18.10.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss16.02.2017

Anwohner müssen "Lärm" von angestammtem Stadt-Brunnen hinnehmenVom Brunnen ausgehende Geräusche sind grundsätzlich als sozial adäquat und damit nicht erheblich störend anzusehen

Der Verwaltungs­gerichts­hof Baden-Württemberg hat entschieden, dass Anwohner den "Lärm" von einem angestammten gemeindlichen Brunnen hinnehmen müssen. Der Verwaltungs­gerichts­hof wies damit die Klage von Anwohnern des Marienplatzes in Ravensburg letzt­in­sta­nzlich ab. Die Anwohner können nicht verlangen, dass das Landratsamt Ravensburg wegen der von dem Brunnen auf dem Marienplatz ausgehenden Lärmimmissionen tätig wird.

Die Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens sind seit 1992 Anwohner des Marienplatzes in Ravensburg. Erstmals im Jahr 2014 wandten sie sich gegen Geräusche, die von einem auf dem Marienplatz von der Beigeladenen seit dem Jahr 1994 betriebenen, von dem Künstler Robert Schad gestalteten Brunnen ausgehen.

VG: Brunnen­ge­räuschen sind herkömmliche, sozial adäquate und somit zumutbare Geräu­schim­mis­sionen

Ihre gegen das Landratsamt als Immis­si­ons­schutz­behörde gerichtete Klage wies das Verwal­tungs­gericht Sigmaringen mit Urteil vom 17. März 2016 ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass sich ausweislich des von der Stadt Ravensburg (Beigeladene) eingeholten immis­si­ons­schutz­recht­lichen Sachver­stän­di­gen­gut­achtens die von dem Brunnen auf das Haus der Kläger einwirkenden Geräusche im Rahmen des in einem Kerngebiet Zulässigen hielten. Unabhängig hiervon handele sich bei den Brunnen­ge­räuschen um herkömmliche und sozial adäquate und deswegen zumutbare Geräu­schim­mis­sionen. Zudem hätten die Kläger einen etwaigen Anspruch auf immis­si­ons­schutz­recht­liches Einschreiten durch ihre jahrelange Untätigkeit und Hinnahme der Brunnen­ge­räusche verwirkt.

VGH: Vom Brunnen gehen kein schädlichen Umwelt­ein­wir­kungen aus

Der von den Klägern hiergegen gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung blieb beim Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg ohne Erfolg. Das Gericht wies den Antrag zurück und führte zur Begründung aus, dass der Brunnen als immis­si­ons­schutz­rechtlich nicht geneh­mi­gungs­be­dürftige Anlage so zu errichten und zu betreiben sei, dass schädliche Umwelt­ein­wir­kungen verhindert werden. Schädliche Umwelt­ein­wir­kungen seien Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet seien, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Solche schädlichen Umwelt­ein­wir­kungen gingen von dem Brunnen auf dem Marienplatz nicht aus.

Immis­si­ons­richtwerte werden nicht überschritten

Der Brunnen liege in einem faktischen Kerngebiet. Daher gelte hier nach der TA Lärm ein Immis­si­ons­richtwert von 60 dB(A). Dieser werde nach dem von der Beigeladenen eingeholten immis­si­ons­schutz­recht­lichen Sachver­stän­di­gen­gut­achten hinsichtlich der Kläger nicht überschritten. Bei der immis­si­ons­schutz­recht­lichen Beurteilung der Brunnen­ge­räusche seien keine Zuschläge für Tonhaltigkeit, Infor­ma­ti­o­ns­hal­tigkeit und Impuls­hal­tigkeit vorzunehmen. Solche Zuschläge seien nur zu machen, wenn objektiv als lästig empfundene Komponenten aus dem übrigen Lärmgeschehen auffällig hervorträten. Daran fehle es hier.

Brunnen auf öffentlichen Plätzen werten Stadtbild auf und dienen zur Steigerung der Lebensqualität innen­städ­tischer Bereiche

Zudem seien die von Brunnen ausgehenden Geräusche auf öffentlichen Plätzen einer Gemeinde grundsätzlich als sozial adäquat und damit nicht erheblich störend anzusehen. Zum einen werde das Geräusch von plätscherndem und fallendem Wasser als Naturgeräusch und auch als Verweis auf die Bedeutung von Wasser für die Gründung menschlicher Siedlungen im Allgemeinen als eher angenehm empfunden. Zum anderen würden die Geräusche gerade von Brunnen auf öffentlichen Plätzen als positiv wahrgenommen, weil sie das Stadtbild aufwerten, zum Treffpunkt dienen, zum Verweilen und im Sommer auch zur Abkühlung einladen und damit zur Steigerung der Lebensqualität innen­städ­tischer Bereiche wesentlich beitragen würden.

Brunnen ist im Hinblick auf Gesund­heits­ge­fahren zu kritischen Zeiten nicht in Betrieb

Gegen eine Gesund­heits­gefahr für die Kläger spreche zudem, dass der Brunnen in der im Hinblick auf Gesund­heits­ge­fahren besonders kritischen Nachtzeit sowie in den Tagesrandzeiten (von 6.00 Uhr bis 10.00 Uhr sowie von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr) nicht in Betrieb sei. Auch seien die Kläger bereits seit über zwei Jahrzehnten den - vor einer Reduzierung des Wasser­durchlaufs des Brunnens am 8. Juli 2014 sogar noch stärkeren - Brunnen­ge­räuschen ausgesetzt, ohne dass Anhaltspunkte für tatsächliche Gesund­heits­be­ein­träch­ti­gungen vorgetragen oder ersichtlich wären.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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