15.11.2024
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Verwaltungsgericht Wiesbaden Beschluss18.01.2013

Kandidat der Piratenpartei wird nicht für Wahl zum Oberbür­ger­meister in Wiesbaden zugelassenWahlvorschlag wurde vor Beginn der Sitzung des Wahlausschusses durch Vertrau­ens­personen form- und rechtswirksam zurückgenommen

Das Verwal­tungs­gericht Wiesbaden hat den Antrag des Kandidaten der Piratenpartei zurückgewiesen, mit dem die Landes­hauptstadt Wiesbaden verpflichtet werden sollte, ihn als Bewerber für die Wahl des Oberbür­ger­meisters der Landes­hauptstadt Wiesbaden am 24. Februar 2013 vorläufig zuzulassen.

Am 14. August 2012 hatte eine Mitglie­der­ver­sammlung des Kreisverbandes der Piratenpartei Deutschlands stattgefunden, bei der der Antragsteller mit Stimmenmehrheit als Bewerber für die Oberbür­ger­meis­terwahl der Landes­hauptstadt Wiesbaden gewählt wurde. Der Wahlvorschlag der Piratenpartei mit dem Antragsteller als Bewerber wurde am 30. Oktober 2012 bei der Wahlleiterin eingereicht. Der Wahlvorschlag war von der Vertrau­ens­person und der stell­ver­tre­tenden Vertrau­ens­person, die in dieser Funktion ebenfalls durch die Mitglie­der­ver­sammlung am 14. August 2012 benannt worden waren, unterzeichnet. Die gesetzlich vorgeschriebene Vorprüfung des Wahlvorschlags ergab keine Mängel, was der Vertrau­ens­person auch mitgeteilt wurde.

Piratenpartei nimmt Wahlvorschlag zur Oberbür­ger­meis­terwahl 2013 zurück

Am 28. Dezember 2012 tagte der Wahlausschuss, um über die Zulassung der eingereichten Wahlvorschläge zu beschließen. Die Sitzung, zu der auch die Vertrau­ens­person eingeladen worden war, begann um 10.00 Uhr. Unmittelbar vor Beginn der Sitzung, um 9.45 Uhr, übergab die stell­ver­tretende Vertrau­ens­person der Wahlleiterin eine gemeinsame schriftliche Erklärung der Vertrau­ens­person und der stell­ver­tre­tenden Vertrau­ens­person der Piratenpartei mit dem Inhalt, dass der Wahlvorschlag zur Oberbür­ger­meis­terwahl 2013 zurückgenommen werde. Die Erklärung war von beiden Vertrau­ens­personen im Original unterschrieben. Der Wahlausschuss entschied in seiner Sitzung am 28. Dezember 2012 aufgrund der Rücknah­me­er­klärung nicht mehr über den Wahlvorschlag der Piratenpartei. Fünf andere, ordnungsgemäß eingereichte Wahlvorschläge wurden zugelassen und am 7. Januar 2013 öffentlich bekannt gemacht.

Antragsteller verweist auf eigenmächtige Rücknahme des Wahlvorschlags durch Vertrau­ens­personen der Piratenpartei

Der am 7. Januar 2013 beim Verwal­tungs­gericht eingereichte Eilantrag des Antragstellers hatte keinen Erfolg. Soweit der Antragsteller vorträgt, die eigenmächtige Rücknahme des Wahlvorschlags durch die beiden Vertrau­ens­personen der Piratenpartei verstoße gegen die Prinzipien der inner­par­tei­lichen Demokratie, handelt es sich nach Auffassung des Gerichts nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, die vor den Verwal­tungs­ge­richten zu klären ist. Streitigkeiten zwischen Mitgliedern bzw. Kandidaten und den jeweiligen Organen der Partei stellten zivilrechtliche Streitigkeiten dar.

Zulassung des Wahlvorschlags obliegt allein dem Wahlausschuss

Soweit der Antragsteller von der Landes­hauptstadt Wiesbaden die vorläufige Zulassung zur Oberbür­ger­meis­terwahl begehre, gehe diese Forderung ins Leere und der Antrag sei insoweit unzulässig. Denn die Entscheidung über die Zulassung eines Wahlvorschlages obliege allein dem Wahlausschuss und könne insofern durch die Landes­hauptstadt Wiesbaden nicht beeinflusst werden. Der Wahlausschuss sei ein unabhängiges Wahlorgan nach dem Kommu­nal­wahl­gesetz, demgegenüber weder die Landes­hauptstadt Wiesbaden noch die Wahlleiterin ein Weisungsrecht besitze.

