23.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 12488

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Urteil09.06.2011Bundesarbeitsgericht2 AZR 381/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2011, 2905Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2011, Seite: 2905
  • NZA 2011, 1027Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 2011, Seite: 1027
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ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil09.06.2011

Parkplatzsuche ist keine ArbeitszeitBundes­a­r­beits­gericht zur fristlosen Kündigung bei Arbeit­zeit­betrug

Die Parkplatzsuche gehört nicht zur Arbeitszeit. Wer sich als Arbeitnehmer die Parkplatzsuche aufschreibt, begeht Arbeits­zeit­betrug und kann fristlos entlassen werden. Dies hat das Bundes­a­r­beits­gericht (BAG) entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall klagte eine Verwal­tungs­an­ge­stellte gegen ihre fristlose Kündigung. Auf das Arbeits­ver­hältnis fand kraft arbeits­ver­trag­licher Vereinbarung der Mantel­ta­rif­vertrag für die Beschäftigten der Medizinischen Dienste der Kranken­ver­si­cherung und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 15. Oktober 1991 (MDK-T) Anwendung. Die Frau war in Gleitzeit beschäftigt und konnte zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen. Nach einer Dienstanweisung muss jeder Mitarbeiter Beginn und Ende der Anwesen­heitszeit minutengenau zu dokumentieren. Dies geschieht durch Eingabe in ein elektronisches Zeiter­fas­sungs­system mit Hilfe des PCs am Arbeitsplatz. Nach § 12 Abs. 9 MDK-T beginnt und endet die Arbeitszeit "an der Arbeitsstelle". Unter Nr. IX der Dienst­ver­ein­barung heißt es zu "Unregel­mä­ßig­keiten und Missbrauch":

"… Jedes bewusste Unterlassen der Zeiterfassung oder jede sonstige Manipulation des Zeiter­fas­sungs­ver­fahrens stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die mit dieser Vereinbarung getroffenen Regelungen dar. Der Missbrauch hat grundsätzlich diszi­pli­na­rische bzw. arbeits­rechtliche Maßnahmen zur Folge."

Arbeitgeber kündigt wegen Arbeits­zeit­betrugs

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeits­ver­hältnis der Frau wegen "Arbeits­zeit­betrugs" im zumindest wegen eines entsprechenden Verdachts außerordentlich. Dagegen erhob die Frau eine Kündi­gungs­schutzklage. Sie vertrat die Auffassung, die Arbeitszeit beginne jeweils bereits dann, wenn sie die Parkplat­zeinfahrt durchfahren habe. Es habe außerdem keine Anweisung bestanden, dass maßgeblich die Uhr im Eingangsbereich sei. Sie habe häufig viel Zeit mit der Suche nach einem Parkplatz verbracht, für 50 Mitarbeiter hätten nur 27 Parkplätze zur Verfügung gestanden.

BAG gibt Arbeitgeber recht

Das Bundes­a­r­beits­gericht folgte diesen Ausführungen nicht. Es wies die Kündi­gungs­schutzklage der Frau ab. Die außer­or­dentliche Kündigung sei wirksam.

BAG: Falsche Arbeits­zeit­angaben stellen wichtigen Grund für fristlose Kündigung dar

Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, sei an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außer­or­dent­lichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen (BAG, Urteil v. 24.11.2005 - 2 AZR 39/05 -; BAG 21. April 2005 - 2 AZR 255/04). Dies gelte für einen vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare (vgl. BAG, Urteil v. 24.11.2005 - 2 AZR 39/05 -). Dabei komme es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflicht­ver­letzung verbundenen schweren Vertrauensbruch (BAG, Urteil v. 24.11.2005 - 2 AZR 39/05 -; BAG 12. August 1999 - 2 AZR 832/98 -). Der Arbeitgeber müsse auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit der am Gleitzeitmodell teilnehmenden Arbeitnehmer vertrauen können. Übertrage er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stelle dies in aller Regel einen schweren Vertrau­ens­miss­brauch dar (BAG 21. April 2005 - 2 AZR 255/04). Nicht anders zu bewerten sei es, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet sei, die geleistete Arbeitszeit mit Hilfe des Arbeits­platz­rechners in einer elektronischen Zeiterfassung zu dokumentieren, und er hierbei vorsätzlich falsche Angaben macht. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB).

