21.11.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil24.08.2016

BAG zu Ausschluss­fristen und MindestentgeltVerstoß gegen § 9 Satz 3 in Verbindung mit § 13 AEntG

Eine vom Arbeitgeber als Allgemeine Geschäfts­be­dingung gestellte arbeits­ver­tragliche Ausschluss­fris­ten­re­gelung, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 der am 1. August 2010 in Kraft getretenen Verordnung über zwingende Arbeits­be­din­gungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) erfasst, verstößt im Anwen­dungs­bereich dieser Verordnung gegen § 9 Satz 3 in Verbindung mit § 13 AEntG*. Dies hat das Bundes­a­r­beits­gericht in seiner Entscheidung bekannt gegeben.

Im vorliegenden Fall war die Klägerin vom 15. Juli bis zum 15. Dezember 2013 beim Beklagten, der damals einen ambulanten Pflegedienst betrieb, als Pflege­hilfskraft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthielt als Allgemeine Geschäfts­be­dingung eine Verfallklausel, nach der alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeits­ver­hältnis und solche, die mit dem Arbeits­ver­hältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Bei Ablehnung oder Nichtäußerung der Gegenpartei binnen zwei Wochen nach der Geltendmachung sollte der Verfall eintreten, wenn der Anspruch nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Keine Entgelt­fort­zahlung im Krankheitsfall wegen Zweifel an Arbeits­un­fä­higkeit

Die Klägerin war vom 19. November bis zum 15. Dezember 2013 arbeitsunfähig krank­ge­schrieben. Der Beklagte hatte trotz ärztlicher Bescheinigung Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit und leistete keine Entgelt­fort­zahlung im Krankheitsfall. In dem von der Klägerin am 2. Juni 2014 anhängig gemachten Verfahren hat sich der Beklagte darauf berufen, der Anspruch sei jedenfalls wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landes­a­r­beits­gericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Anspruch auf Mindestentgelt nicht erloschen

Die Revision des Beklagten ist im Wesentlichen erfolglos geblieben. Die Klägerin hat für den durch die Arbeits­un­fä­higkeit bedingten Arbeitsausfall nach § 3 Abs. 1 EFZG Anspruch auf Entgelt­fort­zahlung im Krankheitsfall. Diesen musste sie nicht innerhalb der arbeits­ver­traglich vorgesehenen Fristen geltend machen. Die nach Inkrafttreten der PflegeArbbV vom Beklagten gestellte Klausel verstößt gegen § 9 Satz 3 AEntG und ist deshalb unwirksam, so dass der Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV nicht wegen Versäumung der vertraglichen Ausschlussfrist erlischt. Für andere Ansprüche kann die Klausel nicht aufrecht­er­halten werden, weil dem das Trans­pa­renzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB** entgegensteht.

Erläuterungen

*§ 9 AEntG lautet:

"Ein Verzicht auf den entstandenen Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 8 ist nur durch gerichtlichen Vergleich zulässig; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs der Arbeitnehmer und Arbeit­neh­me­rinnen auf das Mindestentgelt nach § 8 ist ausgeschlossen. Ausschluss­fristen für die Geltendmachung des Anspruchs können ausschließlich in dem für allge­mein­ver­bindlich erklärten Tarifvertrag nach den §§ 4 bis 6 oder dem der Rechts­ver­ordnung nach § 7 zugrunde liegenden Tarifvertrag geregelt werden; die Frist muss mindestens sechs Monate betragen."

*§ 13 AEntG lautet:

"Eine Rechts­ver­ordnung nach § 11 steht für die Anwendung der §§ 8 und 9 sowie der Abschnitte 5 und 6 einer Rechts­ver­ordnung nach § 7 gleich."

**§ 307 Abs. 1 BGB lautet:

"Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist."

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ ra-online

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