18.10.2024
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Dokument-Nr. 18617

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil22.07.2014

Nutzung eines "Lehrlings­wohnheims" als Asyl­bewerber­unter­kunft unzulässigGemeinschafts­unterkunft für Asylbewerber im Gewerbegebiet grundsätzlich unzulässig

Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart hat der Klage von Nachbarn gegen die von der Stadt Fellbach erteilten Baugenehmigung zur Änderung der Nutzung eines "Lehrlings­wohnheims" (Roncalli-Haus) in Fellbach-Oeffingen als Gemeinschafts­unterkunft für Asylbewerber stattgegeben und die Baugenehmigung aufgehoben. Das Gericht verwies darauf, dass eine Gemeinschafts­unterkunft für Asylbewerber in einem Gewerbegebiet grundsätzlich unzulässig sei.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Stadt Fellbach erteilte dem Eigentümer (Beigeladenen) eines Gebäudes in einem Gewerbegebiet "Handwer­ker­gebiet" - in Fellbach-Oeffingen, das bislang für eine Berufs­för­de­rungs­maßnahme des Caritas-Verbandes Baden-Württemberg als "Lehrlings­wohnheim" genehmigt war (Roncalli-Haus), im September 2012 eine Baugenehmigung zur künftigen Nutzung als Asylbe­wer­ber­un­terkunft.

Verfahrensgang

Die gegen den Sofortvollzug der Baugenehmigung gestellten Eilanträge der Nachbarn lehnte das Verwal­tungs­gericht Stuttgart im November 2012 ab, da die Asylbe­wer­ber­un­terkunft vorliegend in einem Gewerbegebiet ausnahmsweise zugelassen werden könne. Auf die Beschwerden der Nachbarn änderte der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg im März 2013 die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts und entschied, dass die Nutzung des Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber vorerst nicht vollzogen werden dürfe. Nachdem das Regie­rungs­prä­sidium Stuttgart im August 2013 eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Nutzungsart erteilt hatte, entschied das Verwal­tungs­gericht mit Beschluss vom 14. Oktober 2013, dass das Roncalli-Haus nunmehr als Asylbe­wer­ber­un­terkunft genutzt werden dürfe, da die Befreiung keine Grundzüge der Planung berühre und daher rechtmäßig sei. Dies sah der Verwal­tungs­ge­richtshof anders und entschied im Dezember 2013 auf die erneuten Beschwerden der Nachbarn wiederum, dass die Baugenehmigung nicht vollzogen werden dürfe. Zuletzt ordnete der Verwal­tungs­ge­richtshof im April 2014 an, dass die Stadt Fellbach die Nutzung des Roncalli-Hauses als Asylbe­wer­ber­un­terkunft ab 1. Juni 2014 untersagen müsse.

Nachbarn halten Asylbe­wer­ber­un­terkunft wegen des wohnähnlichen Charakters im Gewerbegebiet für unzulässig

Die Nachbarn verweisen in ihren am 4. und 18. September 2013 erhobenen Klagen im Wesentlichen auf die zu ihren Gunsten ergangenen Beschlüsse des Verwal­tungs­ge­richtshof und machen geltend, eine Asylbe­wer­ber­un­terkunft sei wegen ihres wohnähnlichen Charakters in einem Gewerbegebiet grundsätzlich unzulässig und die nachträglich vom Regie­rungs­prä­sidium Stuttgart erteilte Befreiung sei rechtswidrig.

Gemein­schafts­un­terkunft ist im Gewerbegebiet auch nicht ausnahmsweise als Anlage für soziale Zwecke zulässig

Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart gab der Klage nun statt und führte zur Begründung aus, dass eine Gemein­schafts­un­terkunft für Asylbewerber in einem Gewerbegebiet grundsätzlich unzulässig sei. Die genehmigte Gemein­schafts­un­terkunft sei in einem Gewerbegebiet auch nicht ausnahmsweise als Anlage für soziale Zwecke zulässig, weil ihr ein wohnähnlicher Charakter zukomme. Die vom Regie­rungs­prä­sidium Stuttgart im Wider­spruchs­be­scheid vom 7. August 2013 ausgesprochene Befreiung sei rechtswidrig. Eine Befreiung von Festsetzungen eines Bebauungsplans setze nach dem Baugesetzbuch voraus, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Die genehmigte Nutzung­s­än­derung berühre die Grundzüge des Bebauungsplans "Handwer­ker­gebiet". Grundzug dieser Planung sei nach der Begründung des Bebauungsplans, aus Immis­si­ons­schutz­gründen eine Art "Pufferzone" zwischen einem benachbarten Industriegebiet und einem nördlich anschließenden Wohngebiet zu schaffen. Eine Gemein­schafts­un­terkunft für Asylbewerber laufe diesem Konzept zuwider, weil damit ein hinsichtlich des benachbarten Indus­trie­gebiets und der von dort ausgehenden Immissionen schutz­be­dürftiger, nicht nur vorübergehender Aufenthalt von Menschen im Plangebiet zugelassen werde. Es sei auch nicht feststellbar, dass der mit der "Pufferzone" verfolgte Inter­es­se­n­aus­gleich durch die bisherige tatsächliche Entwicklung im Baugebiet bereits nachhaltig gestört sein könnte. Erweise sich somit der genehmigte Betrieb einer Asylbe­wer­ber­un­terkunft als in einem Gewerbegebiet unzulässig, so verstoße er zugleich gegen den Anspruch der Kläger auf Bewahrung der Gebietsart in dem hier maßgebenden Bereich.

Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart/ra-online

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