Klägerin trug vorsätzlich falsche Arbeitszeiten ein

Das Landes­a­r­beits­gericht habe festgestellt, die Klägerin habe für den 26., 27., 28. und 29. Mai, sowie den 2., 3. und 4. Juni 2008 jeweils mindestens 13 Minuten, einmal 28 Minuten - insgesamt 135 Minuten - vorsätzlich fehlerhaft zu Lasten der Beklagten als Arbeitszeiten in der Zeiterfassung dokumentiert. Angesichts der nicht unerheblichen Abweichungen zwischen den angegebenen Arbeitszeiten und dem tatsächlichen Betreten des Dienstgebäudes könne es sich bei den Falschangaben nicht nur um fahrlässiges Handeln oder ein Versehen gehandelt haben. Die Klägerin habe im Zeitraum der Beobachtung täglich und damit systematisch fehlerhafte Angaben gemacht. Dabei sei zu ihren Gunsten berücksichtigt, dass die Uhr im Eingangsbereich im Einzelfall um einige Minuten falsch gegangen sein könnte. Ihr Vorbringen zu einer rechtlichen Information von dritter Seite über Beginn und Ende der zu dokumen­tie­renden Anwesen­heitszeit sei nicht geeignet, ihren Vorsatz in Frage zu stellen. So erklärten sich die Arbeits­zeit­dif­fe­renzen von 15 bis zu 28 Minuten selbst dann nicht, wenn man mit der Klägerin das Durchfahren der Parkplat­zeinfahrt zu Tagesbeginn und -ende als maßgeblich zugrunde lege.

BAG: Abmahnung war nicht erforderlich, da die Vertrau­ens­grundlage für die Fortsetzung des Arbeits­ver­hältnis fehlt

Die Klägerin habe nach den Feststellungen des Landes­a­r­beits­ge­richts zu Lasten der Beklagten an mehreren Tagen hintereinander systematisch und vorsätzlich um jeweils mindestens 13 Minuten - insgesamt 135 Minuten - falsche Arbeitszeiten angegeben und damit in beträchtlichem Umfang über die erbrachte Arbeitszeit zu täuschen versucht. Dieses auf Heimlichkeit angelegte, vorsätzliche und systematische Fehlverhalten wiegt besonders schwer. Soweit sich die Klägerin darauf berufen hat, andere Mitarbeiter hätten sie ohne Weiteres beobachten können, wenn sie noch in ihrem Pkw saß, um zu rauchen oder auf ihre Tochter zu warten, ändert dies nichts daran, dass ihre Falschangaben bei der Arbeits­zei­t­er­fassung nicht offen erfolgten. Aus den angegeben Arbeitszeiten als solchen ließ sich nicht ersehen, dass sie nicht korrekt waren. Die für eine Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses erforderliche Vertrau­ens­grundlage erscheint angesichts dessen auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht mehr wieder­her­stellbar. Eine Hinnahme des vorsätzlichen und systematischen Fehlverhaltens durch die Beklagte war - auch für die Klägerin erkennbar - aufgrund der Schwere ihrer Pflicht­ver­letzung unabhängig von einer Wieder­ho­lungs­gefahr ausgeschlossen.

BAG: Fortsetzung des Arbeits­ver­hältnis für Arbeitgeber unzumutbar

Die Umstände, anhand derer zu beurteilen sei, ob dem Arbeitgeber die Weiter­be­schäf­tigung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sei aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertrags­pflicht­ver­letzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrau­ens­verlusts und ihre wirtschaft­lichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wieder­ho­lungs­gefahr sowie die Dauer des Arbeits­ver­hält­nisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG, Urteil v. 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - = NZA 2010, 1227). Angesichts der Schwere der Pflicht­ver­letzung und des durch sie bewirkten Vertrau­ens­verlusts war es der Beklagten nicht zumutbar, die Klägerin auch nur bis zum Ablauf einer "fiktiven" Kündigungsfrist weiter­zu­be­schäftigen. Die längste ordentliche Kündigungsfrist hätte nach § 33 MDK-T zwölf Monate zum Schluss eines Kalen­der­vier­tel­jahres betragen. Auch die langjährige unbeanstandete Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit der Klägerin von gut 17 Jahren, ihr Alter sowie die von ihr angegebene Unter­halts­pflicht für eine Person führen angesichts des mit der Pflicht­ver­letzung verbundenen schweren Vertrau­ens­bruchs nicht zu einer Inter­es­se­n­ab­wägung zu ihren Gunsten.

Quelle: ra-online, Bundesarbeitsgericht (vt/pt)

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