03.12.2024
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Verwaltungsgericht Neustadt Beschluss24.09.2018

Bordell an Grund­s­tücks­grenze unzulässigVG Neustadt zur gesetzlichen Regelung von Abstandflächen bei Nutzung­s­än­de­rungen von Gebäuden

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt hat entschieden, dass sich ein Nachbar auch dann mit Erfolg gegen eine Baugenehmigung für die Umnutzung eines Wohngebäudes in ein Bordell zur Wehr setzen kann, wenn das Gebäude seit Jahrzehnten auf der Grenze zum Grundstück des Nachbarn steht.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: In einem Gewerbegebiet der Stadt Neustadt an der Weinstraße befindet sich ein Gebäude, das im Oktober 1963 als Wohngebäude genehmigt worden war. Kurz zuvor war im August 1963 eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Werkshalle auf dem gleichen Grundstück erteilt worden. In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde dieses Grundstück so geteilt, dass ab diesem Zeitpunkt das weiterhin zu Wohnzwecken genutzte Gebäude an der südlichen Außenwand auf der Grund­s­tücks­grenze stand. In der Grenzwand befand sich ein Fenster. Im Jahre 2018 stellte die neue Grund­s­tücks­ei­gen­tümerin bei der Stadt Neustadt einen Bauantrag zwecks Umnutzung des Wohngebäudes in ein Bordell. Dabei sollte das grenzständige Fenster verschlossen werden.

Nachbarin fühlt sich durch Baugenehmigung in Nachbarrechten beeinträchtigt

Diesem Bauantrag gab die Stadt am 25. Juni 2018 statt, woraufhin die Nachbarin dagegen Widerspruch einlegte und ferner um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchte. Zur Begründung führte sie aus, dass sie durch die Baugenehmigung in ihren Nachbarrechten beeinträchtigt werde. Der 3-Meter-Bereich des ehemaligen Wohnhauses an der gemeinsamen Grund­s­tücks­grenze dürfe nicht zu gewerblichen Zwecken genutzt werden. In diesem Bereich seien aber zwei Gästezimmer angeordnet, in denen der Prostitution nachgegangen werden solle.

Stadt verneint Verletzung öffentliche-rechtlicher Vorschriften

Die Stadt erwiderte, dass die Forderung, jetzt nach 40 Jahren innerhalb des Gebäudes Abstandflächen nachweisen zu müssen, bzw. die Nutzung erst nach drei Metern aufnehmen zu können, nicht nachvollziehbar sei. An der Nutzung der Räume an der Grenze als Aufent­haltsräume ändere sich nichts; es würden keine anderen öffentliche-rechtliche Vorschriften verletzt.

VG: Umwandlung des Gebäudes in Bordell stellt geneh­mi­gungs­pflichtige Nutzung­s­än­derung dar

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt gab dem Eilantrag der Nachbarin, mit der Begründung statt, dass das streit­ge­gen­ständliche Gebäude der Beigeladenen den Mindest­gren­z­abstand von drei Metern zum Nachba­r­grundstück unzweifelhaft nicht einhalte. Die Umwandlung des zu Wohnzwecken genutzten grenzständigen Gebäudes in ein Bordell stelle eine geneh­mi­gungs­pflichtige Nutzung­s­än­derung dar, denn die Nutzung als Bordell - einem in Gewerbegebieten allgemein zulässigen Gewerbebetrieb - sei nicht mehr von der Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohngebäudes gedeckt.

Nutzung des Gebäudes innerhalb der Abstandsflächen nur in Ausnahmen möglich

Die Nutzung­s­än­derung habe zur Folge, dass die Abstands­re­ge­lungen des § 8 Landes­bau­ordnung (LBauO) neu behandelt werden müssten. Eine Nutzung des Gebäudes innerhalb der Abstandsflächen komme nur nach Maßgabe des § 8 Abs. 12 LBauO in Betracht. Danach sei unter bestimmten Voraussetzungen ein Grenzabstand nicht einzuhalten bei in zulässiger Weise errichteten Gebäuden, wenn Raum für die Wohnnutzung oder die Änderung und Entwicklung ansässiger, ortsüblicher Betriebe insbesondere des Weinbaus, Handwerks oder Gastgewerbes durch Ausbau oder Änderung der Nutzung geschaffen werde. Dies sei hier indessen nicht der Fall.

Abweichung von nachbar­schüt­zenden Normen darf nur in gesetzlich vorgesehener Art und Weise zugelassen werden

Da die Stadt der neuen Grund­s­tücks­ei­gen­tümerin auch nicht ausdrücklich eine Abweichung im Einzelfall nach Maßgabe des § 69 Abs. 1 LBauO erteilt habe, könne sich die Nachbarin auch auf den Verstoß gegen § 8 LBauO berufen. Diese habe - jedenfalls wenn wie hier eine Abweichung von nachbar­schüt­zenden Normen des Bauord­nungs­rechts in Rede stehe - einen Anspruch darauf, dass die Abweichung nur in der gesetzlich vorgesehenen Art und Weise zugelassen werde. Es dränge sich auch nicht auf, dass die neue Grund­s­tücks­ei­gen­tümerin einen Anspruch auf Zulassung einer Abweichung habe. Es dürfte hier an einer atypischen Sondersituation fehlen, die ein Abweichen von der gesetzlichen Regel des § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO rechtfertige. Weder dürfte es der besondere Grund­s­tücks­zu­schnitt des Grundstücks der neuen Grund­s­tücks­ei­gen­tümerin noch die besondere städtebauliche Situation erfordern, dass die gewerbliche Nutzung des streit­ge­gen­ständ­lichen Gebäudes auch den Bereich der drei Meter breiten Abstandsfläche zum angrenzenden Grundstück der Nachbarin umfassen müsse.

Gründe für Zulassung einer Abweichung nicht gegeben

Zugunsten der neuen Grund­s­tücks­ei­gen­tümerin könne nicht ins Feld geführt werden, dass infolge des Verschließens des Fensters in der Grenzwand die Beein­träch­ti­gungen geringer seien als zuvor. Die Regelung des § 8 LBauO, die auch im Falle von nachträglichen Nutzung­s­än­de­rungen neu zu prüfen sei, räume dem Grund­s­tücks­nachbarn ein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht gegen die rechtswidrige Zulassung eines Vorhabens unter Verletzung des § 8 LBauO ein. Dabei komme es nicht auf die Frage an, ob der Grund­s­tücks­nachbar spürbar und merklich durch den Abstands­flä­chen­verstoß beeinträchtigt werde. Die Abstands­vor­schriften nähmen den Ausgleich der nachbarlichen Interessen in abstrakt-genereller Weise vor und legten zenti­me­ter­scharf fest, was dem Nachbarn an heranrückender Bebauung zuzumuten sei, ohne auf die Verhältnisse im Einzelfall abzustellen, insbesondere ohne nach Lage und Zuschnitt der einzelnen Grundstücke zu differenzieren. Derartige Besonderheiten könnten nur bei der Erteilung einer Abweichung nach § 69 LBauO im Einzelfall eine Rolle spielen. Die Zulassung einer Abweichung dränge sich vorliegend jedoch nicht auf.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt/ra-online

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