14.11.2024
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Amtsgericht München Urteil28.08.2014

Sachver­ständiger darf kein überhöhtes Honorar verlangenNebenkosten sollten sich an Honoraren für Gerichts­gut­achter orientieren

Tritt ein Unfall­ge­schä­digter bei der Beauftragung eines Sachver­ständigen an diesen seine Ansprüche gegenüber der Haft­pflicht­versicherung und dem Unfall­ve­r­ur­sacher ab, erwirbt der Sachverständige die Forderungen nur, soweit sie berechtigt sind. Er kann also nicht ein unrechtmäßig überhöhtes Honorar verlangen. Der Sachverständige darf das "übliche" Honorar berechnen bestehend aus Grundhonorar und Nebenkosten. Angemessene Nebenkosten sind solche, wie sie auch ein Gerichts­gut­achter berechnen kann. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts München hervor.

Im zugrunde liegenden Streitfall kam es am 11. Oktober 2013 zu einem Verkehrsunfall in Pfungstadt, an dem das Fahrzeug der geschädigten Firma aus Griesheim, ein Porsche 911 Turbo, und ein Pkw VW Sharan, der bei der beklagten Versicherung versichert ist, beteiligt waren. Der Fahrer des PKW Sharan trägt die alleinige Schuld an dem Unfall, da er dem Porschefahrer die Vorfahrt genommen hatte. Die geschädigte Firma, der der Porsche gehört, beauftragte ein Kraft­fahr­zeugsach­ver­stän­di­genbüro mit der Erstellung eines Gutachtens zum Unfallwagen. Bereits bei Erteilung des Auftrags an den Sachver­ständigen trat die geschädigte Firma ihre Schaden­s­er­satz­ansprüche gegen den Fahrer des Sharan und dessen Haftpflicht­ver­si­cherung an eine Verrech­nungs­stelle für KFZ-Sachverständige ab. Zugleich wurde die Haftpflicht­ver­si­cherung des VW Sharan angewiesen, die Rechnung des Sachver­ständigen direkt an die Verrech­nungs­stelle zu bezahlen. Für die Erstellung des Gutachtens berechnete der Sachverständige insgesamt 1.880,80 Euro. Die KFZ Versicherung, bei der der PKW Sharan versichert ist, zahlte nur einen Teilbetrag von 1.771 Euro. Den Rest, 109,50 Euro, zahlte die Versicherung nicht. Sie zahlte das geltend gemachte Grundhonorar des Sachver­ständigen in Höhe von 1.700 Euro, kürzte jedoch die ebenfalls geltend gemachten 180,50 Euro Nebenkosten für Fahrtkosten, EDV-Abrufgebühr, Auslagen, Fotos Porto, Telefon um 109,50 Euro mit der Begründung, dass die Hohe der Nebenkosten nicht angemessen sei und die Kosten massiv überhöht seien. Die Abrech­nungs­stelle erhob nun Klage zum Amtsgericht München auf Zahlung der restlichen Nebenkosten in Höhe von 109,50 Euro.

AG weist Klage der Abrech­nungs­stelle ab

Die zuständige Richterin am Amtsgericht München gab der Versicherung Recht und wies die Klage ab. Zur Begründung der Entscheidung führte das Gericht aus, dass die geschädigte Firma nicht selbst die Rechnung des Sachver­ständigen bezahlen und auch nicht selbst Klage erheben musste, da sie ihre Ansprüche an die Verrech­nungs­stelle abgetreten hat. Mit der Abtretung hat sich die geschädigte Firma jeder Entscheidung darüber enthoben, ob der Vergü­tungs­an­spruch des Sachver­ständigen der Höhe nach berechtigt ist oder nicht. Gegenüber der Verrech­nungs­stelle kann die geschädigte Firma verlangen, dass sie von den Ansprüchen des Sachver­ständigen, den sie selbst beauftragt hat, freigestellt wird. Dies bedeutet, dass die Versicherung nicht kritiklos die Forderung des Sachver­ständigen bezahlen muss. Sie muss nur berechtigte Forderungen bezahlen und kann unberechtigte Forderungen des Sachver­ständigen abwehren.

Vom Sachver­ständigen berechneten Nebenkosten sind überhöht

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die vom Sachver­ständigen berechneten Nebenkosten überhöht sind. Da die geschädigte Firma und der Sachverständige nach dem Unfall keine konkrete Vergütung vereinbart haben, kann der Sachverständige nur die "übliche" Vergütung verlangen. Das ist die Vergütung, die zum Zeitpunkt des Vertrages für Leistungen gleicher Art und Güte und gleichen Umfangs nach allgemeiner Auffassung gewährt wird.

"Ortsübliches" Honorar für KFZ-Gutachten nicht existent

Die Richterin führt im Urteil aus, dass ein Gutachter in einem anderen vergleichbaren Zivilverfahren zu dem Ergebnis gekommen sei, dass es ein "ortsübliches" Honorar für KFZ-Gutachten nicht gebe. Von den großen Verbänden würden regelmäßig Mitglie­der­be­fra­gungen zu Gebühren und Nebenkosten durchgeführt, die Tabellen mit den Befra­gungs­er­geb­nissen würden in der Regel die Tatbestände für das Grundhonorar und die weiteren Nebenkosten enthalten, wie zum Beispiel Schreibkosten, Fotokosten, Fahrtkosten und Telefonkosten. 98 % der freien Sachver­ständigen würden ihr Honorar mit einem Grundhonorar auf Basis der Schadenshöhe berechnen.

