15.11.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil20.09.2012

Administrator nach englischem Recht bei grenz­über­schrei­tender Insolvenz in Deutschland zum Abschluss eines Inter­es­se­n­aus­gleichs befugtBefugnis des Administrators soll effiziente und wirksame grenz­über­schreitende Insol­venz­ver­fahren sicherstellen

Ein Administrator nach englischem Recht darf bei einer grenz­über­schrei­tenden Insolvenz in Deutschland einen Inter­es­se­n­aus­gleich mit Namensliste schließen. Dies entschied das Bundes­a­r­beits­gericht.

Bei grenz­über­schrei­tenden Insolvenzen innerhalb der Europäischen Union kann nach der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 (EuInsVO) in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (center of main interests/COMI), das Hauptin­sol­venz­ver­fahren eröffnet werden. In diesem Fall gilt bis zur Eröffnung eines Sekun­dä­rin­sol­venz­ver­fahrens für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks grundsätzlich das Recht des Staates, in dem das Hauptin­sol­venz­ver­fahren eröffnet worden ist. Art. 10 EuInsVO macht davon für Arbeits­ver­hältnisse eine Ausnahme. Danach gilt für diese „ausschließlich“ das Recht des Mitgliedstaats, das nach dem internationalen Privatrecht auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist. Diese Bestimmung ist unions­rechts­konform dahin auszulegen, dass bei Anwendbarkeit des deutschen Arbeitsrechts auch ein Administrator nach englischem Recht als Insol­venz­ver­walter im Sinne des § 125 InsO anzusehen ist und daher einen Interessenausgleich.

Sachverhalt

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls war seit 1991 bei der Beklagten, die zu einer weltweit agierenden Unter­neh­mens­gruppe gehört, als Manager Business Finance beschäftigt. Im Januar 2009 leiteten weltweit verschiedene Gesellschaften dieser Unter­neh­mens­gruppe Insol­venz­ver­fahren ein. Am 14. Januar 2009 eröffnete der High Court of Justice das Adminis­tra­ti­o­ns­ver­fahren als Hauptin­sol­venz­ver­fahren im Sinne des EuInsVO über das Vermögen der Beklagten und bestellte drei Administratoren, die einzeln oder gemein­schaftlich tätig werden konnten. Nach englischem Recht vertreten diese die Gesellschaft, treten also anders als ein deutscher Insol­venz­ver­walter nicht in die Arbeit­ge­ber­stellung ein. Sie haben u.a. die Befugnis, Arbeits­ver­hältnisse zu kündigen. Am 27. Juli 2009 kam für die Beklagte, die dabei von einem der drei Administratoren vertreten wurde, ein Inter­es­se­n­aus­gleich mit Namensliste zustande. Der Kläger war auf der Namensliste aufgeführt. Sein Arbeits­ver­hältnis wurde zum 30. November 2009 gekündigt.

Kläger hält Inter­es­se­n­aus­gleich durch Administrator für unzulässig

Mit seiner Kündi­gungs­schutzklage macht der Kläger u.a. geltend, dass der Administrator keinen Inter­es­se­n­aus­gleich gem. § 125 InsO habe vereinbaren können; nach deutschem Recht könne dies nur ein Insol­venz­ver­walter im Sinne des InsO.

BAG weist Kündi­gungs­schutzklage zurück

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Bundes­a­r­beits­gericht keinen Erfolg. Im Geltungsbereich der EuInsVO ist ein Administrator, der in der vom englischen Insolvenzrecht vorgesehenen Weise für den Schuldner handelt, auch befugt, einen Inter­es­se­n­aus­gleich nach § 125 InsO abzuschließen. Nur mit dieser Auslegung lassen sich effiziente und wirksame grenz­über­schreitende Insol­venz­ver­fahren, wie sie Zweck der EuInsVO sind, sicherstellen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online

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