23.11.2024
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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil15.03.2013

Syrer hat nach illegaler Ausreise aus Heimatland Anspruch auf Zuerkennung der Flücht­lings­ei­gen­schaftFlüchtling droht vor dem Hintergrund der aktuellen Lage in Syrien Gefahr der Verfolgung, Folter und Bestrafung

Ein illegal aus seinem Heimatland ausgereister Syrer hat in Deutschland Anspruch auf Zuerkennung der Flücht­lings­ei­gen­schaft, da dem Mann vor dem Hintergrund der aktuellen Lage in Syrien die Gefahr der Folter bzw. unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Bestrafung droht. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Stuttgart.

Der 1995 geborene Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls ist syrischer Staats­an­ge­höriger christlichen Glaubens und stammt aus Al-Malikiya (kurdisch: Derik). Anfang 2011 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 29. August 2012 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers ab und gewährte dem Kläger nur Abschie­bungs­schutz.

Kläger droht Gefahr der Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Bestrafung

Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart führte in seiner Entscheidung aus, dass der Kläger Anspruch auf Zuerkennung der Flücht­lings­ei­gen­schaft hinsichtlich der Arabischen Republik Syrien nach § 60 Abs. 1 des Aufent­halts­ge­setzes habe. Dabei könne offen bleiben, ob der Kläger unter den gegenwärtig in Syrien herrschenden Bedingungen wegen seines christlichen Glaubens von Verfolgung bedroht sei. Dem Kläger drohe jedenfalls vor dem Hintergrund der aktuellen Lage in Syrien, deren Änderung nicht absehbar sei, wegen seiner illegalen Ausreise, der Asylan­trag­stellung und dem längeren Ausland­s­auf­enthalt die Gefahr, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Das syrische Regime gehe seit Ausbruch der Unruhen im März 2011 mit massiver Gewalt gegen tatsächliche und vermeintliche Oppositionelle vor und habe dabei inzwischen bis zu 70.000 Tote in Kauf genommen. Seit März 2011 seien zahlreiche Fälle von willkürlicher Verhaftung, Inhaftierung ohne Gerichts­ver­fahren, „Verschwin­den­lassen“, tätlichen Angriffen, Tötungen im Gewahrsam der Sicher­heits­kräfte (u.a. eines 13-jährigen Jungen) und Mordanschläge belegt. Das Regime gehe in einer präzedenzlosen Verhaf­tungswelle gegen die Protestbewegung vor. Unliebsame öffentliche Äußerungen würden auf der Grundlage der Strafgesetze verfolgt, Medienvertreter inhaftiert oder getötet, die Internetnutzung mit ausgefeilter Software überwacht. Nach einem aktuellen Bericht der Syrien-Unter­su­chungs­kom­mission der Vereinten Nationen seien rücksichtsloser und weit verbreiteter Beschuss, die regelmäßige Bombardierung von Städten, Massenmorde und das absichtliche Schießen auf zivile Ziele mittlerweile typisch für das tägliche Leben der Zivilisten in Syrien (Spiegel online vom 11. März 2013).

Syrischer Staat würde illegale Ausreise oder Asylan­trag­stellung zum Anlass für Verfolgungen nehmen

Angesichts der dargestellten gegenwärtigen Menschen­rechtslage, des Überle­bens­kampfes des syrischen Regimes und der Intervention aus dem Ausland sei davon auszugehen, dass der syrische Staat gegenüber Handlungen wie der illegalen Ausreise, der Asylan­trag­stellung oder dem längeren Ausland­s­auf­enthalt in hohem Maße unduldsam sei, sie als Ausdruck einer von der Ideologie abweichenden Gesinnung ansehe und mit erhöhter Wahrschein­lichkeit zum Anlass von Verfol­gungs­maß­nahmen nehme.

Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart/ra-online

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