21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.
ergänzende Informationen

Arbeitsgericht Berlin Urteil16.10.2015

Betriebliches Eingliederungs­management: Arbeitgeber muss Wieder­ein­glie­derung eines länger erkrankten Arbeitnehmers durch organisierten Suchprozess prüfenKrank­heits­be­dingte Kündigung kann ohne Prüfung unwirksam sein

Das Arbeitsgericht Berlin hat entschieden, dass der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungs­managements (BEM) gemäß § 84 Abs. 2 Sozial­ge­setzbuch Neuntes Buch (SGB IX) mit dem Ziel der Wieder­ein­glie­derung des Arbeitnehmers durchzuführen hat, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig krank ist. Wird ein derartiges BEM nicht durchgeführt, kann eine ausgesprochene krank­heits­be­dingte Kündigung unwirksam sein.

Der Arbeitnehmer des zugrunde liegenden Verfahrens war wegen einer Tumorerkrankung länger als ein Jahr arbeitsunfähig krank. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeits­ver­hältnis wegen dieser Fehlzeit und der ihm dadurch entstehenden Kosten; er ging dabei davon aus, dass der Arbeitnehmer wegen der Schwere seiner Erkrankung nicht mehr zurückkehren werde.

Arbeitgeber muss mögliche Änderung von Arbeitsplatz, Arbeits­or­ga­ni­sation und Arbeitszeit prüfen

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung für rechtsunwirksam erklärt. Das Gericht verwies darauf, dass der Arbeitgeber ein betriebliches Einglie­de­rungs­ma­na­gements (BEM) mit dem Ziel der Wiedereingliederung des Arbeitnehmers durchzuführen hat, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig krank ist. Hierzu hat der Arbeitgeber im Rahmen eines organisierten Suchprozesses zu prüfen, ob und ggf. in welcher Weise der Arbeitnehmer (wieder) beschäftigt werden kann. Zu diesem Suchprozess gehören das Gespräch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, u.U. die Einbeziehung von externem Sachverstand und - in dafür geeigneten Fällen - die stufenweise Wieder­ein­glie­derung des Arbeitnehmers im Rahmen des sogenannten "Hamburger Modells". Zu prüfen sind mögliche Änderungen der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte als auch eine mögliche Umgestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeits­or­ga­ni­sation und der Arbeitszeit.

Arbeitsgericht erklärt Kündigung für unver­hält­nismäßig und rechtsunwirksam

Im vorliegenden Fall habe der Arbeitgeber nach Auffassung des Arbeitsgerichts nicht hinreichend im Rahmen eines BEM geprüft, warum der Arbeitnehmer auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht weiter­be­schäftigt werden könne, warum ein Einsatz nach leidens­ge­rechter Anpassung und Veränderung des bisherigen Arbeitsplatzes ausgeschlossen und warum auch eine Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz mit einer anderen Tätigkeit nicht möglich sei. Die Kündigung sei deshalb unver­hält­nismäßig und damit rechtsunwirksam.

Quelle: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil21794

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI