21.11.2024
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Dokument-Nr. 9403

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Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss08.03.2010

VG Stuttgart: Passbe­schrän­kungen bei geplanter Einreise in ein von radikalen islamistischen Milizen kontrollierten Land zulässigBelange der Bundesrepublik Deutschland durch Reise nach Somalia erheblich gefährdet

Einer deutscher Staats­an­ge­hörigen darf der Geltungsbereich ihres Passes beschränkt werden, wenn sie auf eigene Faust in ein Land - hier Somalia - einreisen will, in dem ihr durch die dort herrschenden, der Al Kaida nahestehenden islamistischen Milizen ein sehr hohes Entfüh­rungs­risiko droht. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Stuttgart.

Die Deutsche - Antragstellerin - war Ende November 2009 durch die kenianische Spezialpolizei ATU (Anti-Terror-Unit) in Kenia festgenommen und anschließend nach Deutschland abgeschoben worden. Bereits bei ihrer Ankunft auf dem Flughafen Frankfurt äußerte sie die Absicht, sobald als möglich erneut nach Somalia aufbrechen zu wollen, und zwar in ein Gebiet Somalias, das von der radikal-islamischen Miliz Al-Shabaab beherrscht wird, der enge Verbindung zu Al Kaida nachgesagt werden. Daraufhin entzog die Passbehörde im Januar 2010 der Antragstellerin den Reisepass mit sofortiger Wirkung. Weiter drohte die Behörde ihr für den Fall, dass sie den Reisepass nicht freiwillig vorlege, Zwangsgeld oder gar Zwangshaft an.

Passbe­schränlende Maßnahmen bei Gefärhdung der Belange der Bundesrepublik zulässig

Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart entschied, dass die Bundesrepublik durch die Einreise der Antrags­stellerin nach Somalia ersichtlich in der Gefahr stünde, entweder Lösegeld­zah­lungen leisten oder anderweitig Erpressungen nachgeben zu müssen. Damit würden erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die Beschränkung des Geltungs­be­reichs des Passes (der grundsätzlich für alle Länder gelte) der Antragstellerin sei somit rechtmäßig. Passbe­schränkende Maßnahmen könnten angeordnet werden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründeten, dass durch die beabsichtigte Ausreise des Passinhabers erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet würden.

Hohes Entfüh­rungs­risiko für westliche Staats­an­ge­hörige in Somalia

Es stehe vorliegend fest, dass die Antragstellerin in Begriff gewesen sei und dies auch weiter beabsichtige, auf eigene Faust und uneskortiert nach Somalia einzureisen, und zwar in eine von der Al-Shabaab kontrollierte Region. Es sei weiter allgemeinkundig, dass in Somalia aktuell immer wieder westliche Ausländer gekidnappt würden. Auch die aktuelle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes zu Somalia rate deutschen Staats­an­ge­hörigen dringend, das Land zu verlassen, da in ganz Somalia für westliche Staats­an­ge­hörige ein sehr hohes Entfüh­rungs­risiko bestehe. Danach müsse von einer nahezu 100 %-igen Entfüh­rungs­wahr­schein­lichkeit ausgegangen werden. Derartige Entführungen beschränkten sich auch nicht darauf, von den Entführten selbst und gegebenenfalls von Angehörigen oder Freunden Freikaufsummen zu erpressen. Vielmehr richteten sich Lösegeld­for­de­rungen zumeist gegen die Herkunfts­s­taaten. Damit stehe die Bundesrepublik Deutschland selbst in der Gefahr zum Opfer einer Nötigung von Verfas­sungs­organen (§ 105 Abs. 1 des Straf­ge­setz­buches) zu werden. Gerade hierin läge aber eine Gefährdung erheblicher Belange im Sinne des Passgesetzes.

Beschränkende Maßnahmen für Einreise nach Somalia zulässig

Um die Gefahr einer Nötigung von Verfas­sungs­organen der Bundesrepublik Deutschland nach einer Entführung der Antragstellerin in Somalia zu unterbinden, genügten allerdings solche passbe­schränkende Maßnahmen, die ausreichend verhinderten, dass diese sich allein nach Somalia begebe. Wegen der derzeitigen Unerreich­barkeit Somalias auf dem direkten Luftweg genüge es daher, einen „Cordon sanitaire“ an Ländern um Somalia herum zu bestimmen, für die der Reisepass der Antragstellerin keine Gültigkeit besitze. Damit würden ihre Reiseabsichten ausreichend wirksam unterbunden.

Quelle: ra-online, VG Stuttgart

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