Wahlzulassung ohne Verschiebung des Wahltermins nicht mehr durchzusetzbar

Der Eilantrag ist nach Auffassung des Gerichts auch dann nicht zulässig, wenn das Gericht ihn dahingehend umdeutet, dass er sich gegen den Wahlausschuss richtet. Als mögliche Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen der Wahlleiter und der Wahlausschüsse sehe das Kommu­nal­wahl­gesetz während des Wahlverfahrens nur den Einspruch gemäß § 15 Abs. 3 KWG vor. Eine gerichtliche Kontrolle schließe sich daran allerdings nicht an, d.h. mit der Entscheidung des Wahlausschusses über den Einspruch sei dieser Einspruch erledigt. Der verfas­sungsmäßig gebotene Rechtsschutz sei in diesen Fällen nur nachträglich im Wege der Wahlanfechtung zu gewähren. Andernfalls wäre der reibungslose Ablauf einer Kommunalwahl nicht mehr gewährleistet, da eine verwal­tungs­ge­richtliche Rechtskontrolle der zahlreichen Einze­l­ent­schei­dungen der Wahlorgane während des Wahlverfahrens die termingerechte Einhaltung des feststehenden Wahltermins gefährden könne. Eine durch einstweiligen Rechtsschutz begehrte Wahlzulassung wäre ohne eine Verschiebung des Wahltermins und der gesetzlichen Fristen nicht mehr durchzusetzen, was ebenfalls gegen die Zulässigkeit des Antrags spreche.

Rücknah­me­er­klärung war form- und rechtswirksam

Abgesehen davon sei für das Gericht nicht ersichtlich, dass das passive Wahlrecht des Antragstellers durch eine Handlung oder Entscheidung der Gemein­de­wahl­leiterin oder durch eine Handlung oder Entscheidung des Wahlausschusses verletzt worden sei. Es fehle an einem entsprechenden Wahlvorschlag, über den der Wahlausschuss hätte entscheiden können. Der eingereichte Wahlvorschlag der Piratenpartei sei vor Beginn der Sitzung des Wahlausschusses formwirksam zurückgenommen worden. Nach § 13 Abs. 2 Kommu­nal­wahl­gesetz könne ein Wahlvorschlag durch gemeinsame schriftliche Erklärung der Vertrau­ens­person und der stell­ver­tre­tenden Vertrau­ens­person zurückgenommen werden, solange über seine Zulassung nicht entschieden sei. Vorliegend sei die Rücknah­me­er­klärung vom 28. Dezember 2012 vor Beginn der Sitzung des Wahlausschusses bei der Gemein­de­wahl­leiterin eingegangen. Sie sei von den Vertrau­ens­personen persönlich unterzeichnet worden und daher formgültig und rechtswirksam.

Wahlleiter und Wahlausschuss müssen Legitimation zur Rücknahme nicht überprüfen

Die Möglichkeit zur ersatzlosen Rücknahme eines Wahlvorschlages stehe den Vertrau­ens­personen durch gemeinsame schriftliche Erklärung zu. Den Vertrau­ens­personen sei eine derartige Rücknahme auch ohne einen entsprechenden Auftrag einer Mitglie­der­ver­sammlung der Partei, die den Wahlvorschlag trage, möglich. Unabhängig von der organi­sa­ti­o­ns­in­ternen Befugnis zu einer solchen Rücknahme sei diese gegenüber der Wahlleiterin auf jeden Fall wirksam zurückgezogen. Es habe für die Gemein­de­wahl­leiterin auch keine Veranlassung bestanden, an der ordnungsgemäßen Legitimation der Vertrau­ens­personen zu zweifeln. Ob die beiden Unterzeichner parteiintern legitimiert waren, die Rücknahme zu erklären, sei weder durch den Wahlleiter noch durch den Wahlausschuss zu prüfen. Das Gesetz sehe eine derartige Prüfungs­be­fugnis oder gar eine Prüfungspflicht nicht vor. Über das Schicksal von Wahlvorschlägen, die von Parteien eingereicht werden, entschieden nach den gesetzlichen Regelungen allein die Vertrau­ens­personen, was sich aus den Vorschriften des Kommu­nal­wahl­ge­setzes, §§ 13 Abs. 2 KWG und insbesondere § 11 Abs. 3 KWG, ergebe.

