22.11.2024
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Bundesfinanzhof Beschluss10.01.2008

Bundesfinanzhof hält Kürzung der Pendler­pau­schale für verfas­sungs­widrigMünchener Richter rufen wegen "Pendler­pau­schale" das Bundes­ver­fas­sungs­gericht an

Der Bundesfinanzhof hält die Versagung des Werbungs­kos­te­n­abzugs von Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (so genannte "Pendler­pau­schale") für verfas­sungs­widrig. Er ruft deshalb das Bundes­ver­fas­sungs­gericht an. Dieses muss nun über die umstrittene Kürzung der Pendler­pau­schale, die die Große Koalition beschlossen hatte und die zum 1. Januar 2007 in Kraft trat, entscheiden.

Seit dem 1. Januar 2007 sind Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte keine Werbungskosten mehr. Der Gesetzgeber geht danach davon aus, dass der Weg von und zu der Arbeitsstätte in die private Sphäre fällt (sog. Werkstorprinzip). Der Bundesfinanzhof hält die Neuregelung für verfassungswidrig, soweit Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte weder als Werbungskosten noch auf andere Weise abgezogen werden können. Er hat deshalb zwei Verfahren betreffend die Ablehnung eines Lohnsteu­e­r­er­mä­ßi­gungs­antrags ausgesetzt und das Abzugsverbot dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht vorgelegt.

Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte sind Erwer­b­s­auf­wen­dungen

Nach Auffassung des Bundes­fi­nanzhofs sind Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte Erwer­b­s­auf­wen­dungen. Sie seien deshalb bei der Bestimmung der finanziellen Leistungs­fä­higkeit nach dem sog. objektiven Nettoprinzip zu berücksichtigen. Die vom Gesetzgeber zur Begründung angeführte Haushalts­kon­so­li­dierung biete für sich genommen noch keinen sachlichen Grund für eine Ungleich­be­handlung. Der Bundesfinanzhof ist ferner der Ansicht, dass der Gesetzgeber das Werkstorprinzip nicht folgerichtig umgesetzt habe. Denn sonstige Mobili­täts­kosten - wozu u.a. Kosten der doppelten Haushalts­führung zählen - könnten weiterhin als Werbungskosten oder in sonstiger Weise steuerlich geltend gemacht werden.

Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip

Selbst wenn man aber das Werkstorprinzip anerkennen sollte, verstößt das Abzugsverbot nach Auffassung des Bundes­fi­nanzhofs gegen das subjektive Nettoprinzip. In diesem Fall handele es sich um unvermeidbare Ausgaben, denen sich der Arbeitnehmer nicht beliebig entziehen könne. Diese Aufwendungen seien auch nicht durch den Grundfreibetrag abgegolten. Andernfalls bliebe das einkom­men­steu­erliche Existenzminimum hinter dem sozia­l­recht­lichen Mindestbedarf zurück. Danach nämlich zählen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den notwendigen Ausgaben, die das nach Sozia­l­hil­ferecht zu berück­sich­tigende Einkommen mindern. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts aber muss der Gesetzgeber dem Einkom­mens­be­zieher von dessen Erwerbsbezügen mindestens das belassen, was er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenz­not­wendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt.

Schließlich genüge die Neuregelung im Fall beiderseits berufstätiger Ehegatten nicht dem Gleichheitssatz in Verbindung mit dem verfas­sungs­recht­lichen Gebot zum Schutz von Ehe und Familie.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 09/08 des BFH vom 23.01.2008

der Leitsatz

Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2007 insoweit mit dem GG vereinbar ist, als danach Aufwendungen des Arbeitnehmers für seine Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte keine Werbungskosten sind und keine weiteren einkom­men­steu­er­recht­lichen Regelungen bestehen, nach denen die vom Abzugsverbot betroffenen Aufwendungen ansonsten die einkom­men­steu­erliche Bemes­sungs­grundlage mindern.

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