18.10.2024
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Niedersächsisches Finanzgericht Beschluss27.02.2007

Nieder­säch­sisches Finanzgericht ruft Bundes­ver­fas­sungs­gericht wegen Pendler­pau­schale anRichter halten Neuregelung zur Pendler­pau­schale für verfas­sungs­widrig

Das Nieder­säch­sische Finanzgericht (NFG) hält die Neuregelung zur Entfer­nungs­pau­schale (sog. Pendler­pau­schale) im Einkom­men­steu­errecht für verfas­sungs­widrig. Es hat deshalb ein anhängiges Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes ausgesetzt und das Bundes­ver­fas­sungs­gericht (BVerfG) angerufen.

Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind seit dem 01.01.2007 nicht mehr als Werbungskosten/Betrie­bs­ausgaben abzugsfähig (sog. "Werkstorprinzip"). Aufgrund einer Härte­fa­ll­re­gelung sind entsprechende Kosten pauschal mit ,30 EUR lediglich noch ab dem 21. Entfer­nungs­ki­lometer "wie" Werbungskosten/ Betrie­bs­ausgaben zu berücksichtigen.

Im Streitfall erzielten die Kläger (Ehegatten) Einkünfte aus nicht­selbst­ständiger Tätigkeit. Für ihre Aufwendungen für Fahrten zur Arbeitsstätte - vom gemeinsamen Wohnort 41 km (Ehemann) bzw. 54 km (Ehefrau) entfernt - beantragen sie jeweils die Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte für das Jahr 2007 unter Berück­sich­tigung der vollständigen Entfernung. Das beklagte Finanzamt gewährte den Freibetrag in Anwendung der Neuregelung in § 9 Abs. 2 EStG jedoch lediglich unter Berück­sich­tigung der Fahrten ab dem 21. Entfer­nungs­ki­lometer. Nach Auffassung des NFG ist die Regelung in § 9 Abs. 2 EStG verfas­sungs­widrig. Die durch das Steuer­än­de­rungs­gesetz 2007 (Gesetz v. 19.07.2006, BGBl I 2007, 1652) mit Wirkung ab 01.01.2007 vorgenommene Neuregelung verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Dieser werde - so der 8. Senat des NFG - im Steuerrecht konkretisiert durch das Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungs­fä­higkeit und das Gebot der Folge­rich­tigkeit. Aus dem Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungs­fä­higkeit folge, dass in subjektiver und objektiver Hinsicht nur das Nettoeinkommen besteuert werden dürfe (subjektives und objektives Nettoprinzip).

Mit der Streichung des Werbungs­kos­te­n­abzugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verstoße der Gesetzgeber sowohl gegen das subjektive als auch gegen das objektive Nettoprinzip: Die Verletzung des subjektiven Nettoprinzips folge daraus, dass in bestimmten Fällen das verfas­sungs­rechtlich geschützte Existenzminimum besteuert werde. Dabei handele es sich um diejenigen Fälle, in denen bei Ansatz der Aufwendungen als Werbungskosten keine Einkommensteuer anfallen würde, weil das zu versteuernde Einkommen unter den Grundfreibetrag sinke, im umgekehrten Fall, d.h. bei fehlender Abzugsfähigkeit der Kosten, aber Steuer zu entrichten wäre. Ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip liege vor, weil der Gesetzgeber Kosten, die für eine Vielzahl von Steuer­pflichtigen zwangsläufig seien, um Arbeits­ein­kommen erzielen zu können, nicht mehr zum Abzug zulasse. Die in der Gesetz­be­gründung angeführte Konsolidierung der öffentlichen Haushalte sei kein sachlich ausreichender Grund für die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips.

Quelle: ra-online, Niedersächsisches Finanzgericht

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