Dokument-Nr. 18199
Permalink https://urteile.news/
- Gemeinden dürfen in einer Friedhofsatzung keine Regelungen treffen, die zur Bekämpfung der Kinderarbeit dienen sollenOberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil06.11.2008, 7 C 10771/08.OVG
- Verbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit – Bayerischer Verfassungsgerichtshof bestätigt Verfassungsbeschwerde der Stadt NürnbergBayerischer Verfassungsgerichtshof, sonstiges07.10.2011, Vf. 32-VI-10
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil29.04.2014
Friedhofssatzung darf kein Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit vorsehenVerbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit mit verfassungsrechtlichem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, dass eine Vorschrift in der Friedhofssatzung, nach der nur Grabsteine verwendet werden dürfen, die nachweislich aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind, und der Nachweis hierfür durch ein vertrauenswürdiges, allgemein anerkanntes Zertifikat erbracht wird, rechtswidrig und daher unwirksam ist. Damit hatten Normenkontrollanträge von sieben Steinmetzbetrieben in vollem Umfang Erfolg.
Die Antragsteller des zugrunde liegenden Verfahrens, Steinmetzbetrieben aus der Ortenau, hatten geltend gemacht, es fehle es an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage für das Verbot der Verwendung von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit. Zudem seien die Anforderungen an die Nachweispflicht nicht ausreichend klar formuliert. Es sei ihnen nicht möglich, die Wertschöpfungskette der verwendeten Steine darzustellen. Die Stadt Kehl (Antragsgegnerin) hatte erwidert, dass § 15 Absatz 3 des Bestattungsgesetzes Baden-Württemberg (BestattG) eine ausreichende gesetzliche Grundlage sei. Das Verbot sei für Steinmetze zumutbar, auch wenn derzeit kein einziges Siegel für faire Grabsteine existiere, das als vertrauenswürdig anerkannt werden könnte.
Verlässliche Möglichkeiten für Nachweis über Herkunft der Grabsteine nicht vorhanden
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg führt zur Begründung seines Urteils aus, dass das Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar sei. Es belaste Steinmetze unzumutbar. Denn es sei für sie nicht hinreichend erkennbar, welche Nachweismöglichkeiten bestünden und als ausreichend gälten. Verlässliche Möglichkeiten für den Nachweis, dass Grabsteine ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt seien, seien - wie bereits das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 16. Oktober 2013 zur Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg festgestellt habe - nicht vorhanden. Es fehle eine allgemeine Auffassung, welche der vorhandenen Zertifikate für faire Steine als vertrauenswürdig gelten könnten. Es gebe keine Anerkennung solcher Zertifikate durch eine zuständige staatliche Stelle. Die Satzung regele auch nicht ausdrücklich unter Benennung der Zertifikate, welche als Nachweis ausreichten. Da die angegriffene Satzungsvorschrift bereits aus diesen Gründen unwirksam sei, könne offen bleiben, ob ihre gesetzliche Ermächtigung in § 15 Absatz 3 BestattG verfassungsgemäß sei.
Hinweis:
§ 15 Absatz 3 BestattG wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Bestattungsgesetzes vom 26. Juni 2012 (Gesetzblatt S. 437) angefügt. Die Vorschrift lautet:
Erläuterungen
"In Friedhofsordnungen und Polizeiverordnungen kann festgelegt werden, dass nur Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die nachweislich aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der Konvention 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hergestellt sind. Die Anforderungen an den Nachweis nach Satz 1 sind in den Friedhofsordnungen und Polizeiverordnungen festzulegen."
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 14.05.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil18199
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.