22.11.2024
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Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil07.03.2007

Finanzgericht Baden-Württemberg hält Kürzung der Pendler­pau­schale nicht für verfas­sungs­widrig

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied, dass die durch das Steuer­än­de­rungs­gesetz 2007 neugeregelte gekürzte Entfer­nungs­pau­schale mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Es ist somit anderer Auffassung als das nieder­säch­sische Finanzgericht, dass die Pendler­pau­schale für verfas­sungs­widrig hält und das Bundes­ver­fas­sungs­gericht angerufen hat.

Der Kläger machte in seinem Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung 2007 eine Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt entsprach dem Antrag unter Hinweis auf das Steuer­än­de­rungs­ge­setzes 2007 nur teilweise. Der auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragene Freibetrag berücksichtigte bei der Berechnung der Entfer­nungs­pau­schale lediglich 50 km statt der geltend gemachten 70 km. Nach erfolglosem Einspruchs­ver­fahren erhob der Kläger beim Finanzgericht Baden-Württemberg Klage. Er machte auch für die nicht berück­sich­tigten 20 km den Ansatz der Entfer­nungs­pau­schale geltend. Die gesetzliche Regelung in § 9 Abs. 2 EStG sei verfas­sungs­widrig. Sie verstoße gegen das sogenannte Nettoprinzip. Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gehörten zu den notwendigen Erwer­b­s­auf­wen­dungen. Sie seien deshalb bereits ab dem ersten Kilometer beruflich veranlasst.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Der auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragene Freibetrag entspreche dem Gesetz (anderer Meinung: Nieder­säch­sisches Finanzgericht, Beschluss v. 02.03.2007 - 7 V 21/07 -). Durch das Steuer­än­de­rungs­gesetz sei hinsichtlich der Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine Systemänderung vorgenommen worden. Sie stellten nunmehr keine Werbungskosten mehr dar. Diese gesetz­ge­be­rische Grund­ent­scheidung gehe davon aus, dass die Berufssphäre bzw. Arbeitssphäre erst „am Werkstor“ beginne. Die nunmehrige Zuordnung der Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu der Privatsphäre sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Denn bei diesen Aufwendungen handle es sich nicht um originäre Werbungskosten. Sie seien bisher lediglich durch das Einkom­men­steu­er­gesetz den Werbungskosten gleichgestellt worden. Von diesem Verständnis sei auch die bisherige höchst­rich­terliche Rechtsprechung ausgegangen.

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht habe zwar in einer Entscheidung aus dem Jahre 2002 ausgeführt, es sei „traditioneller Teil“ der Grund­ent­scheidung des deutschen Einkom­men­steu­er­rechts, die steuerrechtlich erhebliche Berufssphäre nicht erst „am Werkstor“ beginnen zu lassen. Diese „Tradition“ beinhalte jedoch keine „Ewigkeits­ga­rantie“. Der Gesetzgeber habe die Befugnis, eine einfach­ge­setzliche „Tradition“ zu ändern. Daher sei er zutreffend davon ausgegangen, dass es sich wegen der Verbindung der Fahrtkosten nicht nur zu Arbeit, sondern auch zur Wohnung um gemischte Aufwendungen handle, also um Aufwendungen, die auch die private Lebensführung betreffen. Bei gemischten Aufwendungen sei es dem Gesetzgeber möglich, über den Umfang der Abziehbarkeit und Nichtab­zieh­barkeit zu entscheiden. Mit der Neuregelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG 2007 habe der Gesetzgeber folgerichtig alle Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als privat veranlasst qualifiziert. Die Neuregelung wahre auch das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungs­fä­higkeit sowie das objektive Nettoprinzip. Denn Aufwendungen für die Lebensführung außerhalb des Rahmens von Sonderausgaben und außer­ge­wöhn­lichen Belastungen mindern gemäß § 12 Nr. 1 EStG nicht die einkom­men­steu­erliche Bemes­sungs­grundlage. Dem Gesetzgeber stehe bei der Regelung einer Steuer­ver­güns­tigung (Subvention) - als solche wurde die bisherige Regelung zur Entfer­nungs­pau­schale beurteilt - ein weite Beurteilungs- und Gestal­tungs­freiheit zu. Die Grund­ent­scheidung, die Arbeitssphäre „am Werkstor“ beginnen zu lassen und damit Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht mehr als Werbungskosten anzusehen, halte sich im Rahmen des verfas­sungs­rechtlich anerkannten Gestal­tungs­spielraums des Gesetzgebers.

Die gekürzte Entfer­nungs­pau­schale subventioniere sog. Fernpendler als eine „Härteregelung“. Dies sei erst recht verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden.

Quelle: ra-online, Finanzgericht Baden-Württemberg

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