21.11.2024
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Arbeitsgericht Reutlingen Urteil12.05.2010

Fall "Essensmarke": Gericht hebt fristlose Kündigung wegen 80 Cent aufArbeitnehmer wollte nicht planmäßig das Vermögen des Arbeitgebers schädigen

Die Kündigung eines Einkäufers, der von seiner ehemaligen Firma Erima wegen eines falsch verwendeten 80-Cent-Essensbons fristlos entlassen wurde, ist von dem Arbeitsgericht Reutlingen aufgehoben worden. Der Mann habe nicht planmäßig mit der Absicht gehandelt, das Vermögen des Arbeitgebers zu schädigen, so dass trotz einer erheblichen Pflicht­ver­letzung der Ausspruch einer Kündigung ohne vorherige Abmahnung unwirksam sei.

Der Arbeitgeber, ein Unternehmen der Textilindustrie, hat einem 35-jährigen Sachbearbeiter in der Abteilung Einkauf die außer­or­dentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen, nachdem dieser das Mittagessen seiner Lebensgefährtin unter Einlösung einer Essensmarke bezahlt hatte, die er sich zuvor von einem Arbeitskollegen erbeten hatte.

Arbeitnehmer löste Essensmarke eines Kollegen für die Bezahlung des Mittagessens seiner Lebensgefährtin ein

Den Arbeitnehmern des Unternehmens werden monatlich jeweils 15 Essensmarken zur Verfügung gestellt, die zum Erhalt eines Essens­zu­schusses von je ,80 EUR berechtigen. Die Essensmarken werden auf den Namen des jeweiligen Mitarbeiters ausgestellt und enthalten den Hinweis, dass pro Tag nur eine Essensmarke eingelöst werden kann und die Essensmarken nicht übertragbar sind. Der klagende Mitarbeiter löste an einem Tag eine auf seinen Namen ausgestellte Essensmarke für die Bezahlung seines Mittagessens und die auf den Namen des Arbeitskollegen ausgestellte Essensmarke für die Bezahlung des Mittagessens seiner Lebensgefährtin ein.

Erheblicher Vertrags- und Vertrau­ens­verstoß

Der Arbeitgeber sieht in der Vorgehensweise des Mitarbeiters einen erheblichen Vertrags- und Vertrau­ens­verstoß begründet und hält die Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses für unzumutbar. Der Arbeitnehmer hingegen ist der Ansicht, der Ausspruch einer Kündigung sei in diesem Fall nicht gerechtfertigt. Eine Abmahnung wäre das ausreichende und geeignete Mittel gewesen, um auf sein unüberlegtes Verhalten zu reagieren.

Gericht erklärt Kündigung für unwirksam

Die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Reutlingen hat die deswegen vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt.

Arbeitnehmer hat nicht planmäßig mit vermö­gens­schä­di­gender Absicht gehandelt

Zwar habe der Kläger bewusst gegen das Verbot verstoßen, Essensmarken anderen Personen zu übertragen, um sich einen ihm nicht zustehenden Vermö­gens­vorteil zu verschaffen. Er habe jedoch nicht planmäßig mit der Absicht gehandelt, das Vermögen des Arbeitgebers zu schädigen. Das Gericht sah daher trotz der erheblichen Pflicht­ver­letzung des Klägers den Ausspruch einer Kündigung ohne vorherige Abmahnung als unwirksam an.

Quelle: ra-online, Arbeitsgericht Reutlingen

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