15.11.2024
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Dokument-Nr. 21379

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil24.06.2015

Asylbewerber aus Serbien: Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat verfas­sungsgemäß und mit Unionsrecht vereinbarVerfolgungs­sicher­heit auch für Angehörige des Volks der Roma

Der Verwaltungs­gerichts­hof Baden-Württemberg hat entschieden, dass die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat für Asylbewerber weder verfassungs- noch unionsrechtlich zu beanstanden ist. Dies gilt auch für Angehörige des Volks der Roma aus Serbien. Der Verwaltungs­gerichts­hof änderte damit ein Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Stuttgart, das eine politische Verfolgung der Roma in Serbien bejaht hatte.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls ist serbischer Staats­an­ge­höriger und gehört dem Volk der Roma an. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Beklagte) lehnte seinen Asylantrag im August 2013 als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flücht­lings­ei­gen­schaft offensichtlich sowie Abschie­bungs­verbote nach dem Aufent­halts­gesetz nicht vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Serbien an. Dagegen erhob der Kläger Klage.

Verwal­tungs­gericht bejaht Zuerkennung der Flücht­lings­ei­gen­schaft

Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschie­bung­s­an­drohung an und verpflichtete mit Urteil vom 25. März 2014 die Beklagte, dem Kläger die Flücht­lings­ei­gen­schaft zuzuerkennen, weil ihm in Serbien eine an seine Rasse anknüpfende Verfolgung drohe. Auf Antrag der Beklagten ließ der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg die Berufung zu. Während des Berufungs­ver­fahrens trat das Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunfts­s­taaten und zur Erleichterung des Arbeitszugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer vom 31. Oktober 2014 in Kraft, wonach die Republik Serbien ein sicherer Herkunftsstaat ist. Der Verwal­tungs­ge­richtshof gab der Berufung der Beklagten statt.

VGH: Asylsuchender hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flücht­lings­ei­gen­schaft

Der Kläger habe nach der maßgebenden Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Berufungs­ver­handlung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flücht­lings­ei­gen­schaft, weil er aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme und die Vermutung, dass ein Asylsuchender aus einem solchen Staat nicht politisch verfolgt werde, nicht widerlegt habe.

Einstufung der Republik Serbien als sicherer Herkunftsstaat nicht zu beanstanden

Die Einstufung der Republik Serbien als sicherer Herkunftsstaat sei verfas­sungsgemäß. Der Gesetzgeber habe zahlreiche Erkennt­nis­mittel ausgewertet und bewertet, insbesondere (Lage-)Berichte des Auswärtigen Amtes, eine EASO-Untersuchung zu Asylanträgen aus den westlichen Balkanstaaten vom November 2013 sowie Erkenntnisse lokaler Menschen­rechts­gruppen, vor Ort vertretener Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen und internationaler Organisationen. Zudem habe er die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat in anderen EU-Staaten und in der Schweiz in den Blick genommen. Im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren seien Gutachten mehrerer Sachver­ständiger eingeholt und in einer öffentlichen Anhörung des Innen­aus­schusses ausführlich erörtert worden. Dieses Vorgehen sei, auch unter dem Gesichtspunkt der Transparenz, verfas­sungsgemäß.

Verfas­sungs­rechtliche Prüfkriterien erfüllt

Der Gesetzgeber habe die von ihm ermittelten Tatsachen auch tragfähig beurteilt. Die dabei zugrunde gelegten Teilbereiche (Demokratie und Mehrpar­tei­en­system, Rechts­s­taat­lichkeit und unabhängige Regulie­rungs­be­hörden, freie Medien, rechtliche und praktische Gewährung von Menschenrechten, Grundfreiheiten, Minderheiten- und Diskri­mi­nie­rungs­schutz unter besonderer Berück­sich­tigung der Volksgruppe der Roma, wirtschaftliche und soziale Lage, Folgen der Asylan­trag­stellung im Ausland, Stabilität der Verhältnisse) entsprächen den verfas­sungs­recht­lichen Prüfkriterien. Der Gesetzgeber habe vor allem die für Roma schwierige wirtschaftliche, soziale und gesell­schaftliche Lage in Serbien berücksichtigt und eigenständig, teils auch abweichend von gutachtlichen Stellungnahmen, bewertet und daraus innerhalb seines Einschätzungs- und Bewer­tungs­spielraums vertretbare Schluss­fol­ge­rungen gezogen. Entscheidendes Gewicht habe er dem Bemühen der serbischen Regierung zugemessen, die Lage der Roma durch eine aktive Minder­hei­ten­politik zu verbessern.

Keine Verfolgung von Roma in Serbien aufgrund ihrer Volks­zu­ge­hö­rigkeit

Entgegen der Ansicht des Verwal­tungs­ge­richts seien Roma in Serbien keiner asylerheblichen staatlichen oder quasi-staatlichen Verfolgung auf Grund ihrer Volks­zu­ge­hö­rigkeit ausgesetzt. Das entspreche gefestigter und nahezu einhelliger Rechtsprechung. Das Verwal­tungs­gericht stütze seine gegenteilige Ansicht lediglich auf die Aussage einer Zeugin in einem anderen Verfahren des Verwal­tungs­ge­richts. Die Angaben der Zeugin würden aber nicht durch Beispielsfälle konkretisiert. Auch wenn es in der Vergangenheit immer wieder eine Reihe zum Teil auch gewalttätiger Übergriffe Dritter auf Roma gegeben habe, die die Polizei nicht immer mit der gebotenen Konsequenz verfolgt habe, sei nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht davon auszugehen, dass der serbische Staat zur Schutzgewährung grundsätzlich nicht willens oder nicht in der Lage sei. Auch unter diesen Gesichtspunkten sei die Bestimmung Serbiens als sicheres Herkunftsland nicht zu beanstanden.

Bestimmung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat auch im Blick auf serbischen Ausreise- und Grenz­kon­troll­be­stim­mungen nicht zu beanstanden

Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der serbische Staat in die nach dem Protokoll Nr. 4 zur Europäischen Menschen­rechts­kon­vention geschützte Ausrei­se­freiheit von Angehörigen der Roma asylrelevant eingreife oder Asylbewerber allein wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland strafrechtlich verfolge und verurteile. Insbesondere gebe es keine Anhaltspunkte für die vom Verwal­tungs­gericht nicht weiter begründete Annahme, dass sich insoweit Straf­vor­schriften speziell gegen Roma richteten und diskriminierend seien. Schließlich sei die Bestimmung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat auch im Blick auf die serbischen Ausreise- und Grenz­kon­troll­be­stim­mungen und ihre Anwendung auf serbische Staats­an­ge­hörige, insbesondere Roma, verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden.

Eine Unions­rechts­wid­rigkeit der - auch in zahlreichen anderen EU-Mitgliedstaaten wie Belgien, Frankreich, Luxemburg, Österreich und Großbritannien geltenden - Bestimmung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat habe der Kläger nicht geltend gemacht. Dafür sei nach den Maßstäben einschlägiger EU-Richtlinien auch nichts ersichtlich.

Drohende politische Verfolgung nicht substantiiert dargelegt

Der Kläger habe auch nicht schlüssig und substantiiert Tatsachen vorgetragen oder Beweismittel vorgelegt, die die Annahme begründeten, dass ihm abweichend von der gesetzlichen Vermutung politische Verfolgung drohe. Ihm sei schließlich auch kein subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Abschie­bungs­hin­dernisse oder Abschie­bungs­verbote lägen nicht vor. Die Abschie­bung­s­an­drohung sei ebenfalls rechtmäßig.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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