der DWD nur gegen Vergütung und welche er entgeltfrei erbringen darf, handelt es sich um Markt­ver­hal­tens­re­ge­lungen im Sinne von § 3 a UWG, deren Verletzung wettbe­wer­bs­widrig ist. Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass der DWD seine Dienst­leis­tungen im Grundsatz nur unter Markt­be­din­gungen erbringen darf und wie jeder andere Anbieter einer Anwen­dungs­software für meteorologische Dienst­leis­tungen hierfür entweder unmittelbar eine Vergütung verlangen muss oder - wenn die Anwen­dungs­software kostenlos abgegeben wird - diese Leistungen mittelbar etwa durch Werbeeinnahmen finanzieren muss. Diese Regelungen haben den Zweck, die Betätigung des DWD auf dem Markt der meteo­ro­lo­gischen Dienst­leis­tungen zum Schutz privat­wirt­schaft­licher Mitbewerber zu begrenzen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und 3 und Abs. 6 DWDG:

(1) Aufgaben des Deutschen Wetterdienstes sind

1. die Erbringung meteo­ro­lo­gischer und klima­to­lo­gischer Dienst­leis­tungen für die Allgemeinheit oder einzelne Kunden und Nutzer, insbesondere auf den Gebieten des Verkehrs, der gewerblichen Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft, des Bauwesens, des Gesund­heits­wesens, der Wasser­wirt­schaft einschließlich des vorbeugenden Hochwas­ser­schutzes, des Umwelt- und Naturschutzes und der Wissenschaft,

[...]

3. die Herausgabe amtlicher Warnungen über Wette­r­er­schei­nungen,

a) die zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen können oder

b) die in Bezug zu drohenden Wetter- und Witte­rungs­er­eig­nissen mit hohem Schaden­s­po­tenzial stehen,

[...]

(6) Der Deutsche Wetterdienst darf Leistungen, die im Sinne des § 6 Absatz 2a unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, selbst öffentlich verbreiten, soweit dies zu seinen gesetzlichen Aufgaben gehört.

§ 6 Abs. 2 und 2a Nr. 2 DWDG:

(2) Der Deutsche Wetterdienst verlangt für die Erbringung seiner Dienst­leis­tungen eine Vergütung. Die Höhe der Vergütung wird vom Vorstand auf Basis betrie­bs­wirt­schaft­licher Kalku­la­ti­o­ns­ver­fahren, gegebenenfalls erhöht auf Grund des wirtschaft­lichen Wertes oder ermäßigt auf Grund eines besonderen öffentlichen Interesses, oder auf Grund internationaler Vereinbarungen in einer Preisliste festgesetzt. Sie enthält die Preise für Daten, Produkte und Spezi­a­l­dienst­leis­tungen.

(2a) Sofern nicht auf Grund anderer gesetzlicher Regelungen eine Pflicht zur Entrichtung von Gebühren besteht, sind folgende Dienst­leis­tungen des Deutschen Wetterdienstes entgeltfrei: [...]

2. jene an die Allgemeinheit nach § 4 Absatz 1 Nummer 3 und 7 zur öffentlichen Verbreitung, [...].

§ 3 a UWG:

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Markt­teil­nehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 2 Abs.1 Nr. 1 UWG:

(1) Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet

1. "geschäftliche Handlung" jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäfts­ab­schluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienst­leis­tungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienst­leis­tungen objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke, als Dienst­leis­tungen auch Rechte und Verpflichtungen, [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online (pm/kg)

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