Bundesfinanzhof Urteil16.03.2010
BFH: Scheinrenditen aus Schneeballsystem sind zu versteuernAuch Scheinrenditen sind als Einkünfte aus Kapitalvermögen anzusehen
Gutschriften aus Schneeballsystemen unterliegen bereits dann der Einkommensteuer, wenn der Betreiber des Systems im Zeitpunkt der Gutschrift zur Auszahlung bereit und in der Lage gewesen wäre. Aus der Ablehnung eines sofortige Auszahlungswunsches und Verhandlungen über andere Zahlungsmodalitäten kann allerdings auf fehlende Zahlungsbereitschaft geschlossen werden. Dies entschied der Bundesfinanzhof und bestätigte damit einerseits seine Rechtsprechung zum Zufluss von so genannten "(Schein-)Renditen" aus betrügerischen Schneeballsystemen, andererseits grenzte er diese aber auch ein.
Im zugrunde liegenden Streitfall hatten sich Ehegatten mit mehr als 200.000,- DM an einer Geldanlage beteiligt, die sich letztlich als so genanntes Schneeballsystem entpuppte. In den Streitjahren 1992 bis 1997 erhielt das Ehepaar aus der Anlage tatsächliche Auszahlungen (Zinsen) in Höhe von ca. 195.000,- DM sowie lediglich gutgeschriebene und sofort wiederangelegte Erträge in Höhe von 176.960,- DM.
Tatsächlich ausgezahlten Zinsen sind als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern
Die tatsächlich ausgezahlten Zinsen von ca. 195.000,- DM sind nach Auffassung des Bundesfinanzhof den Ehegatten zugeflossen und von ihnen als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern. Grundsätzlich gilt das auch für die stehengelassenen, d.h. wiederangelegten (Schein-)Renditen. Der Bundesfinanzhof hält daran fest, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen selbst dann vorliegen, wenn ein Anleger aus dem Kapital anderer getäuschter Anleger (oder gar aus seinem eigenen Anlagekapital) eine "Scheinrendite" erhält. Ob die "Scheinrendite" dem Anleger zugeflossen ist, hängt lediglich davon ab, ob im konkreten Einzelfall eine Auszahlung hätte erreicht werden können. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob der Schuldner (hypothetische) Zahlungen an alle Anleger hätte leisten können.
Bundesfinanzhof weist Sache zurück an das Finanzgericht
Im Streitfall war unklar, ob die Ehegatten die 1995 bis 1997 gutgeschriebenen Scheinrenditen tatsächlich hätten vereinnahmen können, zumal angesichts des Schriftverkehrs Zweifel an der Leistungsbereitschaft des Schuldners bestanden. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen hat der Bundesfinanzhof die Vorentscheidung daher hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1997 aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.07.2010
Quelle: ra-online, Bundesfinanzhof
der Leitsatz
1. Gutschriften aus Schneeballsystemen führen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen, wenn der Betreiber des Schneeballsystems bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge leistungsbereit und leistungsfähig gewesen wäre.
2. An der Leistungsbereitschaft des Betreibers des Schneeballsystems kann es fehlen, wenn er auf einen Auszahlungswunsch des Anlegers hin eine sofortige Auszahlung ablehnt und stattdessen über anderweitige Zahlungsmodalitäten verhandelt.