21.11.2024
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Verwaltungsgericht Neustadt Urteil28.05.2015

Gewerblicher Altklei­der­sammler darf in Kaiserslautern weiterhin Alttextilien sammelnGefährdung der Funkti­o­ns­fä­higkeit des öffentlich-rechtlichen Entsor­gungs­trägers nicht ersichtlich

Eine Firma, die sich auf das Sammeln von Alttextilien und -schuhen spezialisiert hat, ist trotz eines Verbots durch die Stadt Kaiserslautern weiterhin berechtigt, innerhalb von Kaiserslautern Altkleider und -schuhe zu sammeln. Das hat das Verwal­tungs­gericht Neustadt entschieden.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist ein im gesamten Bundesgebiet tätiger Entsor­gungs­fach­betrieb, der nach eigenen Angaben pro Monat bundesweit bis zu 150 Tonnen Altschuhe und bis zu 400 Tonnen Alttextilien erfasst. Sofern hierbei Sammelbehälter aufgestellt werden, erfolgt dies auf mietver­trag­licher Grundlage auf den Grundstücken oder in den Geschäften privater Partner (Einzelhändler, Super­ma­rkt­ketten u.a.), in der Vergangenheit auch auf den Grundstücken öffentlicher Partner (kommunale Wertstoffhöfe, etc.).

Verschiedene Abfallarten werden im Bringsystem gesammelt und auf Recyclinghöfen des ASK zur Verwertung zugeführt

Die beklagte Stadt Kaiserslautern sammelt auf den in Kaiserslautern betriebenen Wertstoff- und Recyclinghöfen des Abfall­wirt­schafts- und Stadtreinigungs-Eigenbetriebs der Stadt Kaiserslautern (ASK) im Bringsystem in entsprechenden Containern Altkleider und -schuhe. Zusätzlich wurde zum 1. Januar 2013 ein Abholsystem für die Abfallarten Altmetalle, Altkleider und Alttextilien geschaffen. Der ASK holt diese Abfälle auf fernmündlichen oder schriftlichen Antrag ab. Nach der Erfassung werden die Abfälle der Zentrale Abfall­wirt­schaft Kaiserslautern (ZAK) - einer gemeinsamen kommunalen Anstalt des öffentlichen Rechts der Beklagten und des Landkreises Kaiserslautern - überlassen und der Verwertung zugeführt. Zusätzlich zu dem Erfas­sungs­system der ASK erfolgt durch die ZAK eine Sammlung von Altkleidern/Textilien im Bringsystem in Sammel­con­tainern.

Stadt untersagt Klägerin gewerbliche Sammlung von Altkleidern und -schuhen

Im August 2012 zeigte die Klägerin gegenüber der Beklagten eine auf unbestimmte Zeit angelegte gewerbliche Sammlung von Altkleidern und -schuhen an. Die angezeigte Sammlung betrifft die Aufstellung von Alttextilien- und Altschuh­con­tainern an einem von Seiten der Klägerin bereits genutzten Standort eines Supermarktes im Stadtgebiet der Beklagten. Mit Bescheid vom 9. April 2013 untersagte die Beklagte der Klägerin die gewerbliche Sammlung von Altkleidern und -schuhen im Stadtgebiet von Kaiserslautern und forderte sie auf, die aufgestellten Sammelcontainer unverzüglich zu entfernen. Zur Begründung führte die Beklagte u.a. aus, dass durch die Sammlung Abfälle erfasst würden, für die sie selbst eine haushaltsnahe und hochwertige Erfassung und Verwertung durchführe. Die Sammlung der Klägerin gefährde die Stabilität der Gebühren, denn grundsätzlich minderten Einnahmen, die der Entsor­gungs­betrieb über den Verkauf von Abfällen an Dritte erschließen könne, die Gebührenhöhe.

