21.11.2024
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Dokument-Nr. 18994

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Urteil20.03.2014Bundesarbeitsgericht2 AZR 1071/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2014, 3680Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 3680
  • NZA-RR 2015, 102Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungsreport (NZA-RR), Jahrgang: 2015, Seite: 102
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Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Köln, Urteil10.10.2012, 5 Sa 389/12
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil20.03.2014

Verschweigen von getilgten Strafen sowie eingestellten Ermittlungs­verfahren im Bewer­bungs­ver­fahren berechtigt nicht zur ordentlichen Kündigung bzw. zur Anfechtung des Arbeits­verhältnissesBewerber nicht zur Offenbarung verpflichtet

Ein Bewerber muss im Rahmen des Bewerbungs­verfahrens bereits im Bundes­zentral­register getilgte Vorstrafen nicht gegenüber dem zukünftigen Arbeitgeber offenbaren. Auch muss er nicht über eingestellte Ermittlungs­verfahren aufklären. Der Arbeitgeber ist daher nicht berechtigt, dass Arbeits­ver­hältnis wegen arglistiger Täuschung anzufechten oder das Arbeits­ver­hältnis ordentlich zu kündigen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­arbeits­gerichts hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Rahmen eines Bewer­bungs­ver­fahrens im Jahr 2010 für eine Stelle im allgemeinen Vollzugsdienst, gab ein Bewerber auf entsprechenden Nachfrage an, nicht vorbestraft zu sein und dass kein Ermittlungsverfahren der Staats­an­walt­schaft anhängig oder anhängig war. Im Juni 2010 unterschreib der Bewerber schließlich einen Arbeitsvertrag. Im Nachhinein wurde dem Arbeitgeber jedoch bekannt, dass der Bewerber im Juli 2003 wegen Körper­ver­letzung und Betrugs zu einer Jugend-Bewäh­rungs­strafe von sechs Monaten verurteilt wurde. Zudem erfuhr der Arbeitgeber von acht Ermitt­lungs­ver­fahren wegen des Verdachts auf Körper­ver­letzung, Diebstahl, Hausfrie­densbruch, Betrug, Beleidigung und gefährliche Körper­ver­letzung, die jedoch alle entweder nach § 170 Abs. 2 StPO oder nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurden. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeits­ver­hältnis im Dezember 2010 fristgemäß und focht den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Dagegen wehrte sich der Bewerber mit seiner Kündi­gungs­schutzklage. Nachdem das Arbeitsgericht und das Landes­a­r­beits­gericht Köln der Klage stattgaben, musste sich das Bundes­a­r­beits­gericht mit dem Fall beschäftigen.

Kein Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung aufgrund verschweigen der Vorstrafe

Das Bundes­a­r­beits­gericht entschied ebenfalls zu Gunsten des Bewerbers. Der Arbeitgeber sei nicht berechtigt gewesen, dass Arbeits­ver­hältnis wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB anzufechten. Dem Bewerber sei nämlich nicht Arglist vorzuwerfen gewesen. Es sei zu beachten gewesen, dass die Vorstrafe aus dem Jahr 2003 zum Zeitpunkt der Bewerbung aus dem Bundes­zen­tra­l­re­gister getilgt war. In diesem Fall dürfe sich der Verurteilte gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 2 des Bundes­zen­tra­l­re­gis­ter­ge­setzes (BZRG) gegenüber Behörden oder Privatpersonen als unbestraft bezeichnen. Darüber hinaus dürfe nach § 51 Abs. 1 BZRG dem Betroffenen die Vorstrafen nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden.

Kein schutzwürdiges Interesse an Offenbarung von getilgten Vorstrafen

Nach Ansicht des Bundes­a­r­beits­ge­richts habe ein Arbeitgeber auch kein schutzwürdiges Interesse an der Offenbarung von bereits getilgten Vorstrafen. Zwar könne eine strafrechtliche Verurteilung unabhängig von dem ihr zugrunde liegenden Delikt Zweifel an der Rechtstreue und damit Eignung des Bewerbers begründen. Dies gelte aber nicht für Verurteilungen, die bereits getilgt wurden. Zudem seien das Persön­lich­keitsrecht des Bewerbers sowie daten­schutz­rechtliche Bestimmungen zu beachten gewesen.

Keine arglistige Täuschung wegen Verschweigen von bereits eingestellten Ermitt­lungs­ver­fahren

Dem Bewerber sei auch deswegen keine arglistige Täuschung vorzuwerfen gewesen, so das Bundes­a­r­beits­gericht, weil er die bereits eingestellten Ermitt­lungs­ver­fahren verschwiegen hat. Denn ein berechtigtes Interesse an einer solchen Offenbarung bestehe nicht. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass eingestellte Ermitt­lungs­ver­fahren nicht in das Zentralregister eingetragen werden. Denn ohne Schuldvorwurf sei es nicht vertretbar, den Betroffenen mit den nachteiligen Folgen einer Eintragung zu belasten. Dürfe aber der Betroffene bereits in den § 53 BZRG geregelten Fällen von seinem Schweigerecht Gebrauch machen, so müsse dies erst recht für Vorgänge gelten, die von vornherein nicht in das Register eingetragen werden. Zudem gelte selbst bei einer Einstellung nach § 153 Abs. 1 BGB die Unschulds­ver­mutung. Außerdem könne ein Ermitt­lungs­ver­fahren, welches wegen fehlenden hinreichenden Anlasses zur Erhebung der Anklage eingestellt wurde, keine hinreichende Grundlage für die Beurteilung der Eignung des Bewerbers bieten.

Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung

Aus den oben genannten Gründen sei nach Auffassung des Bundes­a­r­beits­ge­richts auch die ordentliche Kündigung unwirksam gewesen, da sie sozial ungerecht­fertigt im Sinne von § 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG gewesen sei. Der Bewerber habe seine Aufklä­rungs­pflichten nicht verletzt.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

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