21.11.2024
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Dokument-Nr. 21648

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Verwaltungsgericht Neustadt Urteil11.09.2015

Zum Hangschutz dienende bepflanzte Altreifen sind kein AbfallAls Pflanzenringe verwendete Altreifen sind nicht als Abfall im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG zu qualifizieren

Der Landkreis Bad Dürkheim hat einen Grund­stücks­eigentümer im Landkreis zu Unrecht aufgefordert, die von ihm als Hangschutz terrassenförmig in die Erde eingebauten sowie als Pflanzringe auf dem Grundstück aufgestellten Altreifen zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Neustadt.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls ist Eigentümer mehrerer unbebauter Freizeit­grund­stücke in Hanglage im Elmsteiner Tal. Im Januar 2014 wurde dem beklagten Landkreis Bad Dürkheim bekannt, dass auf diesen Grundstücken mehrere hundert äußerlich unbeschädigte Altreifen lagen. Der Kläger begann die Altreifen u.a. als Terras­sen­be­fes­tigung zu verbauen, indem er diese terrassenförmig in den Untergrund bzw. die Böschung eingrub und anschließend bepflanzte. Weitere Altreifen baute er als Pflanzringe in den Boden ein.

Kläger soll Altreifen aller Art auf eigene Kosten vollständig entfernen und ordnungsgemäß entsorgen

Mit einer abfall­recht­lichen Besei­ti­gungs­ver­fügung vom 25. Februar 2014 gab der Beklagte dem Kläger auf, die auf seinen Freizeit­grund­s­tücken angelagerten und teilweise schon in den Untergrund bzw. in die Böschung eingebauten Altreifen aller Art auf eigene Kosten vollständig zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen, da die Altreifen Abfall im Sinne des Kreis­l­auf­wirt­schafts­ge­setzes (KRWG) seien. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass er die erworbenen Grundstücke umgestaltet habe, da die Nutzung als Nutzgarten bei einem Hanggrundstück eingeschränkt sei. Er habe deshalb begonnen, mit Altreifen eine Terras­sen­be­fes­tigung zu bauen. Es liege weder eine ökologische noch eine ästhetische Beein­träch­tigung der Umwelt vor. Die Altreifen seien kein Abfall; auf deren Herkunft komme es nicht an. Die Nutzung der Altreifen als Terras­sen­be­fes­tigung sei als erneute Nutzung unter Beibehaltung der Produkt­ge­staltung anzusehen. Auch anderweitig würden Altreifen beispielsweise als Fender an Wasser­fahr­zeugen, als Pufferzonen im Wassersport und zur Beschwerung von Folien auf Mieten verwendet.

Altreifen wurde sinnvolle Zweckbestimmung gegeben

Nach Zurückweisung seines Widerspruchs durch den Kreis­rechts­aus­schuss des Beklagten erhob der Kläger im Februar 2015 Klage und führte ergänzend aus, er habe die Reifen über das Internetportal „Quoka“ erworben, in dem die Vorbesitzer die Altreifen kostenlos z.B. zur Beschwerung von Miete­nab­de­ckungen in der Landwirtschaft angeboten hätten. Er habe den Altreifen eine sinnvolle Zweckbestimmung gegeben; sie seien deshalb kein Abfall.

Als Pflanzringe dienende Altreifen sind nicht als Abfall anzusehen

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt an der Weinstraße gab der Klage statt und führte zur Begründung aus, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer abfall­recht­lichen Besei­ti­gungs­ver­fügung nicht gegeben seien, da die Altreifen, die der Kläger als Pflanzringe (auch) für die Befestigung und den Ausbau der Terrasse auf seinen Freizeit­grund­s­tücken im Elmsteiner Tal verwende, nicht als Abfall im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG zu qualifizieren seien. Abfall seien nach dieser Vorschrift alle Stoffe oder Gegenstände, deren sich ihr Besitzer entledige, entledigen wolle oder entledigen müsse. Vorliegend sei keine der drei gefah­re­n­ab­wehr­rechtlich ausgerichteten Entle­di­gungs­va­rianten gegeben.

Objektive Entle­di­gungs­handlung nicht erkennbar

Eine tatsächliche objektive Entle­di­gungs­handlung sei hier nicht festgestellt. Der Kläger habe als aktueller Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft an den ihm von den Vorbesitzern geschenkten Altreifen bereits mit der Zweckbestimmung begründet, diese für den Terrassenbau und die Bepflanzung des Gartens zu verwenden und realisiere diese Zweckbestimmung ohne Unterbrechung oder Aufgabe der ursprünglichen Zweckbestimmung.

Altreifen sind nicht als gefährlicher Abfall zu klassifizieren

Es lägen auch nicht die Voraussetzungen für eine Entle­di­gungs­pflicht vor. Es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass die Altreifen, die auch nicht in der Verordnung über das Europäische Abfall­ver­zeichnis als gefährlicher Abfall klassifiziert seien, nach dem Einbau in den Untergrund bzw. die Böschung der unbebauten Freizeit­grund­stücke des Klägers und deren Bepflanzung in ihrer konkreten Funktion als Hangschutz und Pflanzringe geeignet wären, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit zu gefährden.

Auch Infor­ma­ti­o­ns­blätter des Bundes­um­weltamtes geben Tipps für geeignete Weiter­ver­wendung von Altreifen

Schließlich fehle es auch an dem Willen zur Entledigung von Stoffen oder Gegenständen im Sinne des § 3 Abs. 1 KrWG. Dies könne allenfalls dann angenommen werden, wenn keine sinnvolle Verwen­dungs­mög­lichkeit des Gegenstandes mehr bestünde. Dies sei hier nicht der Fall. Für Altreifen gebe es zahlreiche Weiter- und Wieder­wen­dungs­mög­lich­keiten, die häufig und weit verbreitet unmittelbar an die Stelle der ursprünglichen Zweckbestimmung träten. So würden in Infor­ma­ti­o­ns­blättern des Bundes­um­weltamtes vom Juni 2014 und des Bayerischen Landesamtes für Umwelt vom November 2013 mehrere geeignete Weiter­ver­wen­dungen für Altreifen (Beschwerung von Miete­nab­de­ckungen in der Landwirtschaft, Aufprallschutz in Hafenlagen, Spielgeräte in Form von Schaukel oder Schaukelpferd) genannt.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt/ra-online

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