18.10.2024
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Dokument-Nr. 18625

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Urteil20.03.2014Bundesarbeitsgericht2 AZR 565/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2014, 2219Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 2219
  • NJW-Spezial 2014, 338 (Marcel Grobys und Robert von Steinau-Steinrück)Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2014, Seite: 338, Entscheidungsbesprechung von Marcel Grobys und Robert von Steinau-Steinrück
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Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht München, Urteil10.05.2012, 3 Sa 1134/11
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil20.03.2014

Recht zur ordentlichen Kündigung eines alkoholkranken Arbeitnehmers bei Bestehen einer erheblichen Gefährdung für Leib oder Leben andererWiderholte Alkoholisierung nach abgebrochener Entzugskur spricht für negative Gesund­heits­prognose

Besteht aufgrund einer Alkoholsucht eines Arbeitnehmers eine Gefahr für Leib oder Leben anderer und kann wegen einer wiederholt festgestellten Alkoholisierung nach einer abgebrochenen Entzugskur von einer negativen Gesund­heits­prognose ausgegangen werden, so ist eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt. Einer solchen krank­heits­be­dingten Kündigung stehen auch nicht eine zwölfjährige Betriebs­zugehörigkeit, Unterhalts­verpflichtungen gegenüber einer Ehefrau und ein Alter von 55 Jahren entgegen. Dies hat das Bundes­arbeits­gericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Januar 2010 wurde dem Hofarbeiter eines Entsor­gungs­un­ter­nehmens ordentlich gekündigt, da er trotz des Alkoholverbots stark alkoholisiert am Arbeitsplatz angetroffen wurde. Da der Mitarbeiter im Rahmen des Kündi­gungs­schutz­pro­zesses zugab alkoholkrank zu sein und die Teilnahme an einer stationären Entzugskur sowie an zukünftigen Alkoholtests zusicherte, nahm das Unternehmen die Kündigung zurück. Der Mitarbeiter brach im Juli 2010 die Entzugskur jedoch ab. Zudem wurde bei ihm nachfolgend wiederholt eine Alkoholisierung festgestellt. Die Teilnahme an weiteren Alkoholtests lehnte er ebenso wie die Durchführung einer weiteren Entziehungskur ab. Dem Mitarbeiter wurde daraufhin im April 2011 ordentlich gekündigt. Dagegen erhob er Kündigungsschutzklage. Er gab an nicht alkoholabhängig zu sein. Zwar sei er gelegentlich alkoholisiert gewesen. Dies habe aber nicht zu einer erheblichen Störung des Betriebsablaufs geführt. Die Entzugskur habe er zudem aus wirtschaft­lichen Gründen abgebrochen. Nachdem das Arbeitsgericht der Klage stattgab und das Landes­a­r­beits­gericht sie abwies, musste sich das Bundes­a­r­beits­gericht mit dem Fall beschäftigen.

Ordentliche Kündigung aufgrund Alkohol­krankheit wirksam

Das Bundes­a­r­beits­gericht entschied gegen den Arbeitnehmer. Die ordentliche Kündigung sei wegen der Alkohol­krankheit personenbedingt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt und damit wirksam gewesen. Eine krank­heits­be­dingte Kündigung aufgrund einer Alkoho­le­r­krankung sei dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholsucht zukünftig nicht mehr in der Lage sein wird, seine vertraglich geschuldeten Leistungen nachzukommen (negative Gesund­heits­prognose). Zudem müsse eine erhebliche Beein­träch­tigung des betrieblichen Interesses entstehen, die mit milderen Mitteln, wie etwa einer Versetzung, nicht abgewendet werden kann (Inter­es­sens­be­ein­träch­tigung). Schließlich müsse die Beendigung der Beein­träch­tigung das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeits­ver­hält­nisses überwiegen (Inter­es­sen­s­ab­wägung). Diese Voraussetzungen seien hier gegeben gewesen.

Negative Gesund­heits­prognose bestand

Das Bundes­a­r­beits­gericht ist von einer negativen Gesund­heits­prognose ausgegangen. Denn seiner Ansicht nach habe der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholsucht nicht mehr die Gewähr geboten, seine Tätigkeit als Hofarbeiter dauerhaft ordnungsgemäß zu erbringen. Von einer Alkoho­le­r­krankung sei auszugehen gewesen, da der Arbeitnehmer wiederholt alkoholisiert angetroffen wurde. Es sei zudem nicht absehbar gewesen, dass er diese Krankheit bald überwindet. So habe er nach der abgebrochenen Entzugskur wieder Alkohol getrunken und eine weitere Therapie abgelehnt. Beides habe zu Ungunsten des Arbeitnehmers gesprochen.

Vorliegen einer erheblichen Beein­träch­tigung betrieblicher Interessen

Von einer erheblichen Beein­träch­tigung der betrieblichen Interessen des Unternehmens sei nach Auffassung des Bundes­a­r­beits­ge­richts auszugehen gewesen. Durch die Alkoholsucht des Arbeitnehmers habe eine erhebliche Gefahr für sich selbst und andere bestanden. Denn zu den Aufgaben des Arbeitnehmers habe das Führen großer Fahrzeuge gehört. Ein Alkoholkonsum mindere aber die Wahrnehmungs- und Reakti­o­ns­fä­higkeit. Eine zumutbare andere Beschäf­ti­gungs­mög­lichkeit des Arbeitnehmers habe nicht vorgelegen. Das Unternehmen habe neben Hofarbeiter nur LKW-Fahrer und Verwal­tungs­kräfte beschäftigt. Angesichts der Alkoholabhängigkeit habe der Arbeitnehmer aber weder als LKW-Fahrer noch als Verwal­tungskraft zumutbar eingesetzt werden können.

Beendi­gungs­in­teresse des Unternehmens überwiegte

Schließlich habe eine Abwägung ergeben, so das Bundes­a­r­beits­gericht, dass das Interesse des Unternehmens an der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses das Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrecht­er­haltung des Arbeits­ver­hält­nisses überwiegte. Die lange Betriebsdauer des Arbeitnehmers, sein Alter und seine Unter­halts­ver­pflich­tungen haben daran nichts geändert. Es sei zu beachten gewesen, dass das Unternehmen dem Arbeitnehmer mehrmals eine Chance auf Bewährung gab. Es habe alles Zumutbare für den Erhalt des Arbeits­ver­hält­nisses getan.

Fehlende Durchführung eines betrieblichen Einglie­de­rungs­ma­na­gement unerheblich

Das Bundes­a­r­beits­gericht verwies darauf, dass die fehlende Durchführung eines betrieblichen Einglie­de­rungs­ma­na­gements (bÉM, § 84 Abs. 2 SGB IX) unerheblich gewesen sei. Denn es sei zum einen nicht ersichtlich gewesen, dass der Arbeitnehmer vor der Kündigung innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt wegen seiner Alkohol­krankheit arbeitsunfähig war. Zum anderen sei es angesichts der Rückfälligkeit und des Thera­pie­un­willlens des Arbeitnehmers zweifelhaft gewesen, ob ein bEM Erfolg gehabt hätte.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

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