21.11.2024
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Sie sehen ein Flugzeug am Himmel.

Dokument-Nr. 14072

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Urteil28.08.2012BundesgerichtshofX ZR 128/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2012, 1453Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2012, Seite: 1453
  • NJW 2013, 378Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 378
  • NZV 2013, 185Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2013, Seite: 185
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil11.11.2010, 2/10 O 405/09
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil08.09.2011, 16 U 220/10
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil28.08.2012

Verspäteter Zubringerflug: Reisende müssen sich nicht 45 Minuten vor Abflug des Anschlussfluges noch einmal zum Einchecken bereithaltenReisegepäck kann auf späterem Flug transportiert werden

Fluggäste müssen auf einem Anschlussflug auch dann mitgenommen werden, wenn das Reisegepäck erst mit einem späteren Flug transportiert werden kann. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls verlangt von dem beklagten Luftfahrt­un­ter­nehmen aus eigenem und abgetretenem Recht seiner acht Mitreisenden die Leistung einer Ausgleichszahlung nach der Flugga­st­rech­te­ver­ordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) in Höhe von jeweils 600 Euro wegen Nicht­be­för­derung sowie Ersatz der Mehrauf­wen­dungen für Unterkunft und Verpflegung, die wegen der erst am Folgetag möglichen Beförderung entstanden sind.

Mitnahme im Anschlussflug wegen noch nicht umgeladenen Gepäcks verweigert

Die Reisenden buchten über ein Reisebüro eine Flugpau­scha­lreise nach Curaçao. Der Hinflug von München über Amsterdam nach Curaçao am 7. Februar 2009 sollte von der Beklagten durchgeführt werden. Die Reisenden erhielten bereits bei der Abfertigung in München die Bordkarten für den Anschlussflug. Die Ankunft des Zubringerflugs in Amsterdam war für 11.15 Uhr vorgesehen. Der Weiterflug sollte um 12.05 Uhr erfolgen. Tatsächlich kam der Zubringerflug erst um 11.35 Uhr an. Die Reisenden trafen zwar noch innerhalb der Einstiegszeit am Flugsteig des Anschlussfluges ein. Ihnen wurde jedoch die Mitnahme verweigert, weil ihr Gepäck noch nicht in das Flugzeug nach Curaçao umgeladen sei. Die Reisenden wurden daher erst am Folgetag gegen 14.00 Uhr nach Curaçao geflogen.

Luftfahrt­un­ter­nehmen zu Ausgleichs­zahlung von 600 Euro je Reisenden verurteilt

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben, die Beklagte zu einer Ausgleichs­zahlung von 600 Euro je Reisenden verurteilt und im Übrigen die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Bereits durchgechecktes Reisegepäck stellt bei Anschlussflug kein Sicher­heits­risiko mehr dar

Entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts war es für die Ansprüche aus der Flugga­st­rech­te­ver­ordnung ausreichend, dass die Reisenden mit ihrem Reisegepäck schon beim Abflug des Zubringerfluges rechtzeitig für beide Flüge abgefertigt wurden. Bei einer solchen Verfahrensweise ist es nicht mehr erforderlich, dass die Reisenden 45 Minuten vor Abflug des Anschlussfluges noch einmal einchecken oder bis dahin auch nur ihre Bereitschaft für den Weiterflug zeigen. Es reicht aus, dass sie sich wie im Streitfall noch vor dem Ende des Einstiegs­vorgangs am Flugsteig einfinden, um das Flugzeug zu besteigen. In diesem Falle kann der Weiterflug auch nicht aus dem Grunde verweigert werden, dass ihr Fluggepäck nicht auf demselben Flug mit befördert werden kann. Gemäß Nr. 5.3 des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 vom 11. März 2008 stellt der vom jeweiligen Reisenden unbegleitete Transport von Reisegepäck nur dann ein Sicher­heits­risiko dar, wenn der Reisende darauf Einfluss nehmen konnte. Dies ist nicht der Fall, wenn wie im Streitfall nur die Reisenden den Anschlussflug noch erreichen konnten, das bereits durchgecheckte Reisegepäck aber nicht.

Rechtstreit zur erneuten Verhandlung an Berufungs­gericht zurückgewiesen

Hinsichtlich der weiteren geltend gemachten Ansprüche fehlt es an hinreichenden Feststellungen durch das Berufungs­gericht, weshalb insoweit der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen wurde.

Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11. Februar 2004 - Flugga­st­rech­te­ver­ordnung

Artikel 2 -Begriffs­be­stim­mungen

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck […]

j) "Nicht­be­för­derung" die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nicht­be­för­derung gegeben sind, z. B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen;

Artikel 3 - Anwen­dungs­bereich

(1) Diese Verordnung gilt

a) für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten; …

(2) Absatz 1 gilt unter der Bedingung, dass die Fluggäste

a) über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen und - außer im Fall einer Annullierung gemäß Artikel 5 - sich - wie vorgegeben und zu der zuvor schriftlich (einschließlich auf elektronischem Wege) von dem Luftfahrt­un­ter­nehmen, dem Reise­un­ter­nehmen oder einem zugelassenen Reisevermittler angegebenen Zeit zur Abfertigung einfinden oder, falls keine Zeit angegeben wurde, - spätestens 45 Minuten vor der veröf­fent­lichten Abflugzeit zur Abfertigung einfinden oder

b) von einem Luftfahrt­un­ter­nehmen oder Reise­un­ter­nehmen von einem Flug, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug verlegt wurden, ungeachtet des Grundes hierfür. […]

Artikel 4 - Nicht­be­för­derung

[…]

(3) Wird Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert, so erbringt das ausführende Luftfahrt­un­ter­nehmen diesen unverzüglich die Ausgleichs­leis­tungen gemäß Artikel 7 und die Unter­stüt­zungs­leis­tungen gemäß den Artikeln 8 und 9.

Artikel 7 - Ausgleichs­an­spruch

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichs­zah­lungen in folgender Höhe:

a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger,

b) 400 EUR bei allen inner­ge­mein­schaft­lichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km,

c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen. […]

Artikel 9 - Anspruch auf Betreu­ungs­leis­tungen

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so sind Fluggästen folgende Leistungen unentgeltlich anzubieten:

a) Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit,

b)Hotel­un­ter­bringung, falls - ein Aufenthalt von einer Nacht oder mehreren Nächten notwendig ist oder - ein Aufenthalt zusätzlich zu dem vom Fluggast beabsichtigten Aufenthalt notwendig ist, …

VERORDNUNG (EG) Nr. 300/2008 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 11. März 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002

ANHANG I

[…]

5.3. Zuordnung von aufgegebenem Gepäck

1. Jedes aufgegebene Gepäckstück ist als begleitet oder unbegleitet zu kennzeichnen.

2. Unbegleitetes aufgegebenes Gepäck wird nicht befördert, es sei denn, das Gepäckstück wurde vom Fluggast aus Gründen, auf die er keinen Einfluss hat, getrennt oder es wurde geeigneten Sicher­heits­kon­trollen unterzogen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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