18.10.2024
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Dokument-Nr. 6853

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss02.10.2008

Heilpraktiker muss Krebspatientin auf notwendige ärztliche Behandlung hinweisenEntzug der Erlaubnis nach Todesfall

Ein Heilpraktiker darf den Patienten bei schwerwiegenden Erkrankungen nicht im Glauben lassen, eine ärztliche Behandlung werde durch den Heilpraktiker ersetzt. Diesen Grundsatz hat der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg wieder betont und damit die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts bestätigt, das den Antrag eines Heilpraktikers (Antragsteller) auf vorläufigen Rechtsschutz gegen den Widerruf seiner Heilprak­ti­ker­er­laubnis abgelehnt hatte.

Der Antragsteller, der bereits seit langem über eine Heilprak­ti­ker­er­laubnis verfügte, hatte eine Patientin wegen einer Geschwulst in der Brust behandelt. Auf der Grundlage einer bioelektrischen Funkti­o­ns­diagnose war er zum Schluss gelangt, dass es sich um eine gutartige Geschwulst handele. An dieser Diagnose hielt er auch dann noch fest, nachdem das Geschwür auf eine Größe von zuletzt 24 cm Durchmesser angewachsen und aufgebrochen war, und die Patientin stark an Gewicht verloren hatte. Als die Patientin sich schließlich in ärztliche Behandlung begab, wurde ein metas­ta­sie­rendes Mamma-Karzinom festgestellt, an deren Folgen sie schließlich verstarb.

Gericht: Heilprak­ti­ker­er­laubnis zu Recht entzogen

Der Verwal­tungs­ge­richtshof hat ausgeführt, dass dem Antragsteller die Heilprak­ti­ker­er­laubnis zu Recht entzogen worden sei. Sein Verhalten rechtfertige den Schluss, dass ihm die für die Berufsausübung erforderliche Zuverlässigkeit fehle und die Volksgesundheit gefährdet sei, wenn er die Heilkunde ausübe. Ein Heilpraktiker müsse nämlich die Gefahren im Auge behalten, die sich daraus ergeben könnten, dass seine Patienten medizinisch gebotene Hilfe nicht oder nicht rechtzeitig in Anspruch nähmen. Er dürfe deswegen nicht dazu beitragen, notwendige ärztliche Behandlungen zu verhindern oder auch nur zu verzögern. Hier zeige der Behand­lungs­verlauf, dass er diesen Anforderungen nicht gerecht geworden sei. Dabei könne er sich auf ein bloß einmaliges Fehlverhalten nicht berufen. Denn die Behandlung habe sich über mehrere Jahre hingezogen; in dieser Zeit habe er die Grenzen seiner Behand­lungs­fä­higkeit nicht erkannt. Nach Auffassung des im Verwal­tungs­ver­fahren hinzugezogenen Gutach­ter­aus­schusses habe er über Jahre hinweg offensichtliche Fehldiagnosen gestellt und seine Therapie auch dann in absolut unver­ant­wort­licher Weise unbeirrt weiterverfolgt, nachdem die Geschwulst aufgebrochen sei; dies zeige einen Mangel an anatomisch-pathologischem Grundwissen.

Heilpraktiker hätte dringlich auf Arztbesuch zwecks weiterer Aufklärung hinweisen müssen

Der Antragsteller habe seine Patientin nicht mit hinreichender Dringlichkeit aufgefordert, die Erkrankung ärztlich abklären und behandeln zu lassen. Es habe nicht ausgereicht, wenn er der Patientin die Möglichkeit offengelassen habe, einen Arzt aufzusuchen. Nach der Darstellung der Patientin habe er ihr stets den Eindruck vermittelt, er habe die Sache im Griff; er habe ihre Angst geschürt, „in die Hände von Ärzten zu fallen“, die vorschnell von einer Krebserkrankung ausgingen.

Der Antragsteller könne sich nicht darauf berufen, dass er bei seinen verbliebenen Patienten weiter in großem Ansehen stehe. Seine Eignung sei objektiv und frei von Wertschätzungen zu beurteilen, die auch auf Unkenntnis oder sachfremden Erwägungen beruhen könnten.

Auszug aus der Durch­füh­rungs­ver­ordnung zum Heilprak­ti­ker­gesetz

§ 2

(1) Die Erlaubnis wird nicht erteilt,

a) …

f) wenn sich aus Tatsachen ergibt, dass ihm die sittliche Zuverlässigkeit fehlt, insbesondere, wenn schwere strafrechtliche oder sittliche Verfehlungen vorliegen,

i) wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde.

§ 7

(1) Die Erlaubnis ist durch die höhere Verwal­tungs­behörde zurückzunehmen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten oder bekannt werden, die eine Versagung der Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 rechtfertigen würden. …

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VGH Baden-Württemberg vom 15.10.2008

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