18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen ein Formular für die Steuererklärung.
ergänzende Informationen

Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil12.11.2008

Kosten für Toupet sind keine außer­ge­wöhnliche Belastung

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat zu der Frage Stellung genommen, ob, bzw. unter welchen Umständen Aufwendungen für die Anschaffung eines Haarteils (Toupet) bei den außer­ge­wöhn­lichen Belastungen – agB – berücksichtigt werden können.

Der damals 65jährige Kläger hatte im Streitjahr 2006 Aufwendungen in Höhe von 850,00 € zum Erwerb eines künstlichen Haarteils bei den agB steuerlich geltend gemacht. Nach der Ablehnung durch das Finanzamt – FA – trug der Kläger unter Vorlage eines 2001 ausgestellten Rezeptes eines Neurologen vor, seit 1970 sei ihm krank­heits­bedingt alle zwei Jahre ein künstliches Haarteil ärztlich verschrieben worden; die diesbezüglichen Kosten habe die gesetzliche Krankenkasse bis zur gesetzlichen Neuregelung einschließlich des Jahres 2000 übernommen. Das Finanzamt habe die Kosten für 2002 und 2004 anerkannt. Es gehe nicht an, nunmehr die Bescheinigung eines Amts- oder Vertrau­ens­arztes zu verlangen, dies widerspreche dem Verbot wider­sprüch­lichen Verhaltens. Bei einer anerkannten Erkrankung genüge die einmalige Vorlage einer ärztlichen Verordnung. Eine solche sei vorgelegt worden. Es habe sich um eine letztmalige Verordnung gehandelt, weil die Krankenkasse ab 2001 diesbezügliche Aufwendungen nicht mehr erstatte.

Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg.

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, es gehe zwar davon aus, dass der Kläger von einer entzündlichen Haaraus­fa­l­ler­krankung („Alopecia areata“) befallen gewesen sei. Bei Krankheiten könnten nicht erstattete Heilbe­hand­lungs­kosten zur Steuerminderung als außer­ge­wöhnliche Belastung führen. Nur vorbeugende, der Gesundheit ganz allgemein dienende Maßnahmen oder die mit einer Krankheit verbundenen Folgekosten erwüchsen nach ständiger höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung nicht „zwangsläufig“ i.S. einer agB. Zur Abwehr von Missbräuchen sei daher die Vorlage eines zeitlich vor der Aufwendung erstellten amts- oder vertrau­en­s­ärzt­lichen Attestes notwendig, aus dem sich zweifelsfrei entnehmen lasse, dass die den Aufwendungen zu Grunde liegenden Maßnahmen medizinisch indiziert seien. Auch im Streitfall sei es erforderlich gewesen, dass der Kläger vor der Anschaffung des Haarteils ein entsprechendes amts – oder vertrau­en­s­ärzt­liches Zeugnis vorgelegt hätte: zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit des Erwerbs eines künstlichen Haarteils zur Linderung oder Behebung einer (ggf. psychischen) Erkrankung wegen krank­heits­be­dingter Kahlköpfigkeit. Das sei nicht geschehen. Eine medizinische Notwendigkeit zur Anschaffung eines Toupets sei nicht nachgewiesen. Außerdem habe das Landes­so­zi­al­gericht Rheinland-Pfalz eine Leistungs­pflicht der gesetzlichen Krankenkasse bei Versorgung eines Mannes mit einer Perücke bei krank­heits­be­dingten Haarverlust verneint. Dieses Gericht führe zu Recht aus, dass - anders als bei Frauen - bei Männern in der Gesellschaft Kahlköpfigkeit nicht als besonders auffälliger Zustand angesehen werde. Auch wenn der Kläger als damals 30-jähriger seinerzeit in seiner damaligen Umwelt psychische Probleme gehabt hätte, so habe sich die Situation mittlerweile grundlegend geändert. Damals wie heute stelle ein 65-jähriger haarloser Mann keine „aufse­hen­er­regende Besonderheit“ dar. Für den Fall einer psychischen Erkrankung hätte es demnach auch der Vorlage eines amts- oder vertrau­en­s­ärzt­lichen Zeugnisses bedurft. Psychische Erkrankungen würden nämlich herkömm­li­cherweise nicht durch Erwerb eines künstlichen Haarteils behandelt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des FG Rheinland-Pfalz vom 11.12.2008

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil7127

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI