21.11.2024
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Bayerischer Verfassungsgerichtshof sonstiges07.10.2011

Verbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit – Bayerischer Verfas­sungs­ge­richtshof bestätigt Verfas­sungs­be­schwerde der Stadt NürnbergRegelung zur Benutzung der gemeindlichen Friedhöfe unterliegt der kommunalen Selbst­ver­waltung

Die Stadt Nürnberg hat vor dem Bayerischen Verfas­sungs­ge­richtshof erfolgreich eine Verfas­sungs­be­schwerde gegen einen Beschluss des Bayerischen Verwal­tungs­ge­richtshofs eingelegt. Der Verwal­tungs­ge­richtshof hatte eine Bestimmung in der Fried­hofs­satzung der Stadt Nürnberg für unwirksam erklärt, nach der nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden. Der Bayerische Verfas­sungs­ge­richthof hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Bayerischen Verwal­tungs­ge­richtshof zurückverwiesen.

Der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof hatte mit Urteil vom 27. Juli 2009 eine Bestimmung in der Fried­hofs­satzung der Stadt Nürnberg für unwirksam erklärt, nach der nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nachweislich in der gesamten Wertschöp­fungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden. Die Stadt Nürnberg hatte sich zur Begründung ihrer Satzungs­re­gelung auf ein Übereinkommen der Internationalen Arbeits­or­ga­ni­sation zum Verbot von Kinderarbeit berufen (sog. ILO-Konvention 182). Nach Auffassung des Bayerischen Verwal­tungs­ge­richtshofs gehe es in der streit­ge­gen­ständ­lichen Satzungs­be­stimmung nicht um die Gestaltung der Gräber oder gewerbliche Aktivitäten auf dem Friedhof, sondern um die Verhinderung von Kinderarbeit. Diese liege als weltpolitisches Anliegen jedoch außerhalb der kommunalen Zuständigkeit der Stadt und sei keine Regelung der Fried­hofs­be­nutzung als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft.

Auf die Verfassungsbeschwerde der Stadt Nürnberg hin hat der Bayerische Verfas­sungs­ge­richtshof mit Entscheidung vom 7. Oktober 2011 das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Bayerischen Verwal­tungs­ge­richtshof zurückverwiesen.

Aufhebung der Satzungs­be­stimmung verstoße gegen Recht auf kommunale Selbst­ver­waltung

Zur Begründung führt der Verfas­sungs­ge­richtshof aus, die Aufhebung der streitigen Satzungs­be­stimmung verstoße gegen das in Artikel 11 der bayerischen Verfassung verbürgte Recht der Stadt auf kommunale Selbst­ver­waltung. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht garantiere den Gemeinden, ihre eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten. Eine solche Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft sei auch die Regelung der Benutzung der gemeindlichen Friedhöfe.

Politische Motive für Erlass der Satzungs­be­stimmung irrelevant

Allein der Umstand, dass die Satzungs­be­stimmung geeignet sei, dem weltweiten politischen Anliegen des Verbots ausbeuterischer Kinderarbeit der ILO-Konvention 182 Rechnung zu tragen, besage nicht, dass mit der Norm keine Regelung getroffen werde, die unmittelbar die Nutzung des Friedhofs zur Totenbestattung diene. Auf die politischen Motive beim Erlass der Satzungs­be­stimmung komme es für die rechtliche Beurteilung von vornherein nicht an. Entscheidend sei nur, dass die Regelung objektiv dem Rechtskreis der Totenbestattung zuzuordnen sei.

Kommune im Gestal­tungs­spielraum nicht nur auf "Minimalstandard" beschränkt

Die Stadt habe einen weiten Gestal­tungs­spielraum, welche Benut­zungs­re­ge­lungen sie in einer Fried­hofs­satzung treffe. Die Kommune sei nicht nur darauf beschränkt, durch geeignete Benut­zungs­re­ge­lungen eine Störung der Würde der Totenruhestätte zu vermeiden, also lediglich einen „Minimalstandard“ zu sichern vielmehr dürfe sie auch die Würde der Totenruhestätte durch geeignete Benut­zungs­re­ge­lungen positiv fördern. Es sei weder sachfremd noch willkürlich, wenn die Stadt Nürnberg davon ausgehe, es liege im Interesse der Würde des Ortes der Totenbestattung, dass dort keine Grabsteine aufgestellt würden, deren Material in einem weltweit geächteten Herstel­lungs­prozess gewonnen worden sei. Die ILO-Konvention 182 bezeichne diesen als „schlimmste Formen der Kinderarbeit“.

Der sachliche Zusammenhang mit dem Friedhofszweck und damit auch der spezifisch örtliche Bezug seien so in einer rechtlich einwandfreien Weise hergestellt.

Quelle: Landesanwaltschaft Bayern/ra-online

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