Kommunalwahlgesetz

Erläuterungen

§ 11 - Inhalt und Form der Wahlvorschläge

(1) - (2) (...).

(3) Der Wahlvorschlag muss von der Vertrau­ens­person und der stell­ver­tre­tenden Vertrau­ens­person persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein. Sie werden von der Versammlung benannt, die den Wahlvorschlag aufstellt. Die Vertrau­ens­person oder die stell­ver­tretende Vertrau­ens­person kann durch schriftliche Erklärung des für den Wahlkreis zuständigen Parteiorgans oder der Vertre­tungs­be­rech­tigten der Wählergruppe abberufen und durch eine andere ersetzt werden, die als Ersatzperson von einer Mitglieder- oder Vertre­ter­ver­sammlung benannt wurde. Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, sind nur die Vertrau­ens­person und die stell­ver­tretende Vertrau­ens­person, jede für sich, berechtigt, verbindliche Erklärungen zum Wahlvorschlag abzugeben und entge­gen­zu­nehmen.

(4) (...)

§ 13 - Einreichung, Änderung und Rücknahme von Wahlvorschlägen

(1) Die Wahlvorschläge sind spätestens am sechs­und­sech­zigsten Tag vor dem Wahltag bis 18 Uhr schriftlich bei dem Wahlleiter einzureichen.

(2) Ein Wahlvorschlag kann durch gemeinsame schriftliche Erklärung der Vertrau­ens­person und der stell­ver­tre­tenden Vertrau­ens­person ganz oder teilweise zurückgenommen werden, solange nicht über seine Zulassung entschieden ist.

(3) Nach der Zulassung (§ 15) können Wahlvorschläge nicht mehr geändert oder zurückgenommen werden.

§ 15 - Zulassung und Veröf­fent­lichung der Wahlvorschläge

(1) Der Wahlausschuss beschließt am achtund­fünf­zigsten Tag vor der Wahl in öffentlicher Sitzung über die Zulassung der Wahlvorschläge.

(2) Ein Wahlvorschlag ist zurückzuweisen, wenn er verspätet eingereicht ist oder den Anforderungen nicht entspricht, die durch dieses Gesetz und die Kommu­nal­wahl­ordnung aufgestellt sind. Sind in einem Wahlvorschlag die Anforderungen nur hinsichtlich einzelner Bewerber nicht erfüllt, so werden sie aus dem Wahlvorschlag gestrichen; Entsprechendes gilt für die Unterzeichner eines Wahlvorschlags.

(3) Weist der Wahlausschuss einen Wahlvorschlag zurück, so kann die Vertrau­ens­person des Wahlvorschlags hiergegen binnen zwei Tagen nach Verkündung der Entscheidung Einspruch bei dem Wahlleiter einlegen; über den Einspruch entscheidet der Wahlausschuss.

(4) Der Wahlleiter macht die zugelassenen Wahlvorschläge spätestens am achtund­vier­zigsten Tag vor der Wahl öffentlich bekannt und veranlasst, dass amtliche Muster­stimm­zettel verteilt werden; er kann sich dazu vereinfachter, nicht adressierter Vertei­lungs­formen bedienen. Die Wahlvorschläge sind in der Reihenfolge zu veröffentlichen, dass zuerst die im Landtag vertretenen Parteien nach der Zahl ihrer Landesstimmen bei der letzten Landtagswahl aufgeführt werden. Danach folgen die in der zu wählenden Vertre­tungs­kör­per­schaft vertretenen Parteien und Wählergruppen in der Reihenfolge der bei der letzten Wahl erreichten Anzahl der Stimmen. Schließlich folgen die übrigen Wahlvorschläge, über deren Reihenfolge das Los entscheidet. Das Los ist in der Sitzung des Wahlausschusses, in der über die Zulassung der Wahlvorschläge entschieden wird, vom Wahlleiter zu ziehen.

Quelle: Verwaltungsgericht Wiesbaden/ra-online

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