21.11.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil22.09.2005

Bundes­a­r­beits­gericht zur Kündigung durch einen Insol­venz­ver­walterInsolvenz eines abgespaltenen Unternehmens und Kündigung durch den Insol­venz­ver­walter wegen Betrie­bs­s­till­legung

Die Klägerin war seit 1997 bei der Schuldnerin bzw. deren Rechts­vor­gängerin als Hilfskraft im Drucke­rei­bereich beschäftigt. Die Schuldnerin wurde im August 2001 zusammen mit weiteren Unternehmen aus dem ursprünglichen Unternehmen ausgegliedert. Die ursprüngliche Arbeitgeberin blieb als Holding-Gesellschaft bestehen. Vor der Aufspaltung hatte die frühere Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat eine Betrie­bs­ver­ein­barung geschlossen, in der ua. für die Dauer von zwei Jahren betrie­bs­be­dingte Kündigungen ausgeschlossen wurden. Der Betriebsrat blieb in dem nach der Spaltung gebildeten Gemein­schafts­betrieb der ausgegliederten Unternehmen im Amt.

Am 19. September 2002 wurde die Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt. Der Beklagte wurde zum vorläufigen Insol­venz­ver­walter bestellt. Unter dem 19. November 2002 hörte die Schuldnerin - durch den Geschäftsführer und den vorläufigen Insol­venz­ver­walter - den Betriebsrat zur in Aussicht genommenen Kündigung aller Arbeitnehmer/-innen wegen Betrie­bs­s­till­legung an. Das Insol­venz­ver­fahren wurde am 28. November 2002 eröffnet. Der Beklagte wurde zum Insol­venz­ver­walter bestellt. Am selben Tag schlossen der Betriebsrat und der Insol­venz­ver­walter einen Inter­es­se­n­aus­gleich mit Namensliste.

Mit Schreiben vom 28. November 2002 kündigte der Beklagte sämtliche Arbeits­ver­hältnisse. Das Landes­a­r­beits­gericht hat die Kündi­gungs­schutzklage der Klägerin abgewiesen. Ihre Revision blieb erfolglos. § 113 Insol­ven­z­ordnung (InsO), wonach der Insol­venz­ver­walter das Arbeits­ver­hältnis ohne Rücksicht auf einen vereinbarten Ausschluss des Rechts auf ordentliche Kündigung mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen kann, verdrängt Unkünd­ba­r­keits­klauseln in Betrie­bs­ver­ein­ba­rungen.

Auch § 323 Abs. 1 Umwand­lungs­gesetz (UmwG), nach dem im Fall einer Unter­neh­mens­spaltung sich die kündi­gungs­rechtliche Stellung der betroffenen Arbeitnehmer auf Grund der Spaltung für die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens nicht verschlechtert, steht dem nicht entgegen. Bei insol­venz­be­dingter Stilllegung des Betriebes des abgespaltenen Unternehmens kann trotz § 323 UmwG wirksam gekündigt werden. Wird der zu kündigende Arbeitnehmer in der Namensliste des Inter­es­se­n­aus­gleichs namentlich genannt, kann die soziale Auswahl nach § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO nur auf grobe Fehler­haf­tigkeit überprüft werden.

Hinsichtlich der Sozialauswahl ist nicht auf die Verhältnisse vor Wirksamwerden der Spaltung abzustellen. Von einer im abgespaltenen Unternehmen getroffenen Unter­neh­me­rent­scheidung werden die Arbeitnehmer in den übrigen Unternehmen nicht erfasst, wenn im Zeitpunkt der Kündigung kein Gemein­schafts­betrieb mehr besteht. Es bedarf dann keiner unter­neh­mens­über­grei­fenden Sozialauswahl.

Soll der Betrieb auf Grund des durch den vorläufigen Insol­venz­ver­walter erstatteten Gutachtens stillgelegt werden, reicht es für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats iSv. § 102 Betrie­bs­ver­fas­sungs­gesetz (BetrVG) aus, wenn die Anhörung zu der nach der Insol­ven­z­er­öffnung vorgesehenen Kündigung schon durch den Geschäftsführer der Schuldnerin und den vorläufigen Insol­venz­ver­walter erfolgt, sofern dieser auch zum endgültigen Insol­venz­ver­walter bestellt wird.

Vorinstanz:

Landes­a­r­beits­gericht München vom 21. September 2004 - 11 Sa 26/04 -

Quelle: Pressemitteilung Nr.58/05 des Bundesarbeitsgerichts vom 22.09.2005

der Leitsatz

§ 323 Abs. 1 UmwG, wonach im Fall einer Unter­neh­mungs­spaltung sich die kündi­gungs­rechtliche Stellung der betroffenen Arbeitnehmer auf Grund der Spaltung für die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens nicht verschlechtert, steht einer Kündigung durch den Insol­venz­ver­walter wegen Betrie­bs­s­til­legung in der Insolvenz eines abgespaltenen Unternehmens nicht entgegen.

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