Klägerin rügt unzulässige Beschränkung ihrer europarechtlich geschützten Warenverkehrs- und Wettbe­wer­bs­freiheit

Nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren hat die Klägerin im Dezember 2014 mit der Begründung Klage erhoben, sie werde durch die Unter­sa­gungs­ver­fügung unzulässig in ihrer europarechtlich geschützten Warenverkehrs- und Wettbe­wer­bs­freiheit eingeschränkt. Die Beklagte habe nicht genügend dargetan, dass die Funkti­o­ns­fä­higkeit ihres öffentlich-rechtlichen Entsor­gungs­trägers gefährdet sei.

Einschlägige Vorschriften des KrWG zur Untersagung einer gewerblichen Abfallsammlung müssen europa­rechts­konform ausgelegt werden

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung führten die Richter aus, dass die Unter­sa­gungs­ver­fügung rechtswidrig sei. Nach den einschlägigen Vorschriften des Kreis­l­auf­wirt­schafts­ge­setzes (KrWG) dürfe die zuständige Behörde die Durchführung der angezeigten gewerblichen Sammlung nur untersagen, wenn überwiegende öffentliche Interessen einer gewerblichen Sammlung entgegenstünden. Dies habe die Beklagte nicht ausreichend dargelegt. Die gesetzlichen Überlas­sungs­pflichten im Abfallrecht stellten Beschränkungen der Waren­ver­kehrs­freiheit und der Wettbe­wer­bs­freiheit dar. Diese seien grundsätzlich zwar europarechtlich gerechtfertigt. Allerdings müssten die einschlägigen Vorschriften des KrWG zur Untersagung einer gewerblichen Abfallsammlung europa­rechts­konform ausgelegt werden.

Behörden müssen mildere Maßnahme zur Sicherung der Funkti­o­ns­fä­higkeit des öffentlich-rechtlichen Entsor­gungs­trägers anstelle eines Verbots prüfen

Danach sei die Untersagung einer gewerblichen Abfallsammlung nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn seitens des öffentlich-rechtlichen Entsor­gungs­trägers eine hochwertige Erfassung oder Verwertung der betreffenden Abfallart erfolge; vielmehr müsse auch in diesem Fall eine wesentliche Beein­träch­tigung seiner Tätigkeit vorliegen. Dies könne nur auf der Grundlage konkreter Zahlen und Fakten beurteilt werden. Die für den Erlass einer Unter­sa­gungs­ver­fügung zuständige Behörde trage insoweit die Darlegungslast. Eine Gefährdung der Funkti­o­ns­fä­higkeit des öffentlich-rechtlich organisierten Entsor­gungs­systems durch eine "wesentliche Beein­träch­tigung" der Planungs­si­cherheit und Organi­sa­ti­o­ns­ver­ant­wortung des öffentlich-rechtlichen Entsor­gungs­trägers könne allenfalls angenommen werden, wenn die gewerbliche Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung und ggf. im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen mehr als nur einen geringen Anteil des gesamten Aufkommens einer bestimmten Abfallart im Entsor­gungs­gebiet erfasse. Vor Erlass einer auf § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG gestützten Unter­sa­gungs­ver­fügung sei von der Behörde zudem stets zu prüfen, ob nicht an Stelle des Verbots eine mildere Maßnahme zur Sicherung der Funkti­o­ns­fä­higkeit des öffentlich-rechtlichen Entsor­gungs­trägers in Betracht komme.

Vor dem Hintergrund dieser strengen rechtlichen Anforderungen sei es der Beklagten nicht gelungen, eine wesentliche Beein­träch­tigung der Planungs­si­cherheit und Organi­sa­ti­o­ns­ver­ant­wortung respektive eine Gefährdung der Funkti­o­ns­fä­higkeit des öffentlich-rechtlichen Entsor­gungs­trägers zu belegen. Es stehe ihr aber frei, ihren Bürgern die Vorzüge des eigenen Bring- und Holsystems gegenüber den gewerblichen Sammlungen zu vermitteln.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt/ra-online

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