21.11.2024
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Amtsgericht Wedding Urteil07.12.2016

"Zivi-Wohnung" auf Kinderbauernhof muss geräumt werdenVereinsleiter kann sich nicht auf Besitzrecht des Vereins stützen

Das Amtsgericht Wedding hat zugunsten des Landes Berlin entschieden, dass eine auf einem früher durch einen Verein geführten Kinderbauernhof gelegene sogenannte "Zivi-Wohnung" in Berlin-Wedding geräumt werden muss.

Im zugrunde liegenden Streitfall begehrte das Land Berlin von dem Beklagten u.a. die Räumung einer sogenannten "Zivi-Wohnung", gelegen auf einem früher durch einen Verein geführten Kinderbauernhof in Berlin-Wedding. Das Land Berlin ist Eigentümer eines Grundstücks von ca. 13.500 m² Fläche, auf dem der vorgenannte Verein in Eigenleistung Gebäude errichtet und nachfolgend langjährig einen Kinderbauernhof betrieben hatte. Zwischen 2001 und 2003 ließ das Land Baumaßnahmen ausführen, deren Ausmaß streitig ist. In der Folgezeit kam es zu Unstimmigkeiten zwischen dem Land Berlin und dem Verein über die Frage, wem die Gebäude auf dem Grundstück gehören. Deshalb wurde der zwischen­zeitlich abgelaufene Nutzungsvertrag nicht verlängert und das Land Berlin erstritt vor dem Landgericht Berlin ein Räumungsurteil gegen den Verein; das Kammergericht bestätigte dieses Urteil in zweiter Instanz. Die Räumung des Vereins wurde im Sommer 2016 betrieben, konnte jedoch nicht vollständig durchgesetzt werden.

Zwischen­zeitlich geschlossener Mietvertrag über "Zivi-Wohnung" verhindert Räumung

Da der Beklagte, der mindestens zeitweise Leiter des von dem Verein betriebenen Tierbauernhofs gewesen war und für den Verein die Verhandlungen über den Status der Umbauten/Neubauten geführt hatte, am 25. April 2016 mit dem Verein einen Mietvertrag über die (gesamten) im 1. Obergeschoss des Kinderhauses befindlichen Räume, eine sogenannte "Zivi-Wohnung" geschlossen hatte, verhinderte er damit die Räumung dieses Bereichs. Der Beklagte meldete sich dort behördlich an, nutzte jedoch die Räume nur gelegentlich tagsüber für etwa 1 bis 3 Stunden. Der Kläger ließ zwischen­zeitlich einen mit einem Sichtschutzzaun versehenen Zugangskanal zu den Räumen einrichten und das Grundstück durch eine Wachfirma betreuen.

Land Berlin verlangt Herausgabe der Räumlichkeiten

Das Land Berlin behauptet, der Beklagte und der Verein hätten den Mietvertrag nur abgeschlossen, um die vollständige Räumung des Grundstücks zu vereiteln. Das Land Berlin begehrt die Herausgabe der Räumlichkeiten, die Unterlassung einer weiteren Besit­zein­räumung an Dritte und die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung des Beklagten.

Verein wurde bereits rechtskräftig zur Herausgabe aller Räumlichkeiten verurteilt

Das Amtsgericht Wedding gab der Klage in vollem Umfang statt. Der Beklagte könne sich nicht auf ein Besitzrecht des Vereins stützen, da dieses erloschen sei. Denn der Verein sei rechtskräftig zur Herausgabe aller Räumlichkeiten verurteilt worden. Der Beklagte könne nicht mehr Rechte gegenüber dem Land Berlin als Eigentümer geltend machen als der frühere Nutzer.

Bewirtschaftung des Grundstücks zu sozialen Zwecken ist als positiv anzuerkennen

Offen bleibe könne, in welchem Umfang der Beklagte zu dem Projekt des Kinder­bau­ernhofes beigetragen habe. Die Bewirtschaftung des Grundstücks zu sozialen Zwecken sei durchaus als positiv anzuerkennen und werde im Übrigen inzwischen von einem anderen Betreiber fortgeführt. Allerdings sei selbst eine "Lebensleistung" des Beklagten in Bezug auf das Projekt rechtlich nicht entscheidend. Vielmehr seien allein Eigentums- und Nutzungsfragen maßgeblich, denen übergeordnete schutzwürdige Interessen des Beklagten nicht entgegenstünden.

Mietvertrag sollte offensichtlich Einstellung der Bewirtschaftung des Kinder­bau­ernhofes verhindern

Mangels eigener Rechte des Beklagten an den Räumlichkeiten habe der Beklagte es auch zu unterlassen, die auf dem Grundstück befindlichen Räumlichkeiten einschließlich des Weges zu betreten und den Besitz hieran Dritten einzuräumen oder zu überlassen. Er habe offensichtlich versucht, durch den Mietvertrag zu verhindern, dass der Verein die Bewirtschaftung des Kinder­bau­ernhofes einstellen müsse. Daher sei zu befürchten, dass er auch zukünftig neue Wege suchen werde, um dieses Ziel zu erreichen.

Keine Bewilligung einer Räumungsfrist

Eine Räumungsfrist sei dem Beklagten nicht zu bewilligen, da er die Räumlichkeiten nur tagsüber für wenige Stunden betreten habe und deshalb davon auszugehen sei, dass er tatsächlich anderweitig seinen Lebens­mit­telpunkt habe.

Beklagte macht sich durch Verhinderung der Zwangsräumung schaden­s­er­satz­pflichtig

Indem der Beklagte die vollständige Zwangsräumung bisher verhindert habe, habe er sich zugleich gegenüber dem Land Berlin schaden­s­er­satz­pflichtig gemacht. Er habe zumindest teilweise dem Land Berlin die Nutzung des Grundstücks entzogen und damit dessen Eigentum verletzt. Sein Verhalten sei einer rechtswidrigen Besetzung des Grundstücks gleichzusetzen, die durch einen formalen, mit dem - interessenmäßig gleich­ge­richteten - Verein geschlossenen Vertrag lediglich den Anschein der Legalität habe erlangen sollen.

Streit­ver­kündung voraussichtlich für verfah­rens­fremde Zwecke missbraucht

Der Beklagte habe schließlich nicht das Recht gehabt, eine Verlegung der mündlichen Verhandlung zu erreichen, indem er dem Verein den Streit verkündet habe. Die prozessualen Voraussetzungen für eine Streit­ver­kündung lägen nicht vor. Im Übrigen verstoße der Beklagte gegen Treu und Glauben, soweit er nur zwei Tage vor dem Termin einen Schriftsatz eingereicht und darin diese prozessuale Einrede erhoben habe. Die Klageschrift sei ihm bereits seit mehr als vier Monaten bekannt gewesen. Es sei davon auszugehen, dass er die Streit­ver­kündung für verfah­rens­fremde Zwecke missbraucht habe, um erneut die vollständige Herausgabe des Grundstücks zu verzögern.

Quelle: Kammergericht/ra-online

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