18.10.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil07.07.2015

MPU auch nach straf­ge­richt­licher Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Trunken­heitsfahrt notwendigRückschlüsse auf gravierende Alkohol­pro­blematik rechtfertigt ebenfalls Anordnung einer MPU

Hat das Strafgericht eine Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss entzogen und beantragt der Betroffene die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist, muss die Fahr­erlaubnis­behörde zur Vorbereitung ihrer Entscheidung eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnen. Unabhängig davon ist eine solche Anordnung auch geboten, wenn bei der Trunken­heitsfahrt die Blut­alkohol­konzentration knapp unter 1,6 Promille lag und deutliche Indizien für eine weit über­durchschnitt­liche Alkohol­ge­wöhnung bestanden, wie etwa das Fehlen jeglicher Ausfall­erscheinungen. Dies entschied der Verwaltungs­gerichts­hof Baden-Württemberg.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens wurde wegen einer Trunken­heitsfahrt mit 1,49 Promille Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Strafgericht entzog ihm zugleich die Fahrerlaubnis und ordnete eine Sperrfrist für deren Neuerteilung an. Im Oktober 2012 beantragte der Kläger beim Landratsamt Ortenaukreis (Beklagter) die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Da die Behörde den Antrag nicht beschied, erhob der Kläger beim Verwal­tungs­gericht Freiburg Klage. Anschließend forderte die Behörde ihn auf, ein medizinisch-psychologisches Eignungs­gut­achten beizubringen. Eine solche Anordnung ist nach § 13 Satz 1 Nr. 2 der Fahrer­laub­nis­ver­ordnung (FeV) zur Vorbereitung der Entscheidung über die (Neu-)Erteilung der Fahrerlaubnis u.a. geboten, wenn a) Tatsachen die Annahme von Alkohol­miss­brauch begründen, b) wiederholt Zuwider­hand­lungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden, c) ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atema­l­ko­hol­kon­zen­tration von ,8 mg/l oder mehr geführt wurde oder d) die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a) bis c) genannten Gründe entzogen war.

Kläger hält Pflicht zur Vorlage einer MPU für ungerecht­fertigt

Der Beklagte stützte seine Anordnung auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) FeV; die Fahrerlaubnis sei aus dem in Buchstabe a) dieser Vorschrift genannten Grund "Alkohol­miss­brauch" entzogen worden. Der Kläger legte kein Gutachten vor. Das VG wies seine Klage daraufhin ab. Mit seiner Berufung machte der Kläger u.a. geltend, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) FeV erfasse nur eine vorherige Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Behörde, nicht aber durch den Strafrichter. Die vom Verwal­tungs­gericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Verwal­tungs­ge­richtshofs vertretene weite Auslegung der Vorschrift widerspreche der Geset­zes­sys­tematik und werde in anderen Bundesländern, etwa in Bayern, zu Recht nicht geteilt.

Fahrer­laub­nis­behörde schließt zurecht wegen nicht vorgelegter MPU auf Fehlen der Kraft­fah­r­eignung

Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg hat seine Rechtsprechung bestätigt und die Berufung zurückgewiesen. Die Fahrer­laub­nis­behörde habe den Kläger zu Recht zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Eignungs­gut­achtens aufgefordert und aufgrund der Nicht­bei­bringung des Gutachtens auf das Fehlen der Kraft­fah­r­eignung des Klägers geschlossen. Auch bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss sei nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) FeV stets ohne Weiteres eine MPU anzuordnen. Die Entste­hungs­ge­schichte der Vorschrift bestätige dies. Der Verord­nungsgeber messe der straf­ge­richt­lichen Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunken­heitsfahrt eigenständige Bedeutung zu. Auch eine solche Entscheidung gebe nach Ablauf der Sperrfrist noch Anlass zu Eignungs­zweifeln. Es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob bei der Trunken­heitsfahrt der ansonsten geltende Schwellenwert von 1,6 Promille Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c) FeV) überschritten worden sei.

Behörde durfte aufgrund Gesamtschau der Situation auf gravierende Alkohol­pro­blematik schließen

Unabhängig davon sei hier die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auch nach der Auffang­vor­schrift des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) FeV rechtmäßig. Denn beim Kläger hätten deutliche Indizien für eine weit überdurch­schnittliche Alkohol­ge­wöhnung vorgelegen, nämlich das Fehlen jeglicher Ausfa­l­l­er­schei­nungen. Daher habe die Behörde bei einer Gesamtschau auf eine gravierende Alkohol­pro­blematik schließen dürfen.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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