18.10.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil24.07.2012

Privates Rückholsystem für Verkaufs­ver­pa­ckungen muss öffentliche Entsor­gungs­ein­rich­tungen mitbenutzenMitnutzung muss gegen angemessene Entgeltzahlung erfolgen

Ein Landkreis kann von einem privaten Unternehmen, das ein Rückholsystem für gebrauchte Verkaufs­ver­pa­ckungen betreibt, verlangen, dass es die Entsor­gungs­ein­rich­tungen des Landkreises für Papier, Pappe und Karton gegen ein angemessenes Entgelt mitbenutzt. Der Landkreis hat aber keinen Anspruch auf Abschluss des von ihm unterbreiteten Vertrags. Das Entgelt ist entsprechend kommu­na­l­ab­ga­ben­recht­lichen Kalku­la­ti­o­ns­grund­sätzen kooperativ zu ermitteln. Dies entschied der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls ist öffentlich-rechtlicher Entsor­gungs­träger des Landkreises Böblingen. Die Beklagte betreibt ein System zur regelmäßigen Abholung gebrauchter Verkaufs­ver­pa­ckungen beim privaten Endverbraucher. Beide kooperierten bis Mitte 2008 bei Sammlung und Verwertung gebrauchter Verkaufs­ver­pa­ckungen aus Papier, Pappe und Karton (PPK). Grundlage waren eine Vereinbarung vom Juli 1992, ein Leistungs­vertrag, der aufgrund von Einwänden der Europäischen Kommission Ende 2003 beendet wurde, sowie befristete Aufträge der Beklagten. Im Jahr 2008 unterbreiteten die Beteiligten sich wechselseitig Angebote zu einem Vertrag über die Entsorgung gebrauchter Verbrauchs­ver­pa­ckungen aus PPK. Sie einigten sich aber nicht. Der Kläger erhob beim Verwal­tungs­gericht Stuttgart Klage.

Beklagte zur Mitbenutzung der Entsor­gungs­in­fra­s­truktur des Klägers verpflichtet

Das Verwal­tungs­gericht wies die Klage ab, soweit sie auf den Abschluss eines Vertrages zielte, stellte auf den Hilfsantrag des Klägers aber fest, die Beklagte sei zur Mitbenutzung der Entsor­gungs­in­fra­s­truktur des Klägers verpflichtet, bis sie über ein eigenes operativ tätiges Rücknahmesystem für PPK-Abfälle verfüge. Gegen das Urteil legten beide Beteiligte Berufung ein. Die Berufung des Klägers führte nur zur Änderung der Feststellung des Verwal­tungs­ge­richts. Die Berufung der Beklagten blieb insgesamt erfolglos.

Landkreis kann Abschluss des Vertrags nicht verlangen

Auch nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richtshofs Baden-Württemberg kann der Kläger den Abschluss des Vertrags nicht verlangen. Es sei schon zweifelhaft, ob die Verpackungsverordnung dafür eine Rechtsgrundlage biete. Jedenfalls scheitere der Anspruch daran, dass der Vertragsentwurf des Klägers mit den Vorgaben der Verpa­ckungs­ver­ordnung nicht zu vereinbaren sei. Das gelte etwa, soweit er die Ausgestaltung des Erfas­sungs­systems in das alleinige Ermessen des Landkreises stelle und nur dem Kläger, nicht aber der Beklagten ein Kündigungsrecht einräume.

Entgelt für Mitnutzung ist mittels der Kalku­la­ti­o­ns­grundsätze im Kommu­na­l­ab­ga­benrecht festzulegen

Auf das im Berufungs­ver­fahren geänderte Hilfsbegehren des Klägers sei jedoch festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Einrichtungen des Klägers für die Sammlung von PPK-Abfällen mitzubenutzen und hierfür ein angemessenes Entgelt zu entrichten. Die Mitbe­nut­zungs­pflicht beschränke sich nicht auf Einrichtungen, die vor Errichtung eines dualen Systems geschaffen worden seien. Sie erstrecke sich daher auch auf die im Jahr 2008 - gegen den Widerspruch der Beklagten - eingeführte “Blaue Tonne“. Das Entgelt sei entsprechend Kalku­la­ti­o­ns­grund­sätzen im Kommu­na­l­ab­ga­benrecht sowie unter Berück­sich­tigung des der Verpa­ckungs­ver­ordnung zugrunde liegenden Koope­ra­ti­o­ns­prinzips zu ermitteln. Der Kläger habe bereits ein Berech­nungs­modell nach kommu­na­l­ab­ga­ben­recht­lichen Grundsätzen vorgelegt. Die Beklagte habe ein vergleichbares privat­wirt­schaft­liches "Gegenmodell" bislang nicht präsentiert, in der Berufungs­ver­handlung aber erklärt, sie habe klare Vorstellungen über ein angemessenes Entgelt, kenne die im Wettbewerb erzielbaren Entgelte und verfüge über Expertise zur Preisbildung nach markt­wirt­schaft­lichen Grundsätzen. Es sollte ihr daher möglich sein, ein kohärentes Gesamtmodell vorzulegen; andernfalls müsse es mit der Orientierung am Kommu­na­l­ab­ga­benrecht sein Bewenden haben. Der Senat weist abschließend darauf hin, auf der Grundlage seines Urteils sei eine Einigung zwischen den Beteiligten möglich, nach Sach- und Rechtslage geboten und im Interesse ordnungsgemäßer Abfal­l­ent­sorgung wünschenswert.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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