21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen auf azurblauem Grund die zwölf goldenen Sterne, wie sie auch in der Europaflagge zu finden sind, wobei in der Mitte ein Paragraphenzeichen zu sehen ist.
ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil21.03.2013

Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fungs­pflicht bei allen Projekten, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben könntenFlughafen muss Projekt zur Errichtung eines weiteren Terminals und Ausweitung des Flughafenareals Umwelt­ver­träg­lich­keits­prüfung durchführen

Die österreichische Regelung, die bei der Änderung eines Flughafens nur für Projekte, bei denen eine Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 20 000 pro Jahr zu erwarten ist, eine Umwelt­ver­träg­lich­keits­prüfung vorsieht, verstößt gegen das Unionsrecht. Die Mitgliedstaaten müssen nämlich alle Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Umwelt­ver­träg­lich­keits­prüfung unterziehen. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden.

Nach der Richtlinie 85/337/EWG sind Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen(Umwelt­ver­träg­lich­keits­prüfung, UVP) zu unterziehen. Bei der Änderung oder Erweiterung eines bereits genehmigten Projekts behalten die Mitgliedstaaten jedoch einen Wertungsspielraum, ob sie für solche Projekte eine UVP vorschreiben wollen oder nicht. Ihre Entscheidung muss allerdings auf einer Einzel­fa­ll­un­ter­suchung oder auf Schwellenwerten oder Kriterien beruhen, die von ihnen im Voraus festgelegt worden sind.

Österreich: UVP-Pflicht nur bei Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 20.000 pro Jahr

Das österreichische Gesetz, mit dem die Richtlinie umgesetzt wird, sieht vor, dass abgesehen von bestimmten Änderungen, die Start- und Landebahnen betreffen, Änderungen von Flugplätzen nur dann UVP-pflichtig sind, wenn dadurch eine Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 20.000 pro Jahr zu erwarten ist.

Umweltsenat: Errichtung des neuen Terminals sowie Erweiterung des Flughafens UVP-pflichtig

Die Salzburger Flughafen GmbH, die den Flughafen Salzburg betreibt, stellte 2002 einen Antrag auf Bewilligung der Errichtung eines weiteren Terminals. Dem Antrag wurde stattgegeben, und das Projekt wurde ohne UVP durchgeführt. 2004 stellte sie weitere Anträge zur Erweiterung des Flughafenareals, u. a. um Hangars und Gerätehallen zu errichten und Abstellflächen anzulegen. In der Folge hatte sich der Umweltsenat mit der UVP-Pflichtigkeit dieser Projekte zu befassen. Er stellte fest, dass bei einer Gesamt­be­trachtung sowohl die Errichtung eines neuen Terminals als auch die Erweiterung des Flughafens UVP-pflichtig seien. Zwar sei der von der öster­rei­chischen Regelung festgelegte Schwellenwert bei keinem dieser beiden Projekte überschritten; zusammen genommen könnten sie aber erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.

VGH befragt Gerichtshof zu Kriterien der UVP-Pflichtigkeit

Gegen den Bescheid des Umweltsenats erhob die Salzburger Flughafen GmbH beim Verwal­tungs­ge­richtshof Beschwerde. Dieses Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Richtlinie der öster­rei­chischen Regelung entgegensteht, nach der bedeutende Projekte, die aus mehreren Maßnahmen bestehen, von denen keine zu einer Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 20.000 pro Jahr führt, von einer UVP ausgenommen sind.

Unter­su­chungs­pflicht bei möglichen erheblichen Auswirkungen für die Umwelt

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Schwellenwerte oder Kriterien, die für die UVP-Pflichtigkeit von Änderungen oder Erweiterungen eines bereits genehmigten Projekts maßgeblich sind, über einen Wertungs­spielraum verfügen. Dieser Spielraum ist jedoch insoweit begrenzt, als die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Untersuchung ihrer Auswirkungen zu unterziehen.

Kriterien und Schwellenwerte sollen Beurteilung der konkreten Merkmale eines Projekts erleichtern

Insoweit weist der Gerichtshof darauf hin, dass mit den erwähnten Kriterien und Schwellenwerten das Ziel verfolgt wird, die Beurteilung der konkreten Merkmale eines Projekts, mit dem ein bereits genehmigtes Projekt geändert oder erweitert werden soll, zu erleichtern, damit bestimmt werden kann, ob es der Prüfungspflicht unterliegt. Dagegen sollen mit ihnen nicht bestimmte Projektklassen von vornherein insgesamt von der UVP-Pflichtigkeit ausgenommen werden. Ein Mitgliedstaat, der die Kriterien bzw. Schwellenwerte so festlegen würde, dass in der Praxis eine ganze Klasse von Projekten von vornherein von der UVP-Pflichtigkeit ausgenommen wäre, würde daher die Grenzen des ihm durch die Richtlinie eingeräumten Spielraums überschreiten.

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass der geprüfte Schwellenwert mit der durch die Richtlinie begründeten allgemeinen Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Erfassung von Projekten, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, unvereinbar ist. Die Festlegung eines so hohen Schwellenwerts führt nämlich dazu, dass Änderungen der Infrastruktur bei kleinen oder mittelgroßen Flugplätzen praktisch nie UVP-pflichtig sind, obwohl keineswegs ausgeschlossen werden kann, dass solche Arbeiten erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.

Vorgesehene Auswahl­kri­terien durch österreichische Regelung nicht genügend beachtet

Außerdem trägt die österreichische Regelung durch die Festlegung eines solchen Schwellenwerts lediglich dem quantitativen Aspekt der Auswirkungen eines Projekts Rechnung, ohne die übrigen in der Richtlinie vorgesehenen Auswahl­kri­terien wie die Bevöl­ke­rungs­dichte des vom Projekt betroffenen Gebiets zu berücksichtigen. Der Flughafen, dessen Infrastruktur die in Rede stehenden Änderungen betreffen, befindet sich aber in der Nähe von Salzburg.

VGH muss Beurteilung zu den Umwelt­aus­wir­kungen treffen

Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass sich nach der Rechtsprechung eine kumulative Berück­sich­tigung der Auswirkungen mehrerer Projekte auf die Umwelt als erforderlich erweisen kann, um eine Umgehung der Unionsregelung durch eine Aufsplitterung von Projekten zu verhindern, die zusammen genommen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, im Licht dieser Rechtsprechung zu prüfen, ob und inwieweit die Umwelt­aus­wir­kungen des früheren Projekts (Errichtung des weiteren Terminals) und des späteren Projekts (Ausweitung des Flughafenareals) insgesamt zu beurteilen sind.

Prüfung der UVP-Pflicht durch nationale Stellen in jedem Einzelfall

Schließlich antwortet der Gerichtshof auf die Vorlagefrage, dass die nationalen Stellen, wenn ein Mitgliedstaat wie im vorliegenden Fall einen Schwellenwert festgelegt hat, durch den ganze Projektklassen einer UVP entzogen zu werden drohen, verpflichtet sind, in jedem Einzelfall zu ermitteln, ob eine solche Prüfung durchzuführen ist, und sie gegebenenfalls vorzunehmen.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil15481

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI