21.11.2024
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Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss12.08.2015

Eilanträge gegen Flüchtlings­unter­künfte erfolglosUnterschiede in Lebens­ge­wohn­heiten und im Wohnverhalten verschiedener Bevöl­ke­rungs­gruppen baurechtlich ohne Relevanz

Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart hat zwei Eilanträge von Nachbarn gegen die Errichtung einer Gemeinschafts­unter­kunft für 70 Flüchtlinge, bestehend aus zwei zweige­schossigen Gebäuden, in Fertig­teil­bauweise in Esslingen-Zell abgelehnt.

Die Stadt Esslingen erteilte am 2. April 2015 dem Landkreis Esslingen die bis zum 31. Dezember 2020 befristete Baugenehmigung für die Errichtung einer Gemein­schafts­un­terkunft für 70 Flüchtlinge. Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Robert-Koch-Straße/Im Feldle, der dieses Areal als Parkplatz und Verkehrs­grün­fläche ausweist. Die Wohngrundstücke von vier Nachbarn (Antragsteller) grenzen südlich bzw. nördlich an das Baugrundstück an, liegen aber bereits im Geltungsbereich des Bebauungsplans Alleen-/ Röntgenstraße. Gegen die erteilte Baugenehmigung erhoben die Antragsteller Widerspruch und stellten am 29. Mai bzw. 3. Juni 2015 beim Verwal­tungs­gericht Eilanträge.

Bauvorhaben verstößt voraussichtlich keine nachbar­schüt­zenden Vorschriften

Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart wies die Eilanträge zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass das Bauvorhaben aller Voraussicht nach nicht gegen - allein zu prüfende - nachbar­schützende Vorschriften verstoße. Die Festsetzungen des Baugrundstücks im Bebauungsplan Robert-Koch-Straße/Im Feldle als Parkplatz und Verkehrs­grün­fläche seien nicht nachbar­schützend. Zudem lägen die Grundstücke der Antragsteller bereits im Geltungsbereich des Bebauungsplans Alleen-/Röntgenstraße. Auch das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Die Stadt Esslingen versuche mithilfe des Bauvorhabens ihrer gesetzlichen Pflicht, Flüchtlingen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, gerecht zu werden. Da die Flücht­lings­zahlen in den letzten Monaten offenkundig und auch gerichtsbekannt stark angestiegen seien, liege es auf der Hand, dass die bisherigen Unter­brin­gungs­ka­pa­zitäten nicht ausreichten und neue Wohnungen/Sammel­un­ter­künfte gebaut werden müssten. Dem stünden auf Seiten der Antragsteller keine durch das Bauvorhaben zu erwartenden, im Rahmen des Baurechts zu berück­sich­ti­genden Beein­träch­ti­gungen gegenüber, die die Antragsteller besonders schutzwürdig erscheinen ließen.

Beein­träch­ti­gungen bei der bestim­mungs­gemäßen Nutzung der Grundstücke nicht erkennbar

Soweit die Antragsteller vortragen würden, sie rechneten damit, dass es zwischen den Flüchtlingen, die auf engstem Raum mit (teils traumatisierten) Menschen anderer Kulturkreisen und politischer Überzeugungen zusammen leben müssten, zu (das gewöhnliche Maß übersteigenden) Konflikten kommen werde, die diese nicht allein auf dem Baugrundstück austragen, vielmehr in die angrenzenden Baugebiete hineintragen würden, sei dies spekulativ. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, inwiefern die Antragsteller hierdurch in der bestim­mungs­gemäßen Nutzung ihres Grundstücks beeinträchtigt wäre. Auch gewährleiste das Baurecht keinen Milieuschutz. Anderweitige Belästigungen seien nicht Gegenstand baurechtlicher Betrachtung, sondern - etwa im Fall von Gewalttaten oder illegaler Müllentsorgung - nach Maßgabe des jeweiligen Einzelfalles möglicherweise von Relevanz für das Polizei- und Ordnungsrecht oder das zivile Nachbarrecht. Bei den zu erwartenden Geräu­schim­mis­sionen handele es sich um grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche, selbst wenn sich der Lebensrhythmus und die Gewohnheiten von Flüchtlingen teilweise von denen der Ortsansässigen abheben sollten. Unterschiede in den Lebens­ge­wohn­heiten und im Wohnverhalten verschiedener Bevöl­ke­rungs­gruppen seien ebenfalls baurechtlich ohne Relevanz. Gleiches gelte für die Frage, welches Verhältnis Eltern von Schulkindern zu Flücht­lings­un­ter­künften in ihrer Nachbarschaft hätten. Der Rechtsschutz könne in einer pluralistischen Gesellschaft nicht vom sozialen und kulturellen Hintergrund und den Lebens­ge­wohn­heiten des jeweiligen Betrachters abhängen.

Berufen auf befürchtete Wertminderung der Grundstücke erfolglos

Die Antragsteller könnten sich auch nicht mit Erfolg auf die von ihnen befürchtete Wertminderung ihrer Grundstücke berufen. Entgegen der Behauptung der Antragsteller dürfte die nähere Umgebung nicht durch Einfa­mi­li­en­häuser und kleinere Mehrfa­mi­li­en­häuser geprägt sein; das Bauvorhaben passe daher in diese Umgebung. Weiter könnten die Antragsteller nicht die Notwendigkeit der Einleitung eines Planän­de­rungs­ver­fahren geltend machen.

Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart/ra-online

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