Zusam­men­ge­setzte Rechnung aus Grundhonorar und Nebenkosten nicht zu beanstanden

Das Gericht kommt daher zum Ergebnis, dass grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, wenn ein Sachverständiger eine Rechnung zusammengesetzt aus Grundhonorar und Nebenkosten erstellt. Nach Auffassung des Gerichts sind jedoch die Beträge bei den Nebenkosten unangemessen hoch und können nur gekürzt verlangt werden.

Preisgestaltung des Sachver­ständigen ist bei Beauftragung in der Regel nicht von Relevanz

Die Rechtsprechung weigert sich nicht ohne Grund zunehmend die insoweit jeweils in Ansatz gebrachten Positionen ungekürzt zu übernehmen. Schließlich ist in Fachkreisen allgemein bekannt, dass Fotokosten, Kosten für einen zweiten Fotosatz, Schreibkosten, Kopierkosten und Telefon­pau­schalen in Rechnung gestellt werden, obwohl wohl inzwischen jeder Sachverständige über einen Computer verfügt, in den Fotos digital eingestellt werden, Textbausteine verwendet werden, Dokumente unproblematisch mehrfach ausgedruckt werden können und es Flatrates gibt. Den jeweils geltend gemachten Positionen stehen damit keine entsprechenden Kosten gegenüber. Dass dies über so lange Zeit und in dieser Form möglich war und ist, kann nur dadurch erklärt werden, dass es auf dem Markt der Sachver­ständigen in Verkehr­s­un­fa­ll­sachen keine markt­ent­wi­ckelte Preisgestaltung gibt. Denn der Sachverständige wird vom Unfall­ge­schä­digten bei Fremd­ver­schulden beauftragt. Der Geschädigte bezahlt letztendlich die Rechnung nicht. Folglich ist die Preisgestaltung des Sachver­ständigen für den Unfall­ge­schä­digten bei der Beauftragung nicht von Relevanz und auch üblicherweise kein Entschei­dungs­kri­terium.

Verlangte Nebenkosten liegen ein Vielfaches über dem des Justiz­ver­gütungs- und -entschä­di­gungs­gesetz

Im vorliegenden Fall verlangte der Sachverständige für die Nebenkosten ein Vielfaches von dem, was ein gerichtlich bestellter Sachver­ständiger, der nach dem Justiz­ver­gütungs- und -entschä­di­gungs­gesetz (JVEG) abrechnen muss, erhalten würde. Für Fahrtkosten kann ein gerichtlich bestellter Sachver­ständiger pro Kilometer ,30 Euro in Rechnung stellen. Der Sachverständige verlangt hier ,65 Euro, das sind 216 % dieses Betrags. Bei einem gerichtlich bestellten Sachver­ständigen werden in der Regel 15 Euro für pauschale Nebenkosten und Telefonkosten akzeptiert. Der Sachverständige verlangt hier insgesamt 24 Euro. Das sind 160 % des üblicherweise akzeptierten Betrags bei einem Gerichts­sach­ver­ständigen. Nach dem JVEG können für eine farbig gedruckte Seite, egal wie viele Fotos sie enthält, zwei Euro in Rechnung gestellt werden. Der Sachverständige verlangt hier für 27 Fotos auf insgesamt 14 Seiten 81 Euro. Das sind 289 % des Betrags nach dem JVEG. Für kopierte Seiten erhält der Gerichts­sach­ver­ständige ,50 Euro. Der Sachverständige hätte hier nur 14 Euro berechnen dürfen, er verlangt aber 54 Euro. Das sind 385 % des Betrags nach dem JVEG.

EDV-Abrufgebühr ist üblicherweise im Grundhonorar enthalten

Die EDV-Abrufgebühr wird in der Neben­kos­te­n­a­b­rechnung der BSVK-Honor­a­r­be­fragung nicht gesondert aufgeführt. In dem oben erwähnten Gutachten, das die erkennende Richterin eingeholt hat, hat der doch beauftragte Sachverständige auch festgestellt, dass diese Gebühren üblicherweise mit dem Grundhonorar abgegolten sind.

Kostenansätze des Sachver­ständigen wegen Wuchers nicht anwendbar

Die Situation der privaten Sachver­ständigen ist wenigstens im Hinblick auf die Nebenkosten mit der Situation der gerichtlich bestellten Gutachter vergleichbar. Auch die gerichtlich bestellten Gutachter müssen hinsichtlich ihrer Aufwendungen auf ihre Kosten kommen, sonst würden sie sich langfristig eine andere Tätigkeit suchen. Im Vergleich zu den Beträgen des JVEG sind die hier angesetzten Nebenkosten mehrfach übersetzt. Deshalb sind die Kostenansätze des Sachver­ständigen wegen Wuchers im Rahmen der Ermittlung des geschuldeten Honorars nicht anwendbar.

Gericht setzt Nebenkosten nach Grundsätzen des JVEG fest

Das Gericht hat nach den Grundsätzen des JVEG hinsichtlich der Nebenkosten die angemessene Vergütung festgesetzt. Danach hätte der Sachverständige für das hier angefertigte Gutachten (netto) maximal 1.760 Euro berechnen dürfen. Die beklagte Versicherung hat aber bereits 1.771 Euro bezahlt. Somit bestand keine Restforderung mehr und die Klage war abzuweisen.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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