21.11.2024
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Verwaltungsgericht Neustadt Beschluss19.08.2015

Mechatronische Werkstatt im Wohngebiet unzulässigZeitliche Begrenzung und zahlreiche Auflagen ändern nichts an erheblicher Lärmbelästigung

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt hat in einem Eilverfahren entschieden, dass die einem Bauherrn erteilte Baugenehmigung für die Nutzung­s­än­derung der zuvor genehmigten Garage in eine mechatronische Werkstatt unzulässig ist.

Die Antragsteller des zugrunde liegenden Streitfalls wohnen ebenso wie der beigeladene Bauherr in einem nicht beplanten Wohngebiet im südpfälzischen Weingarten. Am 25. Juni 2015 genehmigte die Kreisverwaltung Germersheim dem Beigeladenen die Nutzung­s­än­derung einer aus Trapezblech hergestellten Garage in eine Werkstatt unter zahlreichen Auflagen. So waren die Betriebszeiten auf den Tageszeitraum 8 bis 20 Uhr beschränkt und die angegebenen Betriebszeiten für den Einsatz von Metall­be­a­r­bei­tungs­ma­schinen – Fräse 90 min, Drehmaschine CNC 45 min, Drehmaschine konventionell 45 min, Schweißgerät 45 min, Ständer­bohr­ma­schine 45 min – sowie des Gabelstaplers (45 min) einzuhalten. Der An- und Auslie­fer­verkehr durfte nicht durch Dritte erfolgen; der Empfang von Kunden war ausgeschlossen und das Gebäude durfte ausschließlich vom Antragsteller genutzt werden, um mit den in der Betrie­bs­be­schreibung angegebenen Maschinen Arbeiten durchzuführen. Schließlich durften die Immis­si­ons­richtwerte für Geräusche von tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) für das nächst gelegenes Wohnhaus unter Berück­sich­tigung der Gesamtbelastung nicht überschritten werden.

Anwohner halten mechatronische Werkstatt für baupla­nungs­rechtlich unzulässig

Die Antragsteller legten dagegen Widerspruch ein und suchten mit der Begründung um vorläufigen gerichtlichen Rechtschutz nach, die mechatronische Werkstatt des Beigeladenen sei ein störender Gewerbebetrieb und daher baupla­nungs­rechtlich unzulässig.

Betrieb ist kein ausnahmsweise zulässiger, nicht störender Handwerks­betrieb

Dem Eilantrag der Antragsteller gab das Verwal­tungs­gericht Neustadt mit der Begründung statt, dass es offen bleiben könne, ob sich das Bauvorhaben des Beigeladenen in einem faktischen reinen Wohngebiet oder einem faktischen allgemeinen Wohngebiet befinde. Gehe man von einem faktischen reinen Wohngebiet aus, verstoße der genehmigte Betrieb des Beigeladenen gegen den Gebiet­s­er­hal­tungs­an­spruch der Antragsteller, da der Betrieb kein ausnahmsweise zulässiger nicht störender Handwerks­betrieb sei, der zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets diene.

Geschützte Wohnruhe ist nicht gleichbedeutend mit immis­si­ons­schutz­rechtlich relevanter Lärmsituation

Nehme man stattdessen ein faktisches allgemeines Wohngebiet an, seien zwar ausnahmsweise sonstige nicht störende Gewerbebetriebe zulässig. Der genehmigte Betrieb sei aber kein "nicht störender Gewerbebetrieb". Auf der Grundlage einer typisierenden Betrach­tungsweise sei eine Ausnahme unzulässig, wenn das Vorhaben - bezogen auf den Wohnge­biets­cha­rakter - aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirke. Relevant für die Beurteilung der Gebiets­un­ver­träg­lichkeit seien alle Auswirkungen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art ausgingen, insbesondere nach seinem räumlichen Umfang und der Größe seines betrieblichen Einzugsbereichs, der Art und Weise der Betrie­bs­vorgänge, dem vorha­ben­be­dingten An- und Abfahrtsverkehr von Beschäftigten, Kunden und Lieferanten sowie der Dauer dieser Auswirkungen und ihrer Verteilung auf die Tages- und Nachtzeiten. Entscheidend sei nicht, ob die mit der Nutzung verbundenen immis­si­ons­schutz­recht­lichen Lärmwerte eingehalten würden. Die geschützte Wohnruhe sei nicht gleichbedeutend mit einer immis­si­ons­schutz­rechtlich relevanten Lärmsituation.

Werkstatt kann nicht als "nicht störenden Gewerbebetrieb" angesehen werden

Die mechatronische Werkstatt des Beigeladenen weiche auch nicht wesentlich von dem typischen Bild eines der Kategorie eines (auch) metall­ver­a­r­bei­tenden Betriebes unterfallenden Gewerbes ab. Insbesondere könne der Antragsgegner die Erteilung der Baugenehmigung vom 25. Juni 2015 nicht mit dem Erlass zahlreicher Neben­be­stim­mungen, die eine Beschränkung des Betriebs zum Gegenstand hätten, rechtfertigen. Das Gericht verkenne zwar nicht, dass die mechatronische Werkstatt des Beigeladenen nach der Baugenehmigung nur als Einmannbetrieb genutzt werden dürfe, Kundenverkehr ausgeschlossen werde und die Betriebszeiten beschränkt seien. Es handele sich deshalb nur um einen Kleinbetrieb. Dennoch weise der Betrieb des Beigeladenen keine solchen Besonderheiten auf, die es rechtfertigten, hier von einem "nicht störenden Gewerbebetrieb" auszugehen.

Vom Betrieb gehen zweifelsfrei störende Tätigkeiten aus

Die Werkstatt befinde sich in einer einfachen Trapez­blechhalle, die nicht im Geringsten schallgedämmt sei. Der Einsatz von lärmintensiven Metall­be­a­r­bei­tungs­ma­schinen und einem Gabelstapler sei im Zeitraum zwischen 8 und 20 Uhr für die Dauer von 5,25 Stunden erlaubt. Selbst wenn der Beigeladene sich an diese Auflagen halte, führe er in dieser Zeit störende Tätigkeiten durch. Arbeiten, die mit den genannten Maschinen ausgeführt würden und mit Hämmern, Schlagen und Schleifen verbunden seien, verursachten impulsartige Geräusche, die unvermeidbar nach außen drängen und daher besonders störend wirkten. Eine zeitliche Begrenzung ändere daran nichts. Die Nutzung der Metall­be­a­r­bei­tungs­ma­schinen durch den Beigeladenen verursachten auch nicht nur kurzzeitige Geräuschspitzen. Vielmehr handele es sich dabei um Dauerereignisse. Der Versuch des Antragsgegners, den Betrieb des Beigeladenen durch eine stark indivi­du­a­li­sierte maßge­schneiderte Baugenehmigung mit zahlreichen Neben­be­stim­mungen für ihre – an sich ungeeignete Umgebung – passend zu machen, sei daher nicht geeignet, die Atypik zu begründen.

Antrag auf sofort vollziehbare Verfügung zur Stilllegung des Betriebs

Liege damit ein Verstoß gegen den Gebiet­s­er­hal­tungs­an­spruch der Antragsteller vor, sei dem Antrag stattzugeben. Der weitere Antrag der Antragsteller, dem Antragsgegner aufzugeben, die von dem Beigeladenen begonnenen Arbeiten zur Umnutzung des Vorhabens mit einer für sofort vollziehbar erklärten Verfügung stillzulegen, hatte demgegenüber keinen Erfolg.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt/ra-online

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