21.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil03.12.2013

Einbürgerung trotz arglistiger Täuschung über Identität wirksamRücknahme der Einbürgerung nur innerhalb von 5 Jahren möglich

Auch eine unter Verwendung falscher Personalien erschlichene Einbürgerung ist wirksam. Das gilt unabhängig davon, ob der Einbürgerungs­bewerber gegenüber der zuständigen Behörde unter dem Namen einer real existierenden oder einer frei erfundenen Person auftritt. Die Einbürgerungs­behörde kann daher nicht die Nichtigkeit einer auf diese Weise erschlichenen rechtswidrigen Einbürgerung feststellen. Möglich ist nur deren Rücknahme innerhalb der im Staats­angehö­rig­keits­gesetz dafür bestimmten Frist von fünf Jahren. Dies hat der Verwaltungs­gerichtshof Baden-Württemberg entschieden.

Dem vorzuliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger, ein pakistanischer Staats­an­ge­höriger, reiste 1995 nach Deutschland ein, gab sich unter Verwendung falscher Personalien als afghanischer Staats­an­ge­höriger aus und stellte einen Asylantrag. Im Asylverfahren wurde ein Abschie­bungs­verbot für Afghanistan festgestellt. Daraufhin erhielt der Kläger eine Aufent­halts­ge­neh­migung. Auf seinen Antrag wurde er im Juli 2004 durch Aushändigung einer Einbürgerungsurkunde unter der falschen Identität eingebürgert. Im Oktober 2011 beantragte der Kläger bei der Landes­hauptstadt Stuttgart (Beklagte), seine Personalien zu berichtigen. Er gab zu, unter falschen Personalien aufgetreten zu sein; nach mehr als fünf Jahren könne die Einbürgerung aber nicht mehr zurückgenommen werden. Die Beklagte stellte daraufhin fest, die Einbür­ge­rungs­urkunde sei nicht wirksam geworden; außerdem sei die Einbürgerung von vornherein nichtig, so dass es keiner Rücknahme bedürfte. Die dagegen erhobene Anfech­tungsklage des Klägers wies das Verwal­tungs­gericht Stuttgart ab. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil hatte Erfolg. Der VGH hob die Feststellungen der Beklagten auf.

Einbür­ge­rungs­urkunde war nur für den Kläger bestimmt

Die Einbürgerung sei entgegen der Auffassung der Beklagten durch Aushändigung der Einbür­ge­rungs­urkunde wirksam bekannt gegeben worden. Der Kläger sei als Beteiligter des Einbür­ge­rungs­ver­fahrens richtiger Adressat des Einbür­ge­rungsakts gewesen. Dass er über seinen wahren Namen, sein wahres Geburtsdatum und seine wahre Herkunft getäuscht habe, ändere daran nichts. Die Einbür­ge­rungs­urkunde sei auch für ihn bestimmt gewesen. Das gelte unabhängig davon, ob die von ihm angegebenen Personalien solche einer real existierenden oder einer frei erfundenen Person seien. Die von ihm persönlich entge­gen­ge­nommene Einbür­ge­rungs­urkunde sei auch nur für ihn bestimmt gewesen. Darin liege ein wesentlicher Unterschied zu den Fällen postalisch übermittelter Verwaltungsakte, bei denen der Adressat allein aus dem Text der Urkunde ersichtlich sei.

Kläger durch gesetzliche Fünf-Jahres-Frist zur Rücknahme der Einbürgerung geschützt

Die Einbürgerung sei auch nicht, wie die Beklagte annehme, wegen eines besonders schwerwiegenden und offen­sicht­lichen Fehlers im Sinne des Verwal­tungs­ver­fah­rens­ge­setzes von vornherein nichtig. Der ihr infolge der arglistigen Täuschung des Klägers anhaftende Fehler sei jedenfalls nicht "besonders schwerwiegend" im Sinne dieses Gesetzes, das insoweit strenge Anforderungen stelle. Die Täuschung über Name und Geburtsdaten wiege nicht schwerer als jede andere Täuschung über Umstände, die keine Voraussetzung für einen Einbür­ge­rungs­an­spruch seien. Die Täuschung des Klägers führe zwar zur Rechts­wid­rigkeit der Einbürgerung und stelle den typischen Fall einer Täuschung dar, die nach dem Staats­an­ge­hö­rig­keits­gesetz zu einer Rücknahme der Einbürgerung berechtige, was aber voraussetze, dass die Einbürgerung nicht schon von vornherein nichtig sei. Dem Kläger komme damit der Schutz der gesetzlichen Fünf-Jahres-Frist zur Rücknahme einer Einbürgerung nach deren Bekanntgabe zugute.

Hinweise zur Rechtslage

§ 48 Verwal­tungs­ver­fah­rens­gesetz (VwVfG) - Auszug -:

"(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

...

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen;..."

§ 35 Staats­an­ge­hö­rig­keits­gesetz (StAG) - Auszug -:

"(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

...

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibe­hal­tungs­ge­neh­migung erfolgen."

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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