21.11.2024
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Amtsgericht München Urteil11.06.2015

Totenfürsorge: Nächster Verwandter des Verstorbenen darf über Bestattungsort entscheidenInhaber des Toten­für­sor­ge­rechts muss sich im Rahmen des (mutmaßlichen) Willens des Verstorbenen bewegen

Das Amtsgerichts München hat entschieden, dass bei der Ausübung der Totenfürsorge der mutmaßliche Wille des Verstorbenen maßgebend ist.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Münchner verstarb am 26. Mai 2015. Er war zu diesem Zeitpunkt 60 Jahre alt und war seit 2011 verheiratet mit einer Frau, die aus der Türkei stammt. Die Ehe blieb kinderlos, jedoch hat die Witwe aus einer vorangegangenen Verbindung zwei Töchter. Der Verstorbene wuchs bei seinen Eltern auf, gemeinsam mit einer durch seine Eltern in die Familie aufgenommenen Pflegeschwester. Der Verstorbene war katholischen Glaubens und war bis zu seinem Tod noch nie in der Türkei. Er hat kein Testament hinterlassen. Die Witwe des Verstorbenen möchte den Leichnam in ihrem Heimatdorf in der Türkei bestatten, da sie selbst dort begraben werden möchte.

Mutter des Verstorbenen will Bestattung ihres Sohnes in der Türkei verhindern

Die Mutter des Verstorbenen möchte nicht, dass ihr Sohn in der Türkei beerdigt wird. Die geplante Bestattung in der Türkei entspreche nicht dem Willen des Verstorbenen. Es sei besprochen gewesen, dass er in dem Familiengrab seiner Mutter in Neuaubing beerdigt werde. Weiterhin habe sich der Verstorbene eine Feuerbestattung gewünscht. Er habe zu keinem Zeitpunkt den Wunsch geäußert, in der Türkei beerdigt zu werden. Am 28. Mai 2015 erwirkte die Mutter eine einstweilige Verfügung beim Amtsgericht München, mit der der Witwe untersagt wurde, den Leichnam in die Türkei zu überführen. Die Witwe legte dagegen Widerspruch ein

Recht der Totenfürsorge ist gesetzlich nicht geregelt

Der zuständige Richter am Amtsgericht München gab der Witwe Recht und hob die einstweilige Verfügung auf. Damit kann sie den Verstorbenen in die Türkei überführen und dort beerdigen. Zur Begründung der Entscheidung führte das Gericht, dass das Recht der Totenfürsorge gesetzlich nicht geregelt sei. Ausgehend von den Grundrechten der Menschenwürde und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit müsse es einem Menschen grundsätzlich gestattet sein, über den Verbleib und die weitere Behandlung oder Verwendung seiner sterblichen Überreste selbst zu bestimmen. Diese Überlegung bewege sich auch im Einklang mit den Grundsätzen des Erbrechts, wonach der Erblasser frei über seinen Nachlass verfügen kann. Der Grundansatz, wonach dem Verstorbenen in erster Linie die Bestim­mungs­hoheit übertragen wird, findet sich auch in anderen gesetzlichen Regelungen, wie etwa den Bestimmungen über die Organspende. Das Gericht führte aus, dass die Rechtsprechung das Recht der Totenfürsorge auf den nächsten Verwandten des Verstorbenen übertrage, im hiesigen Fall auf die Ehefrau. Der Inhaber des Toten­für­sor­ge­rechts habe sich im Rahmen des (mutmaßlichen) Willens des Verstorbenen zu bewegen. Innerhalb dieses Rahmens müsse dem Inhaber aber ein erheblicher Ermessens- und Beurtei­lungs­spielraum zuerkannt werden. Andernfalls sei die Umsetzung der Totenfürsorge nicht praktikabel, so das Urteil. Das Gericht sei nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass das Vorhaben der Ehefrau sich im Rahmen des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen bewege. So habe dieser gegenüber den Töchtern seiner Ehefrau geäußert, dass er mit seiner Ehefrau gemeinsam bestattet werden wolle. Das Gericht habe nicht übersehen, dass die Mutter und die Pflegeschwester einen abweichenden Willen geschilderte haben. Danach habe der Verstorbenen eine Feuerbestattung und Beerdigung im Familiengrab in Neuaubing gewünscht. Es sei durchaus vorstellbar, dass sich der Verstorbene mit verschiedenen Möglichkeiten der Totenfürsorge befasst und angefreundet habe. Für das Gericht entscheidend sei, dass sich die Alternative, die die (Ehefrau) nunmehr gewählt habe, nicht im Widerspruch zu den geäußerten Wünschen des Verstorbenen bewege. Sie halte sich im Rahmen dessen, was der Verstorbene sich zu Lebzeiten gewünscht habe, so das Gericht weiter.

Vom Urteil ausgehende Härte für Mutter des Verstorbenen für Entschei­dungs­findung nicht erheblich

Dem Gericht sei bewusst, dass diese Entscheidung für die Mutter eine nur schwer zu ertragende Härte mit sich bringe. Ihr werde es - wenn überhaupt - nur unter erschwerten Bedingungen möglich sein, die Grabstelle ihres Sohnes zu besuchen oder an der Beerdigung selbst teilzunehmen. Diese Gesichtspunkte seien bedauerlich, aber für die Entschei­dungs­findung nicht erheblich. Es ginge in diesem Verfahren ausschließlich darum, den erklärten oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen zu ergründen, um dann beurteilen zu können, ob die Ausübung der Totenfürsorge (durch die Ehefrau) mit diesem Willen in Einklang zu bringen ist.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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