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18.01.2025  
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Amtsgericht Geldern Urteil03.08.2011

Piloten besitzen bei der Flugzeugführung einen großen Ermes­sens­spielraumReisende haben keinen Anspruch auf Schadenersatz

Entscheidet ein Pilot, dass eine Landung des Flugzeuges wegen des Wetters zu gefährlich ist, ist diese Einschätzung aufgrund von § 3 Abs. 1 LuftVO grundsätzlich bindend. Dem Piloten kommt dabei ein großer Ermes­sens­spielraum zugute, der vom Gericht nur eingeschränkt auf grobe Fehler überprüft werden kann. Dies hat das Amtsgericht Geldern entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall buchte der Kläger einen Flug bei der Beklagten. Die Beklagte annullierte den Flug jedoch, weil der Pilot des Zubringerfluges, der die einzusetzende Maschine in Alicante landen sollte, eine Landung für zu riskant hielt und das Flugzeug auf einem anderen Flughafen landete. Nach Einschätzung des Piloten war eine Landung in Alicante wegen einer Gewitterfront und böigen Winden mit Geschwin­dig­keiten von bis zu 60 km/h zu gefährlich. Dies wurde dem Kläger zwei Stunden vor dem Start mitgeteilt. Der Kläger lehnte eine Beförderung mit den von der Beklagten angebotenen Ersatzflügen ab. Er fuhr stattdessen mit seiner Familie mit einem Mietwagen nach Deutschland zurück. Er forderte nunmehr von der Beklagten Ersatz seiner entstandenen Kosten (entgangener Gewinn, Verpflegungs- und Mietwagenkosten) und Ausgleich­zah­lungen.

Witte­rungs­ver­hältnisse begründen außer­ge­wöhn­lichen Umstand

Das Amtsgericht entschied, dass dem Kläger kein Anspruch auf Ausgleichs­zah­lungen aus Art. 5 Abs. 1 lit. c), 7 Abs. 1 Satz 1 lit. b) Flugga­st­rechteVO zustand. Zwar hat diese den Flug annulliert. Die Annullierung war aber gemäß Art. 5 Abs. 3 Flugga­st­rechteVO gerechtfertigt, da sie auf Umständen beruhte, die die Beklagte auch bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen nicht hätte vermeiden können. Kann ein Flug nicht durchgeführt werden, weil das für den Transport vorgesehene Flugzeug den Flughafen wegen ungünstiger Witterung nicht anfliegen kann, begründet dies einen "außer­ge­wöhn­lichen Umstand" im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Flugga­st­rechteVO (vgl. BGH, Urt. v. 25.03.2010 - Xa ZR 96/09 = NJW-RR 2010, 1641; OLG Koblenz, Urt. v. . 11.01.2008 - 10 U 385/07 = NJW-RR 2008, 1232).

Keine grob fehlerhafte Ausübung des Ermessens

Die Einschätzung des Piloten, die Maschine aus Sicher­heits­gründen nicht zu landen, ist grundsätzlich bindend, weil dieser in seiner Eigenschaft als Luftfahr­zeug­führer gemäß § 3 Abs. 1 LuftVO allein die Entschei­dungs­gewalt über die Führung des Flugzeuges besitzt und für dessen Sicherheit verantwortlich ist. Dem Piloten kommt dabei ein großer Ermes­sens­spielraum zugute, der gerichtlich nur eingeschränkt auf grobe Fehler überprüfbar ist. Einen solchen groben Fehler konnte das Gericht hier aber nicht feststellen.

Annullierung war nicht vermeidbar

Nach Auffassung des Gerichts, konnte die Annullierung durch die Beklagte auch nicht vermieden werden, da sie keinen Einfluss auf das Wetter hatte. An die Entscheidung des Piloten ist auch sie gebunden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Einführung der Flugga­st­rechteVO. Deren Zweck besteht in der Hauptsache darin, die Interessen der Flugreisenden an einem reibungslosen Luftverkehr zu schützen. Sie dient nicht dazu, Piloten zu riskanten Landemanövern zu verleiten, um seinen Arbeitgeber vor Ausgleichs­ansprüchen zu bewahren.

Die Beklagte konnte die Annullierung auch nicht durch zumutbare Maßnahmen abwenden. Einer Flugge­sell­schaft ist es angesichts des finanziellen Aufwandes nicht zuzumuten, für jeden geplanten Flug an jedem Flughafen jederzeit ein Ersatzflugzeug bereitzuhalten.

Kein Anspruch aus Vertrag

Ein Anspruch aus §§ 631, 280, 281, 283 BGB kam ebenfalls nicht in Betracht. Ist eine Annullierung nach dem strengen Maßstab des Art. 5 Abs. 3 Flugga­st­rechteVO gerechtfertigt, so hat die Flugge­sell­schaft die Annullierung erst recht nicht nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu vertreten.

Keine Pflicht­ver­letzung aus Art. 8 Abs. 1 lit. b) Flugga­st­rechteVO

Das Gericht führte weiter aus, dass ein Anspruch aus §§ 631, 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 lit. b) Flugga­st­rechteVO nicht in Betracht kam. Dem Kläger war es nicht möglich eine Pflicht­ver­letzung der Beklagten nachzuweisen.

Ein Ersatzflug nach Deutschland mit dem auf einen anderen Flughafen gelandeten ursprünglichen Flugzeug war nicht möglich. Der Flug hätte mit der vorhandenen Besatzung nicht durchgeführt werden können, weil diese dann ihre zulässige Höchst­dienstzeit von 12 Stunden überschritten hätte. Wegen des nötigen Bustransfers der Passagiere von Alicante zum Flugzeug, hätte die Maschine erst fünf Stunden nach der geplanten Abflugzeit abheben können. Zu beachten war auch, dass eine Flugge­sell­schaft einen zeitlichen Spielraum von fünf Stunden nicht einplanen muss.

Des Weiteren wurde dem Kläger ein Ersatzflug angeboten. Zwar gab es einen früheren Ersatzflug, dieser war aber jedoch schon ausgebucht. Darin lag keine Pflicht­ver­letzung der Flugge­sell­schaft, da die Verpflichtung des Art. 8 Abs. 1 lit. b) Flugga­st­rechteVO eine Flugge­sell­schaft nur in den Grenzen ihrer eigenen Kapazitäten trifft. Der Kläger genoss auch keinen Vorrang vor anderen Passagieren bei der Zuteilung eines Ersatzfluges.

Anspruch auf Betreu­ungs­leistung besteht

Dem Kläger stand jedoch nach Ansicht des Amtsgerichtes ein Anspruch auf Ersatz seiner Verpfle­gungs­kosten gemäß §§ 631, 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 lit. b), 9 Abs. 1 lit. a) Flugga­st­rechteVO zu.

Die Ansprüche auf Betreu­ungs­leis­tungen sind als Nebenpflicht des Luftbe­för­de­rungs­ver­trages anzusehen. Die Annullierung eines Fluges änderte an dieser Pflicht nichts. Es ist hingegen zu beachten, dass eine Betreu­ungs­pflicht nur für die Wartezeit auf einen späteren Flug gilt.

Quelle: Amtsgericht Geldern, ra-online (vt/rb)

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