18.10.2024
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Verwaltungsgericht Wiesbaden Urteil15.03.2013

Statis­tik­ge­heimnis: Statistisches Bundesamt verweigert zu Recht Einsicht in die Einkommens- und Verbrau­cher­stichprobeDaten aus Haushalts­büchern unterliegen Statis­tik­ge­heimnis

Das Verwal­tungs­gericht Wiesbaden hat entschieden, dass das Statistische Bundesamt zu Recht eine Einsicht in die Einkommens- und Verbrau­cher­stichprobe des Jahres 2008 verweigert hat, da die Informationen dem Statis­tik­ge­heimnis unterliegen.

im zugrunde liegenden Fall verlangte der Kläger aufgrund des Infor­ma­ti­o­ns­frei­heits­ge­setzes vom Statistischen Bundesamt Informationen über die Ermittlung der sozia­l­hil­fe­recht­lichen Regelsätze, die er für Alleinstehende zu niedrig hält. Aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen könne er sich nicht vorstellen, dass die Höhe des Regelsatzes anhand der dem Regelsatz zugrunde liegenden Einkommens- und Verbrau­cher­stichprobe 2008 des Statistischen Bundesamtes korrekt berechnet worden sei. Das Vorgehen des Gesetzgebers sei nicht transparent und nachvollziehbar. Um die Rechtmäßigkeit der Ermittlung der Regelsätze nachprüfen zu können, begehrte der Kläger im Klagewege zunächst Einsicht in alle rund 60.000 Haushaltsbücher in anonymisierter Form, die der Einkommens- und Verbrau­cher­stichprobe 2008 zugrunde lagen, zuletzt beschränkt auf die Einper­so­nen­haushalte.

Statistische Daten der Haushaltsbücher sind einzelnen natürlichen Personen zuordenbar

Das Verwal­tungs­gericht Wiesbaden urteilte nun, dass der Kläger zwar grundsätzlich gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen habe. Seinem konkreten Auskunfts­be­gehren stehe jedoch entgegen, dass die Daten aus den Haushalts­büchern dem Statistikgeheimnis unterliegen und daher kein Anspruch auf Infor­ma­ti­o­ns­zugang bestehe. Bei den Daten, die der Kläger begehre, seien alle Daten eines Ein- Personen-Haushaltes (ermitteltes Nettoeinkommen, Kosten für Wohnen und Energie, Verkehr, Post und Telekom­mu­ni­kation, Gesundheit und Körperpflege, Bekleidung und Schuhe, Innen­ausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände, laufende Haushalts­führung, Freizeit, Unterhaltung und Kultur, Gaststätten, Kantinen, Hotels, Pensionen, Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren, Bildungswesen und Kinderbetreuung, sonstige Waren und Dienst­leis­tungen, Versi­che­rungs­beträge, Bildung von Geldvermögen, Restzahlungen, Ratenzahlungen, Soll- und Überzie­hungs­zinsen, Neuaufnahme von Krediten) enthalten gewesen. Bei diesen Daten handele es sich, so das Gericht, um Einzelangaben, die dem jeweiligen Betroffenen, der das Haushaltsbuch ausgefüllt hat, im Einzelnen zugeordnet werden könnten. Es handele sich hier lediglich um anonymisierte Daten. Das Statis­tik­ge­heimnis greife nur dann nicht ein, wenn die Daten so zusammengefasst und so gehäuft sind, dass es sich um statistische und damit aggregierte Daten handelt, so dass die Einzelangaben einer natürlichen Person nicht mehr zuzuordnen seien. Dies sei bei den Haushalts­büchern gerade nicht der Fall.

Infor­ma­ti­o­ns­frei­heits­gesetz beinhaltet keine Infor­ma­ti­o­ns­be­schaf­fungs­pflicht oder Herstel­lungs­pflicht von Informationen

Schließlich gebe es auch keinen Anspruch des Klägers darauf, dass die von ihm begehrten Daten vom Statistischen Bundesamt komplett neu berechnet und verändert werden, um dem Statis­tik­ge­heimnis gerecht zu werden und um eine Re-Identifikation ausschließen zu können. Denn der Anspruch nach dem Infor­ma­ti­o­ns­frei­heits­gesetz erstrecke sich nur auf vorhandene Daten. Das Infor­ma­ti­o­ns­frei­heits­gesetz kenne keine Infor­ma­ti­o­ns­be­schaf­fungs­pflicht oder gar Herstel­lungs­pflicht von Informationen.

Soweit das Gericht in dem vorangegangen, für den Kläger teilweise erfolgreichen, Prozess­kos­ten­hil­fe­be­schluss davon ausgegangen sei, bei dem Statistischen Bundesamt seien Rohdaten vorhanden, bei denen die Einzelangaben nicht den Betroffenen zuzuordnen seien und daher dem Auskunftsanspruch des Infor­ma­ti­o­ns­frei­heits­ge­setzes unterlägen, sei aufgrund des im Laufe des Verfahrens gewonnenen Kenntnisstandes des Gerichts nicht mehr an dieser Auffassung festzuhalten.

Infor­ma­ti­o­ns­frei­heits­gesetz (Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes gültig ab 01.01.2006)

Erläuterungen

§ 1 Grundsatz

(1) Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. [...]

(2) Die Behörde kann Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen. Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Infor­ma­ti­o­ns­zugangs, so darf dieser nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden. Als wichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwal­tungs­aufwand.

(3) [...]

§ 3 Schutz von besonderen öffentlichen Belangen

Der Anspruch auf Infor­ma­ti­o­ns­zugang besteht nicht,

1. - 3. [...]

4. wenn die Information einer durch Rechts­vor­schrift oder durch die Allgemeine Verwal­tungs­vor­schrift zum materiellen und organi­sa­to­rischen Schutz von Verschluss­sachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertrau­lich­keits­pflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt,

5. - 8. [...]

Bundess­ta­tis­tik­gesetz (Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke gültig ab 30.01.1987)

§ 16 Geheimhaltung

(1) Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse, die für eine Bundesstatistik gemacht werden, sind von den Amtsträgern und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten, die mit der Durchführung von Bundess­ta­tistiken betraut sind, geheimzuhalten, soweit durch besondere Rechts­vor­schrift nichts anderes bestimmt ist. Dies gilt nicht für

1. Einzelangaben, in deren Übermittlung oder Veröf­fent­lichung der Befragte schriftlich eingewilligt hat,

2. Einzelangaben aus allgemein zugänglichen Quellen, wenn sie sich auf die in § 15 Abs. 1 genannten öffentlichen Stellen beziehen, auch soweit eine Auskunfts­pflicht aufgrund einer eine Bundesstatistik anordnenden Rechts­vor­schrift besteht,

3. Einzelangaben, die vom Statistischen Bundesamt oder den statistischen Ämtern der Länder mit den Einzelangaben anderer Befragter zusammengefasst und in statistischen Ergebnissen dargestellt sind,

4. Einzelangaben, wenn sie dem Befragten oder Betroffenen nicht zuzuordnen sind.

(2) - (5) [...]

(6) Für die Durchführung wissen­schaft­licher Vorhaben dürfen vom Statistischen Bundesamt und den statistischen Ämtern der Länder Einzelangaben an Hochschulen oder sonstige Einrichtungen mit der Aufgabe unabhängiger wissen­schaft­licher Forschung übermittelt werden, wenn die Einzelangaben nur mit einem unver­hält­nismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft zugeordnet werden können und die Empfänger Amtsträger, für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete oder Verpflichtete nach Absatz 7 sind.

(7) - (10) [...]

Quelle: Verwaltungsgericht Wiesbaden/ra-online

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