Das örtlich zuständige Amtsgericht Köln begründete seine Entscheidung damit, dass eine Verkehrssicherungspflicht, wie sie die Klägerin annehme, nicht bestehe. Diese hatte die Ansicht vertreten, dass das Werfen von Schokoladenriegeln nicht sozial üblich sei, da es rücksichtslos und mit zu großer Kraft erfolgt sei. Zudem seien mehrere Riegel gleichzeitig auf sie geworfen worden. Sie verlangte für die Verletzung ihres Auges ein Schmerzensgeld von 1.500 €.
Das Gericht hingegen versagte der Klägerin diesen Anspruch. Sie habe weder einen Anspruch aus Gefährdungshaftung noch wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Im Grundsatz sei zwar derjenige, der eine Gefahrenquelle eröffne, gehalten, die nötigen Vorkehrungen zur Verhinderung der Beeinträchtigung fremder Rechtsgüter zu treffen. Dies gelte jedoch nicht für die Eindämmung jeder abstrakten Gefahr und sei in jedem Einzelfall zu beurteilen. Die Vorkehrungen müssen zumutbar sein und von den Beteiligten erwartet werden dürfen.
An beiden Voraussetzungen fehle es hier: Wenn man das Werfen von kleineren Süßigkeiten und anderen Gegenständen als erwünscht ansehe - hieran bestehe für das Gericht kein Zweifel - dann lassen sich Verletzungen einzelner der äußerst zahlreichen Zuschauer nicht völlig ausschließen. Auch eine geringere Größe der geworfenen Gegenstände könne nicht verlangt werden, da auch ein einzelnes Bonbon oder wie vorliegend eine 17 Gramm leichte Schokoladenwaffel im ungünstigen Einzelfall Verletzungen hervorrufen könne.
Angesichts der bekannten großen Höhe der Umzugswagen ergebe sich unweigerlich auch eine gewisse Geschwindigkeit der Gegenstände. Die Klägerin sei nicht vorsätzlich beworfen worden. Die von ihr beschriebene große Wucht ergebe sich bereits aus der Fallhöhe. Eine Vermeidung des Werfens in Richtung von Personen erscheine aber angesichts der Enge des Zugweges unmöglich und sei traditionell auch nicht beabsichtigt, da das Fangen der geworfenen Gegenstände allgemein erwünscht sei.
Schließlich sei es lebensfremd anzunehmen, dass vor bestimmten Gebäuden, wie von der Klägerin für eine Seniorenresidenz angenommen, besondere Wurfzurückhaltung geboten wäre. Zum einen könne der großzügige Wurf von Süßigkeiten gerade vor solchen Gebäuden besondere Freude der Bewohner auslösen. Zum anderen sei es angesichts der Zuglänge von rund 7 Kilometern nicht möglich, vom Umzugswagen aus den Charakter aller am Zuweg liegenden Gebäude zu beurteilen. Auch die Tatsache, dass mehrere Süßigkeiten zugleich geworfen werden sei allgemein üblich und bekannt. Es sei nicht geboten, nur einzelne Riegel zu werfen, da auch ein einzelner Gegenstand bereits Verletzungen auslösen könnte.
Letztlich werden weitere Sicherungen des Süßigkeitenwurfs von den Zuschauern auch nicht erwartet. Dass Gegenstände mit vollen Händen von hohen Wagen aus in die Menge geworfen werden, sei seit Jahren üblich und bekannt. Wer an einem Rosenmontagszug als Zuschauer teilnehme und sich in Wurfweite der Wagen stelle, müsse damit rechnen, bei mangelnder Aufmerksamkeit unerwartet von einem Gegenstand üblicher Größe und Beschaffenheit getroffen zu werden. Vermeidbar und jedes Risiko ausschließen könne nur die Positionierung in größerer Entfernung, geschlossenen Gebäuden oder der Verzicht auf eine Teilnahme. Es hätte der Klägerin oblegen, größeren Abstand zu halten, ihre Aufmerksamkeit stets auf die Wagen zu richten oder ganz auf eine Teilnahme zu verzichten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 03.03.2011
Quelle: ra-online, Amtsgericht Köln (vt/we)