18.10.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss25.09.2012

Stilllegung und Abbau des Kernkraftwerks Obrigheim können fortgesetzt werdenErhebliches öffentliches Interesse an zügigem Rückbau des KKW Obrigheim hat überwiegendes Gewicht

Die vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energie­wirt­schaft Baden-Württemberg mit der zweiten Stilllegungs- und Abbau­ge­n­eh­migung vom 24. Oktober 2011 sofort vollziehbar gestatteten Maßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau des Kernkraftwerks (KKW) Obrigheim können fortgesetzt werden. Die Genehmigung verletzt voraussichtlich keine Rechte der zwei Kläger, die die Genehmigung anfechten. Unabhängig davon überwiegen das öffentliche Interesse und das Interesse des Kernkraft­werks­be­treibers, die Stilllegungs- und Abbaumaßnahmen trotz anhängiger Klagen zügig fortzuführen, die Interessen der Kläger an einem vorläufigen Stopp dieser Maßnahmen bis zur Entscheidung über ihre Klagen. Das hat der Verwal­tungs­ge­richtshof (VGH) Baden-Württemberg entschieden.

Die beiden Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls wohnen in einem Umkreis von 3 km um das KKW Obrigheim. Sie haben gegen die zweite Stilllegungs- und Abbau­ge­n­eh­migung vom 24. Oktober 2011 im Dezember 2011 Klagen erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Die Kläger machen Verfah­rens­fehler, insbesondere die Unterlassung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und einer Beteiligung der Öffentlichkeit, geltend, und rügen, das Ministerium habe nicht ausreichend Vorsorge gegen Störfälle bei der Durchführung der genehmigten Abbau- und Still­le­gungs­maß­nahmen getroffen. Im April 2012 haben sie beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Anfech­tungs­klagen wieder­her­zu­stellen.

Für zweite Genehmigung war nur "Vorprüfung des Einzelfalles" im Sinne des UVP-Gesetzes notwendig

Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg hat diese Eilanträge jedoch abgelehnt. Die Genehmigung vom 24. Oktober 2011 sei bei summarischer Prüfung formell rechtmäßig. Insbesondere sei eine UVP nicht nötig gewesen. Die zweite Stilllegungs- und Abbau­ge­n­eh­migung vom 24. Oktober 2011 gestatte lediglich einzelne Maßnahmen zum Abbau und regele den Still­le­gungs­betrieb nur in Randbereichen neu. Eine UVP sei aber allein für die Gesamtmaßnahme erforderlich. Die Gesamtmaßnahme sei jedoch schon Gegenstand der bestands­kräftigen ersten Stilllegungs- und Abbau­ge­n­eh­migung vom 28. August 2008 gewesen. Insoweit sei kein neues Verfahren eröffnet worden. Die zweite Genehmigung habe die erste auch nicht vollständig ersetzt. Entgegen der Ansicht der Kläger sei auch der Betrieb des externen Brenn­ele­m­ent­lagers im sogenannten "Notstands­gebäude" (Bau 37) nicht erneut genehmigt worden. Daher sei bei der zweiten Genehmigung nur eine "Vorprüfung des Einzelfalles" im Sinne des UVP-Gesetzes erforderlich gewesen. Das dazu durchgeführte Verfahren leide an keinem im gerichtlichen Verfahren beachtlichen Fehler. Auch eine zumindest teilweise neue UVP sei nicht nötig gewesen. Schließlich sei eine Beteiligung der Öffentlichkeit gesetzlich nicht geboten gewesen. Die Entscheidung des Ministeriums, von einer Öffent­lich­keits­be­tei­ligung abzusehen, sei auch nicht ermes­sens­feh­lerhaft.

Dosisgrenzwert der resultierenden Strahlung wurde eingehalten

Die zweite Stilllegungs- und Abbau­ge­n­eh­migung sei bei summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig. Das Ministerium habe davon ausgehen dürfen, dass die nach dem Atomgesetz erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die gestatteten Einzelmaßnahmen getroffen sei. Der Dosisgrenzwert für die aus einer planmäßigen Durchführung dieser Maßnahmen resultierende Strahlung sei eingehalten. Das gelte auch für den Störfa­ll­pla­nungswert hinsichtlich der zu betrachtenden Störfa­lls­ze­narien. Das Ministerium habe ferner annehmen dürfen, dass der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter zu Gunsten der Kläger gewährleistet sei. Das von den Klägern befürchtete Szenario des gezielten Absturzes eines großen Verkehrs­flugzeugs, vor allem eines Airbus Typ A 380, auf das externe Brenn­ele­m­entlager sei in diesem Verfahren nicht näher zu betrachten. Denn die Errichtung dieses Lagers sei bereits am 26. Oktober 1998 bestandskräftig genehmigt worden. Im Verfahren über die zweite Stilllegungs- und Abbau­ge­n­eh­migung sei die erforderliche Vorsorge gegen Einwirkungen Dritter daher nur zu prüfen gewesen, soweit gerade durch die Änderung des Betrie­bs­re­glements die Geneh­mi­gungsfrage neu aufgeworfen werde. Dass insoweit keine erforderliche Vorsorge getroffen worden sei, behaupteten die Kläger jedoch nicht und sei auch fernliegend. Die Kläger machten im Kern vielmehr nur geltend, das externe Brenn­ele­m­entlager im Notstands­gebäude sei konstruktiv nicht gegen die Folgen eines gezielten Flugzeu­g­ab­sturzes ausgelegt. Dieser Einwand beziehe sich aber auf die generelle bauliche Eignung des Lagergebäudes und sei schon bei der ersten Stilllegungs- und Abbau­ge­n­eh­migung geprüft worden.

Anwohner fordern Rückbau des KKW Obrigheim

Auch unabhängig von den Erfolgs­aus­sichten der Klagen falle die Abwägung der gegenläufigen Interessen zu Lasten der Kläger aus. Das erhebliche öffentliche Interesse an einem zügigen Rückbau des KKW Obrigheim, der auch im wohlver­standenen Interesse der Anwohner und damit der Kläger liege, habe überwiegendes Gewicht. Die Interessen der Kläger an einem vorläufigen Aufschub der genehmigten Maßnahmen seien aufgrund der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles als geringer zu bewerten, vor allem da die Kläger ihr vorrangiges Rechts­schutzziel, die weitere Brenn­ele­m­ent­la­gerung im externen Lagerbecken zu unterbinden, selbst bei einem Erfolg ihrer Eilanträge nicht erreichen könnten.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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