21.11.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil25.10.2018

Benachteiligung wegen der Religion: Kirchlicher Arbeitgeber darf bei ausge­schriebener Referen­ten­stelle keine Religions­zugehörig­keit verlangenWerk der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet

Das Bundes­arbeits­gericht hat entschieden, dass ein Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland einer konfes­si­onslosen Bewerberin eine Entschädigung zahlen muss, da der Arbeitgeber die Bewerberin nicht zu einem Vor­stellungs­gespräch eingeladen hatte und die Bewerberin daher entgegen den Vorgaben des AGG wegen der Religion benachteiligt wurde.

Die Parteien des zugrunde liegenden Verfahrens stritten über die Zahlung einer Entschädigung wegen einer Benachteiligung wegen der Religion. Der Beklagte ist ein Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er schrieb am 25. November 2012 eine auf zwei Jahre befristete Stelle eines Referenten/einer Referentin (60 %) aus. Gegenstand der Tätigkeit sollten schwer­punktmäßig die Erarbeitung des Paral­lel­be­richts zum deutschen Staatenbericht zur Umsetzung der UN-Antiras­sis­mus­kon­vention durch Deutschland sowie Stellungnahmen und Fachbeiträge und die projektbezogene Vertretung der Diakonie Deutschland gegenüber der Politik, der Öffentlichkeit und Menschrechts­or­ga­ni­sa­tionen sowie die Mitarbeit in Gremien sein. Der Parallelbericht sollte in Beratung mit Menschen­rechts­or­ga­ni­sa­tionen und weiteren Interessen-trägern erstellt werden. In der Stelle­n­aus­schreibung heißt es ferner: "Die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag setzen wir voraus. Bitte geben Sie Ihre Konfession im Lebenslauf an." Die konfessionslose Klägerin bewarb sich mit Schreiben vom 29. November 2012 auf die Stelle. Sie wurde nicht zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch eingeladen. Der Beklagte besetzte die Stelle mit einem evangelischen Bewerber. Die Klägerin verlangte mit ihrer Klage die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von mindestens 9.788,65 Euro. Sie war der Ansicht, der Beklagte habe sie entgegen den Vorgaben des AGG wegen der Religion benachteiligt. Sie habe die Stelle wegen ihrer Konfes­si­ons­lo­sigkeit nicht erhalten. Der Beklagte stellte eine Benachteiligung der Klägerin wegen der Religion in Abrede; jedenfalls sei die Benachteiligung nach § 9 Abs. 1 AGG* gerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht sprach der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 1.957,73 Euro zu. Das Landes­a­r­beits­gericht wies die Klage insgesamt ab.

BAG: Benachteiligung nicht gerechtfertigt

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Bundes­a­r­beits­gericht teilweise Erfolg. Der Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 3.915,46 Euro zu zahlen. Der Beklagte hat die Klägerin wegen der Religion benachteiligt. Diese Benachteiligung war nicht nach § 9 Abs. 1 AGG ausnahmsweise gerechtfertigt. Eine Rechtfertigung der Benachteiligung nach § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG scheidet aus. § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG ist einer unions­rechts­kon­formen Auslegung im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG** nicht zugänglich und muss deshalb unangewendet bleiben. Die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG liegen nicht vor. Nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG - in unions­rechts­kon­former Auslegung - ist eine unter­schiedliche Behandlung wegen der Religion nur zulässig, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religi­o­ns­ge­mein­schaft bzw. Einrichtung darstellt. Vorliegend bestehen erhebliche Zweifel an der Wesentlichkeit der beruflichen Anforderung. Jedenfalls ist die berufliche Anforderung nicht gerechtfertigt, weil im konkreten Fall keine wahrscheinliche und erhebliche Gefahr bestand, dass das Ethos des Beklagten beeinträchtigt würde. Dies folgt im Wesentlichen aus dem Umstand, dass der jeweilige Stelleninhaber/die jeweilige Stelle­n­in­haberin - wie auch aus der Stelle­n­aus­schreibung ersichtlich - in einen internen Meinungs­bildungs-prozess beim Beklagten eingebunden war und deshalb in Fragen, die das Ethos des Beklagten betrafen, nicht unabhängig handeln konnte. Der Höhe nach war die Entschädigung auf zwei Brutto­mo­nats­ver­dienste festzusetzen.

*§ 9 Abs. 1 AGG lautet:

Ungeachtet des § 8 ist eine unter­schiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religi­o­ns­ge­mein­schaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder durch Vereinigungen, die sich die gemein­schaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, auch zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbst­ver­ständ­nisses der jeweiligen Religi­o­ns­ge­mein­schaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbst­be­stim­mungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

**Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG lautet:

Die Mitgliedstaaten können in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltan­schauungen beruht, Bestimmungen in ihren zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie geltenden Rechts­vor­schriften beibehalten oder in künftigen Rechts­vor­schriften Bestimmungen vorsehen, die zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie bestehende einzel­staatliche Gepflogenheiten widerspiegeln und wonach eine Ungleich­be­handlung wegen der Religion oder Weltanschauung einer Person keine Diskriminierung darstellt, wenn die Religion oder die Weltanschauung dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. Eine solche Ungleich­be­handlung muss die verfas­sungs­recht­lichen Bestimmungen und Grundsätze der Mitgliedstaaten sowie die allgemeinen Grundsätze des Gemein­schafts­rechts beachten und rechtfertigt keine Diskriminierung aus einem anderen Grund.

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online

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