Dokument-Nr. 2404
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Beschluss11.05.2006
Zwangsräumung kein Mittel zur Durchsetzung einer Verfügung auf Nutzungsuntersagung
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat im Vollstreckungsverfahren der Stadt Frankfurt am Main zwecks Durchsetzung des Nutzungsverbotes gegenüber einem baurechtlich illegalen Kfz-Reparaturbetrieb in Sachsenhausen entschieden.
Anfang 1998 hatte die Stadt Frankfurt am Main gegenüber den Betreibern der nicht als solche genehmigten Kfz-Reparaturwerkstatt Verfügungen erlassen, mit welchen diesen aufgegeben worden war, die Nutzung als Kfz-Reparaturwerkstatt zu beenden. Gleichzeitig war den Betreibern für den Fall, dass sie der Verfügung nicht fristgerecht nachkommen sollten, zur Durchsetzung des Nutzungsverbotes ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- DM angedroht worden. Die umliegende Bebauung besteht überwiegend aus Wohnhäusern, die Verfügung war aufgrund zahlreicher Beschwerden der Bewohner dieser Häuser wegen Lärmbelästigung durch den Werkstattsbetrieb ergangen.
Das Grundstück, auf welchem die Kfz-Werkstatt betrieben wurde, war nach dem Krieg mit einer Tankstelle bebaut. Von den ursprünglichen Gebäuden sind noch das Vordergebäude vorhanden, das 1981 als Abstellraum genehmigt wurde, ein 1959 als Tankwärterhäuschen genehmigtes Gebäude sowie eine 1954 genehmigte „Wagenpflegehalle“. Ein Bebauungsplan besteht für das Gebiet nicht.
Das Regierungspräsidium in Darmstadt wies den Widerspruch der Betreiber mit Widerspruchsbescheid vom September 1999 zurück und räumte gleichzeitig eine Duldungsfrist von sechs Monaten ein, um eine Betriebsumsiedlung zu ermöglichen. Im Zuge des anschließenden Verwaltungsstreitverfahrens wurde im Juni 2000 ein Vergleich geschlossen, in welchem sich die Stadt Frankfurt am Main bereit erklärte, aus den Nutzungsverbotsverfügungen nicht vor dem 31.12.2000 zu vollstrecken. In einem weiteren Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verlängerte die Stadt Frankfurt am Main im Dezember 2002 die Frist für die Vollstreckung bis zum 30.11.2003. Die Betreiber nahmen darauf hin die Klage zurück.
Im Oktober 2005 wies der Petitionsausschuss die an den Hessischen Landtag gerichtete Petition der Betreiber der Werkstatt vom Dezember 2003 zurück. Der Petitionsausschuss sah keine Möglichkeit zur Befürwortung einer weiteren Duldung des Betriebs. Er war der Auffassung, die Stadt Frankfurt am Main sei den Interessen der Betreiber durch die zeitliche Duldung und die erneute Verschiebung der Vollstreckung weit entgegen gekommen. Es wäre den Betreibern möglich gewesen, sich zwischenzeitlich um ein anderes, geeignetes Grundstück oder Gebäude in einem Gewerbegebiet zu bemühen.
Im Hinblick auf die schützenswerten Belange der umliegenden Wohnbebauung könne unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes keine weitere Duldung durch die Stadt Frankfurt am Main erfolgen. Es handele sich auch nicht um ein Hinwegsetzen der Verwaltung über die Beschlüsse der politischen Gremien, sondern vielmehr um eine Durchsetzung des geltenden und u. a. dem Schutze der umliegenden Nachbarschaft dienenden Rechts.
Die eindeutige Rechtslage erfahre weder durch politische Beschlüsse noch durch die Vorlage eines Lärmgutachtens eine Änderung. Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Frankfurt am Main hatte nämlich auf Anregung des zuständigen Ortsbeirats im Juli 2003 beschlossen, den Magistrat aufzufordern, den Betrieb solange zu dulden, bis ein endgültiges Lärmgutachten geklärt habe, ob diese Gegend überhaupt als reines Wohngebiet ausgewiesen werden konnte.
Im April 2006 setzte die Bauaufsichtsbehörde der Stadt Frankfurt am Main das mit der Verfügung vom 26.02.1998 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- DM (jetzt: 2556,46 Euro) gegen jeden der Betreiber der ungenehmigten Kfz-Reparaturwerkstatt fest. Die Betreiber wandten sich gegen diese Festsetzung mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, sie hätten einen Anspruch auf Duldung ihres Betriebes bis zur Vorlage des geforderten Lärmgutachtens. Durch den Beschluss der Stadtverordnentenversammlung sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Die Antragsteller dürften darauf vertrauen, dass sich der Magistrat der Stadt an die Weisungen der Stadtverordnetenversammlung halte.
