21.11.2024
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Verwaltungsgericht Wiesbaden Beschluss06.09.2019

Zentralrat der Muslime hat keinen Unter­lassungs­anspruch gegen "Islamunterricht" an hessischen SchulenUnterrichtsfach dient der Information über den Islam und stellt keinen Religi­o­ns­un­terricht dar

Das Verwal­tungs­gericht Wiesbaden einen Eilantrag des Zentralrats der Muslime gegen die Durchführung von Unterricht über den Islam an hessischen Schulen zurückgewiesen.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das Land Hessen erprobt im laufenden Schuljahr an sechs weiterführenden Schulen im Rahmen eines Schulversuches gemäß § 14 des Hessischen Schulgesetzes (HSchG) jeweils in den 7. Jahrgangsstufen die Einführung des Schulfaches "Islamunterricht".

Zentralrat der Muslime hält Anbieten von Islamunterricht" als Schulversuch für unzulässig

Dagegen hatte der Zentralrat der Muslime einen Eilantrag beim Gericht gestellt und beantragt, dem Land Hessen aufzugeben, diesen Unterricht zu unterlassen. Der Antragsteller berief sich darauf, dass er selbst und sein hessischer Landesverband in ihren Rechten als Religi­o­ns­ge­mein­schaften betroffen seien. Das Land Hessen verstoße gegen die Verfassung, indem es ohne Beteiligung von islamischen Religi­o­ns­ge­mein­schaften einen islamischen Religionsunterricht anbiete. Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) müsse der Staat die inhaltliche Bestimmung des Religi­o­ns­un­ter­richts den Religi­o­ns­ge­mein­schaften überlassen. Er selbst sei zur religiösen Neutralität verpflichtet und dürfe keinen "Islamunterricht" an den Religi­o­ns­ge­mein­schaften vorbei einrichten. Der "Islamunterricht" dürfe außerdem nicht als Schulversuch nach § 14 HSchG angeboten werden, weil das Land Hessen damit den Gesetzgeber umgehe. Auch die durch die Mitglieds­verbände vertretenen Muslime, deren Kinder in die Jahrgangsstufe 7 wechseln, seien durch diesen "Islamunterricht" in ihren Rechten verletzt.

VG zweifelt an Antragsbefugnis des Zentralrats der Muslime

Das Verwal­tungs­gericht Wiesbaden ist diesen Argumenten nicht gefolgt und wies den Eilantrag zurück. Es sei bereits fraglich, ob der Zentralrat der Muslime überhaupt antragsbefugt sei, denn es beständen zumindest Zweifel an seiner Einstufung als Religionsgemeinschaft. Der Gesamtverband des Zentralrates der Muslime bestehe aus einer Vielzahl von Mitgliedern mit ganz unter­schied­lichen Konfessionen und unter­schied­lichen Auslegungen des Islams. Der Verband könne auch nicht die Rechte der durch ihn vertretenen Muslime geltend machen, vielmehr müssten diese selbst um Rechtsschutz nachsuchen.

Vom Land Hessen konzipierter "Islamunterricht" ähnelt eher dem Ethikunterricht als dem Religi­o­ns­un­terricht

Jedenfalls aber sei der Eilantrag unbegründet, weil die Rechte des Antragstellers durch den Unterricht nicht verletzt würden. Das angebotene Fach stelle gerade keinen Religi­o­ns­un­terricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG dar. Nach der Konzeption des Faches diene es vielmehr der Information über den Islam, solle also Wissen vermitteln und nicht bestimmte religiöse Bekennt­nis­inhalte als wahr darstellen. Auch die Auswirkungen des Islams auf Lebensstil, Geschichte, Kultur, Philosophie und Ethik stellten wesentliche Lehrinhalte dar. Insgesamt ähnele der vom Land Hessen konzipierte "Islamunterricht" eher dem Ethikunterricht als einem Religi­o­ns­un­terricht. Dem Land Hessen ginge es also nicht darum, über Glaubensinhalte zu bestimmen, sondern lediglich darum, über den Islam als solchen und seine zahlreichen Bezüge zu informieren. Die staatliche Neutra­li­täts­pflicht werde dadurch nicht verletzt. Darüber hinaus sei der "Islamunterricht" nicht verpflichtend, vielmehr könnten die Schüler auf den Ethikunterricht oder auf den christlichen Religi­o­ns­un­terricht ausweichen.

Durch die Einrichtung des "Islam­un­ter­richts" als Schulversuch umgehe das Land Hessen auch nicht den Gesetzgeber, weil dieser Unterricht ein neues Fach darstelle, das in der Praxis erprobt werden dürfe. Damit lägen die Voraussetzungen des § 14 HSchG vor.

§ 14 HSchG - Schulversuche und Versuchsschulen

(1) Durch Schulversuche in bestehenden Schulen soll die Weiter­ent­wicklung des Schulwesens gefördert werden. Im Rahmen eines Schulversuchs werden Abweichungen von den geltenden Regelungen zu Unter­richts­or­ga­ni­sation, Didaktik oder Methodik innerhalb des Schulaufbaus erprobt. Schulversuche sind zu befristen.

(2) [...]

Art. 7 GG - Schulwesen

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erzie­hungs­be­rech­tigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religi­o­ns­un­terricht zu bestimmen.

(3) 1 Der Religi­o­ns­un­terricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekennt­nis­freien Schulen ordentliches Lehrfach. 2 Unbeschadet des staatlichen Aufsichts­rechtes wird der Religi­o­ns­un­terricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religi­o­ns­ge­mein­schaften erteilt. 3 Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religi­o­ns­un­terricht zu erteilen.

(4) [...]

Quelle: Verwaltungsgericht Wiesbaden/ra-online (pm/kg)

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