Dokument-Nr. 18617
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- Verwaltungsgericht Stuttgart, Beschluss21.11.2012, 11 K 3405/12
- Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber im Gewerbegebiet grundsätzlich unzulässigVerwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss14.03.2013, 8 S 2504/12
- Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber auch im Gewerbegebiet möglichVerwaltungsgericht Stuttgart, Urteil14.10.2013, 11 K 2941/13
- Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss17.12.2013, 8 S 2350/13
- Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss09.04.2014, 8 S 1528/13
Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil22.07.2014
Nutzung eines "Lehrlingswohnheims" als Asylbewerberunterkunft unzulässigGemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber im Gewerbegebiet grundsätzlich unzulässig
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat der Klage von Nachbarn gegen die von der Stadt Fellbach erteilten Baugenehmigung zur Änderung der Nutzung eines "Lehrlingswohnheims" (Roncalli-Haus) in Fellbach-Oeffingen als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber stattgegeben und die Baugenehmigung aufgehoben. Das Gericht verwies darauf, dass eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in einem Gewerbegebiet grundsätzlich unzulässig sei.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Stadt Fellbach erteilte dem Eigentümer (Beigeladenen) eines Gebäudes in einem Gewerbegebiet "Handwerkergebiet" - in Fellbach-Oeffingen, das bislang für eine Berufsförderungsmaßnahme des Caritas-Verbandes Baden-Württemberg als "Lehrlingswohnheim" genehmigt war (Roncalli-Haus), im September 2012 eine Baugenehmigung zur künftigen Nutzung als Asylbewerberunterkunft.
Verfahrensgang
Die gegen den Sofortvollzug der Baugenehmigung gestellten Eilanträge der Nachbarn lehnte das Verwaltungsgericht Stuttgart im November 2012 ab, da die Asylbewerberunterkunft vorliegend in einem Gewerbegebiet ausnahmsweise zugelassen werden könne. Auf die Beschwerden der Nachbarn änderte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im März 2013 die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und entschied, dass die Nutzung des Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber vorerst nicht vollzogen werden dürfe. Nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart im August 2013 eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Nutzungsart erteilt hatte, entschied das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 14. Oktober 2013, dass das Roncalli-Haus nunmehr als Asylbewerberunterkunft genutzt werden dürfe, da die Befreiung keine Grundzüge der Planung berühre und daher rechtmäßig sei. Dies sah der Verwaltungsgerichtshof anders und entschied im Dezember 2013 auf die erneuten Beschwerden der Nachbarn wiederum, dass die Baugenehmigung nicht vollzogen werden dürfe. Zuletzt ordnete der Verwaltungsgerichtshof im April 2014 an, dass die Stadt Fellbach die Nutzung des Roncalli-Hauses als Asylbewerberunterkunft ab 1. Juni 2014 untersagen müsse.
Nachbarn halten Asylbewerberunterkunft wegen des wohnähnlichen Charakters im Gewerbegebiet für unzulässig
Die Nachbarn verweisen in ihren am 4. und 18. September 2013 erhobenen Klagen im Wesentlichen auf die zu ihren Gunsten ergangenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshof und machen geltend, eine Asylbewerberunterkunft sei wegen ihres wohnähnlichen Charakters in einem Gewerbegebiet grundsätzlich unzulässig und die nachträglich vom Regierungspräsidium Stuttgart erteilte Befreiung sei rechtswidrig.
Gemeinschaftsunterkunft ist im Gewerbegebiet auch nicht ausnahmsweise als Anlage für soziale Zwecke zulässig
Das Verwaltungsgericht Stuttgart gab der Klage nun statt und führte zur Begründung aus, dass eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in einem Gewerbegebiet grundsätzlich unzulässig sei. Die genehmigte Gemeinschaftsunterkunft sei in einem Gewerbegebiet auch nicht ausnahmsweise als Anlage für soziale Zwecke zulässig, weil ihr ein wohnähnlicher Charakter zukomme. Die vom Regierungspräsidium Stuttgart im Widerspruchsbescheid vom 7. August 2013 ausgesprochene Befreiung sei rechtswidrig. Eine Befreiung von Festsetzungen eines Bebauungsplans setze nach dem Baugesetzbuch voraus, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Die genehmigte Nutzungsänderung berühre die Grundzüge des Bebauungsplans "Handwerkergebiet". Grundzug dieser Planung sei nach der Begründung des Bebauungsplans, aus Immissionsschutzgründen eine Art "Pufferzone" zwischen einem benachbarten Industriegebiet und einem nördlich anschließenden Wohngebiet zu schaffen. Eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber laufe diesem Konzept zuwider, weil damit ein hinsichtlich des benachbarten Industriegebiets und der von dort ausgehenden Immissionen schutzbedürftiger, nicht nur vorübergehender Aufenthalt von Menschen im Plangebiet zugelassen werde. Es sei auch nicht feststellbar, dass der mit der "Pufferzone" verfolgte Interessenausgleich durch die bisherige tatsächliche Entwicklung im Baugebiet bereits nachhaltig gestört sein könnte. Erweise sich somit der genehmigte Betrieb einer Asylbewerberunterkunft als in einem Gewerbegebiet unzulässig, so verstoße er zugleich gegen den Anspruch der Kläger auf Bewahrung der Gebietsart in dem hier maßgebenden Bereich.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.08.2014
Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart/ra-online
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