Mit Beschluss vom 11. Mai 2005 lehnte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main diesen Eilantrag ab. Zur Begründung ist u. a. ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung lägen vor. Das festgesetzte Zwangsgeld seien den Antragstellern mit Verfügungen vom Februar 1998 angedroht worden und die Frist zur Erfüllung der Verpflichtungen aus diesen Grundverfügen sei abgelaufen. Einwendungen gegen die Grundverfügungen (Nutzungsverbot) oder die Androhung des Zwangsgeldes sei nicht mehr möglich. Auch der den Antragstellern in den gerichtlichen Verfahren aus dem Jahre 2002 und 2003 von der Stadt Frankfurt am Main gewährte Vollstreckungsaufschub sei abgelaufen. Aus dem Beschluss des Magistrats der Stadt Frankfurt am Main könnten die Antragsteller keine Rechte herleiten, der Magistrat der Stadt Frankfurt am Main werde auch hierdurch nicht gebunden. Darüber hinaus habe der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 17.07.2003 keine Außenwirkung.
Nachdem die Bauaufsichtsbehörde der Stadt Frankfurt am Main durch eine weitere Verfügung die Zwangsgeldandrohung aufgehoben und stattdessen die Zwangsräumung der Betriebsgegenstände und -einrichtungen der Kfz-Werkstatt, „die der ungenehmigten Nutzung dienen“, angedroht hatte, wandten sich die Betreiber der Kfz-Werkstatt gegen die Androhung der Zwangsräumung, welche am 19.05.2006 ab 9.00 Uhr stattfinden sollte, falls die Betreiber nicht „bis zum 16.05.2006 die Nutzung beendet und den Betrieb auf diesem Grundstück geschlossen“ haben sollten. Zur Begründung argumentierte die Stadt dahingehend, man habe festgestellt, dass die Zwangsgeldfestsetzung vom 06.04.2006 nicht zur Beendigung der ungenehmigten Nutzung des Grundstücks als Kfz-Werkstatt geführt habe. Daher sei dieses Zwangsmittel nicht geeignet, die Verfügung vom 26.02.1998 sowie die gerichtlichen Vergleiche durchzusetzen. Daher sei nunmehr die Zwangsräumung als das geeignete und erforderliche Zwangsmittel anzusehen.
Mit dem erneuten Eilantrag, welcher am 09.05.2006 beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main einging, beriefen sich die Betreiber wiederum auf den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 17.07.2003 und machten geltend, der Beschluss habe einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Die Antragsteller erwarteten die Umsetzung, also die Einholung eines Lärmgutachtens. Zuvor dürften sie darauf vertrauen, dass die Stadt keine Maßnahmen ergreife, die diesem Beschluss zuwiderlaufen. Die Stadt Frankfurt am Main trat dem Eilantrag entgegen und legte dar, dass es keine Beschlusslage der Stadtverordnetenversammlung gebe, aus der die Antragsteller, aus welchem Gesichtspunkt auch immer, ein Vollstreckungshindernis „herbeikonstruieren“ könnten. Es bestehe unter keinem Gesichtspunkt irgendein Vollstreckungshindernis. Der Betrieb könne an dieser Stelle nicht weitergeführt werden.
Mit Beschluss vom 12.05.2006 gab das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main dem Eilantrag der Betreiber der Kfz-Werkstatt statt. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, es sei zwar grundsätzlich zulässig, eine Nutzungsuntersagungsverfügung im Wege der Zwangsräumung zu vollstrecken. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung werde die Durchsetzung eines Nutzungsverbotes dann als zulässig erachtet, wenn neben diesem Nutzungsverbot auch die Entfernung bestimmter Gegenstände verfügt worden sei. So habe der Hessische Verwaltungsgerichtshof in einem vergleichbaren Verfahren die Vollstreckung eines selbständig angeordneten Räumungsgebotes für zulässig erachtet, wenn neben der Nutzungsuntersagung in der Grundverfügung auch das Gebot ausgesprochen worden sei, die Büroeinrichtung zu entfernen.
Vorliegend sei ein solches selbständiges Räumungsverbot jedoch nicht erlassen worden. Die Verfügung vom 26.02.1998, welche nunmehr vollstreckt werden solle, gebe den Betreibern ausschließlich auf, „die Nutzung der o. g. Liegenschaft als Kfz- Reparaturwerkstatt zu beenden“. Diese Verfügung sei im Sinne einer Erweiterung nicht auslegungsfähig. Zudem fehle es vorliegend auch an der für die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsandrohung nach dem Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz erforderlichen Vorveranschlagung der entstehenden Vollstreckungskosten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.05.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 17/06 des VG Frankfurt/Main vom 15.05.2006
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