21.11.2024
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Bundesfinanzhof Urteil11.11.2010

BFH erleichtert den Nachweis von Krank­heits­kosten als außer­ge­wöhnliche BelastungenNachweis einer Krankheit muss nicht zwingend vor Behand­lungs­beginn durch amts- oder vertrau­en­s­ärzt­liches Gutachten gelegt werden

Zur Geltendmachung von Krank­heits­kosten als außer­ge­wöhnliche Belastungen muss der Nachweis einer Krankheit und der medizinischen Indikation der Behandlung nicht mehr zwingend durch ein vor Beginn der Behandlung eingeholtes amts- oder vertrau­en­s­ärzt­liches Gutachten bzw. Attest eines öffentlich-rechtlichen Trägers geführt werden. Der Nachweis kann vielmehr auch noch später und durch alle geeigneten Beweismittel geführt werden. Dies entschied der Bundesfinanzhof.

Nach § 33 Abs. 1 des Einkom­men­steu­er­ge­setzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuer­pflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuer­pflichtigen gleicher Einkom­mens­ver­hältnisse, gleicher Vermö­gens­ver­hältnisse und gleichen Familienstands (außer­ge­wöhnliche Belastung) erwachsen. Hierzu gehören insbesondere Krank­heits­kosten und zwar auch dann, wenn sie der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen, unter der ein unter­halts­be­rech­tigtes minderjähriges Kind des Steuer­pflichtigen leidet.

Eltern machen erfolglos Schulbeitrag, Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Therapiekosten als außer­ge­wöhnliche Belastungen geltend

Im Verfahren VI R 17/09 stand die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen zur Behandlung einer Lese- und Recht­schreib­schwäche in Streit. Der Sohn der Kläger besuchte auf ärztliches Anraten ein Internat mit integriertem Legas­the­nie­zentrum. Die Kläger hatten auf die Übernahme der Schulkosten durch den Landkreis verzichtet. Stattdessen machten sie den Schulbeitrag, Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Therapiekosten als außer­ge­wöhnliche Belastungen erfolglos beim Finanzamt geltend. Auch die daraufhin erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Denn Aufwendungen für eine Legas­the­nie­t­herapie (im Streitfall mit Unterbringung in einem entsprechenden Internat) seien nur dann als Krank­heits­kosten gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen, wenn der Lese- und Recht­schreib­schwäche Krankheitswert zukomme und die Aufwendungen zum Zwecke ihrer Heilung oder Linderung getätigt würden. Dies sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs durch Vorlage eines vor der Behandlung ausgestellten amtsärztlichen Attestes oder eines Attestes des medizinischen Dienstes einer öffentlichen Kranken­ver­si­cherung nachzuweisen.

Geltendmachen der Anschaf­fungs­kosten für neue Möbel als außer­ge­wöhnliche Belastungen bei Asthmae­r­krankung erfolglos

In der Sache VI R 16/09 war streitig, ob die Anschaf­fungs­kosten für neue Möbel als außer­ge­wöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, wenn sich die Kläger wegen Asthma­be­schwerden ihres Kindes zum Erwerb veranlasst sehen. Auch hier blieb die Klage vor dem Finanzgericht ohne Erfolg, da die konkrete Gesund­heits­ge­fährdung durch die alten Möbel nicht durch ein amtsärztliches Attest nachgewiesen worden sei.

Erstattung von Gefäl­lig­keits­gut­achten nicht zu befürchten

Auf die Revision der Kläger hat der Bundesfinanzhof beide Vorent­schei­dungen aufgehoben und unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass Krankheit und medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrunde liegenden Behandlung nicht länger vom Steuer­pflichtigen nur durch ein amts- oder vertrau­en­s­ärzt­liches Gutachten bzw. ein Attest eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers nachgewiesen werden können. Ein solch formalisiertes Nachweis­ver­langen ergebe sich nicht aus dem Gesetz und widerspreche dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Diese obliege dem Finanzgericht. Das Finanzgericht und nicht der Amtsarzt oder eine vergleichbare Institution habe die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Zwar verfüge das Finanzgericht nicht über eine medizinische Sachkunde und müsse deshalb regelmäßig ein ärztliches Gutachten über die Indikation der streitigen Maßnahme einholen. Es sei aber nicht ersichtlich warum nur ein Amtsarzt oder etwa der medizinische Dienst einer öffentlichen Kranken­ver­si­cherung, nicht aber ein anderer Mediziner die erforderliche Sachkunde und Neutralität besitzen soll, die medizinische Indikation von nicht nur für Kranke nützliche Maßnahmen objektiv und sachverständig beurteilen zu können. Die Befürchtung der Finanzbehörden und des dem Verfahren beigetretenen Bundes­mi­nis­teriums der Finanzen, es könnten Gefäl­lig­keits­gut­achten erstattet werden, teilte der Bundesfinanzhof nicht. Auch sei das Verlangen nach einer amtsärztlichen oder vergleichbaren Stellungnahme zur Missbrauchs­abwehr nicht erforderlich. Denn durch ein von einem Beteiligten vorgelegtes Privatgutachten, beispielsweise des behandelnden Arztes könne der Nachweis der Richtigkeit des klägerischen Vortrags und damit der medizinischen Indikation einer Heilmaßnahme ohnehin nicht geführt werden. Ein solches sei lediglich als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen.

Darüber hinaus hat der Bundesfinanzhof in dem Verfahren VI R 17/09 entschieden, dass der Verzicht auf die Inanspruchnahme von Sozia­l­leis­tungen dem Abzug von Krank­heits­kosten als außer­ge­wöhnliche Belastung nach § 33 EStG nicht entgegensteht.

Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online

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