Verfassungsgerichtshof Berlin Beschluss14.05.2025
AfD-Anfrage zu Vornamen von Messer-Verdächtigen zu Unrecht von Berliner Senat abgelehntBegründeter Antrag im Organstreitverfahren zum parlamentarischen Fragerecht
Weil der Senat von Berlin nicht tragfähig begründet hat, warum er die Frage eines Abgeordneten nach den 20 häufigsten Vornamen bestimmter Tatverdächtiger nicht beantworten will, hat er das parlamentarisches Fragerecht aus Art. 45 Abs. 1 der Verfassung von Berlin verletzt. Das hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin entschieden. Das Organstreitverfahren des Abgeordneten hatte damit Erfolg.
Zu beurteilen war die Antwort auf die Schriftliche Anfrage eines Abgeordneten der Fraktion der AfD, der vom Senat von Berlin Auskünfte zu den in Berlin im Jahr 2023 polizeilich erfassten Straftaten mit einem Messer als Tatmittel erhalten und dabei unter anderem die 20 häufigsten Vornamen von Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit wissen wollte. Der Senat beantwortete die Fragen weitgehend, lehnte aber eine Mitteilung der Vornamen im Wesentlichen unter Hinweis auf die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Tatverdächtigen ab. Er war der Auffassung, es bestehe ein hohes Risiko der Identifizierbarkeit zumindest einzelner Tatverdächtiger einschließlich des Risikos von Fehlidentifizierungen.
Verfassungsgerichtshof sieht kein Identifizierungsrisiko
Diese Begründung überzeugte den Verfassungsgerichtshof nicht. Die Veröffentlichung von Vornamen konkreter natürlicher Personen stellt zwar einen Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der persönlichen Daten dar, der dem parlamentarischen Auskunftsanspruch Grenzen setzen kann. Die Annahme eines relevanten Identifizierungsrisikos für konkrete Einzelpersonen erschien dem Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Fall jedoch nicht plausibel. Denn die 20 häufigsten Vornamen betrafen nur einen kleinen Ausschnitt aus der großen Anzahl von fast 1.200 Tatverdächtigen, deren Taten sich über den Zeitraum eines ganzen Jahres erstreckten.
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Verfassungsgerichtshof war auf die Prüfung der vorgerichtlichen Argumente beschränkt
Entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes war der Verfassungsgerichtshof auf die Prüfung der vorgerichtlichen Argumente beschränkt. Auf die erst im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen Erwägungen des Senats zu Missbrauchsgefahren und der Befürchtung einer pauschalen Abwertung von deutschen Staatsangehörigen mit vermeintlichem Migrationshintergrund kam es daher nicht an.
Erneute Entscheidung des Senats von Berlin über die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage erforderlich
Der Senat von Berlin muss nun erneut über die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten entscheiden.
Die Entscheidung ist mit 5:4 Stimmen ergangen. Die Richterinnen und Richter Dr. Chebout, Prof. Dr. Lembke, Dr. Schärdel und Prof. Dr. Rödl haben ein Sondervotum verfasst. Danach ist die Erstellung und Herausgabe einer Liste mit den häufigsten Vornamen von Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit dem Senat auch auf parlamentarische Anfrage hin als Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde verfassungsrechtlich verboten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.06.2025
Quelle: Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, ra-online (pm/pt)