23.11.2024
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Verwaltungsgericht Neustadt Urteil23.10.2017

Hühnerhaltung mit 10 Hühnern und einem Hahn im Dorfgebiet für Nachbarn zumutbarMit untergeordneter Tierhaltung verbundene Lärm- und Geruch­s­im­mis­sionen sind als ortstypisch hinzunehmen

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt hat entschieden, dass die Haltung von zehn Hühnern und einem Hahn in einem Dorfgebiet für die Nachbarn zumutbar ist. Der Antrag einer Anwohnerin auf Aufhebung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Hühnerstalls auf dem Nachba­r­grundstück blieb daher erfolglos.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist Eigentümerin eines Grundstücks in der im Donners­bergkreis gelegenen Ortsgemeinde Sitters. Diese Ortsgemeinde hat ca. 125 Einwohner und ist umgeben von landwirt­schaft­lichen Flächen und Wald. In der Ortsgemeinde sind viele Grundstücke außer mit Wohngebäuden auch mit landwirt­schaft­lichen Nebengebäuden bebaut. Die Landwirtschaft, die früher dominierend war, hat sich aber zwischen­zeitlich auf drei Betriebe in der Ortslage reduziert.

Das Grundstück der Klägerin ist mit einem denkmal­ge­schützten Wohnhaus bebaut, das auf der Grenze zum Grundstück der zum Verfahren beigeladenen Nachbarin steht. Die Beigeladene hält auf ihrem Grundstück u.a. zur Eiergewinnung einige Hühner. Dazu nutzt sie einen 3,30 m x 2,00 m großen Hühnerstall, der an ihre Scheune grenzt. Er ist ca. drei Meter von der grenzständigen Hauswand der Klägerin entfernt, in der sich vier Fenster befinden.

Anwohnerin rügt Beein­träch­ti­gungen durch die von der Feder­vieh­haltung ausgehenden Immissionen

Auf Antrag der Beigeladenen genehmigte der beklagte Donners­bergkreis im November 2016 den Hühnerstall auf dem Grundstück der Beigeladenen, wobei die Hühnerhaltung auf 10 Hühner und einen Hahn beschränkt wurde. Dagegen erhob die Klägerin nach erfolgloser Durchführung eines Wider­spruchs­ver­fahrens Klage und machte geltend, dass die Baugenehmigung gegen das baupla­nungs­rechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoße, weil das Vorhaben zu unzumutbaren Geruchsimmissionen auf ihrem Grundstück führe. Die von der Feder­vieh­haltung ausgehenden Immissionen beein­träch­tigten nicht nur die Nutzung ihrer Wohnräume. Auch die Nutzung des Gewölbekellers werde ganz erheblich eingeschränkt. Namentlich sei eine Lagerung von Lebensmitteln in dem Keller nicht mehr möglich. Gerüche gelangten durch die Auslassungen in der Wand nach innen, setzen sich auf den Lebensmitteln ab und machten diese ungenießbar. Die genehmigte Hühnerhaltung führe außerdem zu unzumutbaren Lärmimmissionen. Der Hahn krähe mehrmals des Nachts und störe so die Nachtruhe. Die Hühner verursachten zudem ein langanhaltendes, sehr lautes Gackern.

Haltung von Hühnern und Hahn ist in faktischem Dorfgebiet grundsätzlich als ortstypisch hinzunehmen

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt wies die Klage mit der Begründung ab, dass die genehmigte Errichtung eines Hühnerstalls auf dem Grundstück der Beigeladenen nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Dorfgebiet. Dieses diene gerade auch der Unterbringung von Tierhal­tungs­anlagen. Die genehmigte Haltung von zehn Hühnern und einem Hahn auf dem Grundstück der Beigeladenen müsse daher in dem faktischen Dorfgebiet grundsätzlich als ortstypisch hingenommen werden. Dabei sei unerheblich, ob es sich dabei um landwirt­schaftliche oder hobbymäßige Tierhaltung handele, denn in Baugebieten mit dörflichem Charakter seien auch gewisse Geruchs- und Lärmbe­läs­ti­gungen durch eine gebietstypische Hobby­tier­haltung als ortsüblich in Kauf zu nehmen.

Mit untergeordneter Tierhaltung verbundene Geruch­s­im­mis­sionen liegen im Bereich der Bagatellgrenze

Unzumutbare Geruch­s­im­mis­sionen für das Anwesen der Klägerin seien mit der genehmigten Errichtung eines Hühnerstalls zur Haltung von maximal zehn Hühnern und einem Hahn nicht verbunden. Dieses geringe Ausmaß der Klein­tier­haltung sprenge nicht den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeit­be­tä­tigung und sei daher selbst in einem Wohngebiet als der Wohnnutzung zu- und untergeordnete Geflügelhaltung regelmäßig zulässig. Umso mehr seien die mit dieser untergeordneten Tierhaltung verbundenen Geruch­s­im­mis­sionen in einem faktischen Dorfgebiet als im Bereich der Bagatellgrenze einzustufen und daher von der Klägerin als ortstypisch hinzunehmen.

Ortsübliche Tierhaltung nicht rücksichtslos

Der Umstand, dass sich Hühnerstall und Auslauf vor der grenzständigen, mit vier Fenstern und einer Kelleröffnung versehenen Westwand des Gebäudes der Klägerin befänden, mache die ortsübliche Tierhaltung der Beigeladenen nicht rücksichtslos. Zwar erhöhten die grenzständigen Öffnungen auf dem Grundstück der Klägerin die Wahrnehmbarkeit der genehmigten Tierhaltung. Dies sei der Klägerin aber nach Lage der Dinge zuzumuten. Die vier Fenster und die Kelleröffnung seien nämlich unzulässig und damit rechtswidrig, weil die fragliche an der Grenze stehende Hauswand als Brandwand herzustellen sei. Dies bedinge aus Sicht des Gerichts, dass nicht die Beigeladene bei der Nutzung ihres Grundstücks weitergehende Rücksicht auf die grenzständigen Öffnungen nehmen müsse, sondern vielmehr die Klägerin gegebenenfalls gehalten sei, durch das Schließen der Fenster oder durch sonstige "archi­tek­to­nische Selbsthilfe" die Beein­träch­ti­gungen zu minimieren.

Ein möglicher Bestandschutz der Fenster, für dessen Existenz die Klägerin die materielle Beweispflicht trage, sei insoweit unerheblich. Der Bestandsschutz sei vorrangig ein Abwehrmittel gegen bauauf­sichts­be­hördliche Eingriffe, nicht aber gegen die Bebauung und Nutzung des Nachba­r­grund­stücks als Rechtsausübung eines privaten Dritten.

Gericht verneint unzumutbare Lärmbe­läs­ti­gungen

Mit der genehmigten Errichtung eines Hühnerstalls zur Haltung von maximal zehn Hühnern und einem Hahn seien für das Anwesen der Klägerin auch keine unzumutbaren Lärmbe­läs­ti­gungen verbunden. Zwar mache die Klägerin insoweit geltend, dass der Hahn mehrmals des Nachts krähe und die Hühner zudem ein langanhaltendes, sehr lautes Gackern verursachten. Da sich aber Hahn und Hühner zur Nachtzeit in dem geschlossenen Hühnerstall befänden, könne ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass die zulässigen Immis­si­ons­richtwerte überschritten würden. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin auch insoweit im Hinblick auf die materielle Rechts­wid­rigkeit der grenzständigen Fenster gehalten sei, durch das Schließen dieser Fenster oder durch sonstige "archi­tek­to­nische Selbsthilfe" die Lärmbe­ein­träch­ti­gungen zu minimieren.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt/ra-online

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