18.10.2024
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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil12.11.2013

Einbürgerung bei falscher Identität nichtigPrüfung der Einbür­ge­rungs­vor­aus­set­zungen war auf Grund falscher Identität objektiv nicht durchführbar

Erlangt ein Einbür­ge­rungs­be­werber seine Einbürgerung nur, weil er bei dem Einbür­ge­rungs­ver­fahren eine falsche Identität vorgegeben hat, kann die Einbürgerung auch im Nachhinein noch für nichtig erklärt werden. Ein Verwaltungsakt ist dann nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dieser bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Stuttgart hervor.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls war im Jahr 1995 unter der Identität einer fremden, existierenden Person mit afghanischer Staats­an­ge­hö­rigkeit nach Deutschland eingereist und hatte um Asyl nachgesucht. Nachdem im Asylverfahren ein Abschie­bungs­verbot in Bezug auf Afghanistan festgestellt worden war, erhielt der Kläger in der Folgezeit eine Aufent­halts­ge­neh­migung. Im Juli 2004 wurde er auf seinen Antrag - unter der Alias-Identität - eingebürgert. Im Oktober 2010 beantragte der Kläger bei der Landes­hauptstadt Stuttgart, der Beklagten, seine Personalien zu berichtigen. Dabei gab er zu, dass er während seines gesamten Aufenthalts in Deutschland unter falschen afghanischen Personalien aufgetreten sei. Diese Täuschungs­handlung liege jedoch länger als fünf Jahre zurück und könne ihm deshalb nicht mehr vorgehalten werden. Es sei ihm ein Anliegen, in seiner Familie und seinem Umfeld unter seiner wahren Identität aufzutreten. Die Beklagte nahm dies zum Anlass, mit Bescheid vom 14. Mai 2012 die Nichtigkeit der Einbürgerung des Klägers festzustellen. Hiergegen erhob der Kläger nach Durchführung eines erfolglosen Wider­spruchs­ver­fahrens im September 2012 Klage beim Verwal­tungs­gericht Stuttgart. Die Klage blieb ohne Erfolg.

Einbürgerung des Klägers nichtig

Das Verwal­tungs­gericht wies die Klage ab. Auch nach der Rechts­auf­fassung des Gerichts war die Einbürgerung des Klägers nichtig.

Kläger erlangt Einbürgerung, deren Voraussetzungen er in eigener Person überhaupt nicht erfüllt

Seine Entscheidung begründet das Gericht im Wesentlichen damit, dass ein Verwaltungsakt - wie die Einbürgerung - nichtig sei, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich sei. Dies sei hier der Fall. Zwingende - im Gesetz unaus­ge­sprochene - Voraussetzung einer Einbürgerung sei es, dass die Identität des Einbür­ge­rungs­be­werbers geklärt sei und feststehe. Nur wenn Gewissheit bestehe, dass ein Einbür­ge­rungs­be­werber die Person sei, für die er sich ausgebe, könnte nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden, ob die Einbür­ge­rungs­vor­aus­set­zungen erfüllt und Ausschluss­gründe nicht gegeben seien (z.B.: welche ausländische Staats­an­ge­hö­rigkeit besitzt der Bewerber, ist er im In- oder Ausland wegen einer Straftat verurteilt worden, bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für eine Verfolgung oder Unterstützung verfas­sungs­feind­licher Bestrebungen, liegt ein Auswei­sungsgrund vor). Der Kläger habe gegen diese Voraussetzung verstoßen, da auf Grund seiner falschen Identität die erforderlichen Prüfungen unterblieben oder zumindest objektiv nicht durchführbar gewesen seien. Dieser Mangel sei auch besonders schwerwiegend und offensichtlich. Die Vorstellung, dass sich ein Ausländer unter Vorgabe einer wahren Identität, die zwar eine andere, existente Person besitze, jedoch nicht er selbst, eine im Ergebnis wirksame Einbürgerung erschleichen könne, erscheine dem Gericht als unerträglich. Dem Ausländer wäre es auf diesem Wege möglich, die überwiegend im öffentlichen Interesse gebotenen Überprüfungen zu umgehen bzw. zu unterlaufen und er könne so eine Einbürgerung erlangen, deren Voraussetzungen er in eigener Person überhaupt nicht erfülle.

Berufen auf fünfjährige Ausschlussfrist der Rücknahme nicht möglich

Soweit für die Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 35 Abs. 3 Staats­an­ge­hö­rig­keits­gesetz eine absolute 5-jährige Ausschlussfrist gelte, könne sich der Kläger auf diese Vorschrift nicht berufen. Eine "Rücknahme" setze voraus, dass es überhaupt eine wirksame Einbürgerung gebe. Hieran fehle es jedoch vorliegend, da die Einbürgerung des Klägers von vorneherein nichtig gewesen sei.

Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart/ra-online

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