21.11.2024
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Verwaltungsgericht Osnabrück Beschluss04.02.2022

Verwal­tungs­gericht Osnabrück hält Verkürzung des Genesenenstatus auf 90 Tage für verfas­sungs­widrigFür die Verkürzung des Genesenenstatus fehlt es an einer wissen­schaftlich fundierten Grundlage

In einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat die 3. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts Osnabrück den Landkreis Osnabrück (Antragsgegner) mit Beschluss vom heutigen Tage dazu verpflichtet, dem Antragsteller einen 6 Monate umfassenden Genese­nen­nachweis auszustellen.

Die Kammer hält die Verkürzung des Genesenstatus auf 90 Tage durch den Verweis in der am 14. Januar 2022 geänderten "Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19" (Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnah­me­ver­ordnung - SchAusnahmV) auf die Internetseite des Robert-Koch-Instituts (RKI) für verfas­sungs­widrig und damit unwirksam. Deshalb sei die Verordnung in der Fassung vom 8. Mai 2021 anzuwenden, die den Genesenennachweis für den Zeitraum 28 Tage nach (positiver) PCR-Testung bis 6 Monate bestimme (§ 2 Nr. 5 SchAusnahmV).

Gericht sieht hohe Grund­rechts­re­levanz

Zur Begründung führte die Kammer aus, dass der Genesenenstatus und damit seine Dauer eine hohe Bedeutung für die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger habe. Es liege auf der Hand, dass der Ausschluss des Einzelnen von der Teilnahme am sozialen, kulturellen und wirtschaft­lichen Leben für den Einzelnen eine hohe Grund­rechts­re­levanz, insbesondere in Bezug auf die Allgemeine Handlungs­freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, die körperliche Unversehrtheit des Art. 2 Abs. 2 GG unter dem Gesichtspunkt der psychischen Gesundheit und auf die Berufs­aus­übungs­freiheit des Art. 12 Abs. 1 GG - sowie auf weitere Grund­rechts­po­si­tionen - habe. Es verstoße in Anbetracht der Bedeutung des Genesenenstatus für den Einzelnen gegen Verfas­sungsrecht, dass der Verord­nungsgeber die Dauer des Genesenenstatus mittelbar durch einen (dynamischen) Verweis auf die vom RKI im Internet veröffentlichen Vorgaben auf - aktuell - 90 Tage nach festgestellter Infektion beschränke. Für diese Weiter­de­le­gation auf das RKI fehle es an einer Rechtsgrundlage, der Verweis auf eine sich ständig ändernde Internetseite des RKI sei intransparent und zudem unbestimmt. Ob derartig weitreichende Entscheidungen zudem einem Parla­ments­vor­behalt unterlägen, also nur von dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber getroffen werden dürften, oder ob sie auch die Verwaltung treffen dürfe, könne letztlich offenbleiben.

Richter: Für die Verkürzung des Genesenenstatus fehlt es an einer wissen­schaftlich fundierten Grundlage

Auch in der Sache fehle es für eine Verkürzung des Genesenenstatus an einer wissen­schaftlich fundierten Grundlage. Das RKI habe nicht hinreichend wissen­schaftlich aufgearbeitet, ob es belegt sei, dass nach 90 Tagen der Schutz Genesener vor einer Infektion ende. Soweit der Antragsteller mit seinem Antrag außerdem erreichen wollte, dass sein Genesenenstatus schon ab dem Zeitpunkt der Entlassung aus der Quarantäne gelten sollte, blieb der Antrag erfolglos. Die 28-Tage-Regelung in der SchAusnahmV aus Mai 2021 beruhe auf nachvoll­ziehbaren wissen­schaft­lichen Erwägungen. Damit werde sichergestellt, dass mit dem Genese­nen­nachweis auch ein ausreichender Immunschutz einhergehe.

Diese Entscheidung hat nur Wirkung für den Antragsteller

Der Beschluss hat unmittelbar nur Folgen für den Antragsteller, der Anspruch auf den Genese­nen­nachweis zur Dauer von 6 Monaten hat. Andere Genesene, die ihren verkürzten Nachweis nicht akzeptieren, müssten sich deshalb grundsätzlich auch an das Gericht wenden, sofern die Verordnung nicht geändert wird. Das Verwal­tungs­gericht hat - anders als das Oberver­wal­tungs­gericht - keine allgemeine Normver­wer­fungs­kom­petenz.

Quelle: Verwaltungsgericht Osnabrück, ra-online (pm/pt)

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